Eine doppelte Haushaltsführung liegt nicht vor, wenn der Steuerpflichtige in einer Wohnung am Beschäftigungsort einen (beruflich veranlassten) Zweithaushalt führt und auch der vorhandene „eigene Hausstand“ am Beschäftigungsort belegen ist. Das gilt auch dann, wenn der Steuerpflichtige mehrfach täglich seine schwer erkrankte Ehefrau pflegen und medizinisch unterstützen will und deswegen am Arbeitsort neben der bei Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel ca. 35 bis 40 Fahrminuten von der Arbeitsstätte entfernten Hauptwohnung in unmittelbarer Nähe zur Arbeitsstätte eine weitere Wohnung anmietet, um bei Bedarf jederzeit kurzfristig seine Ehefrau unterstützen zu können und so die Unterbrechungen der Arbeitszeiten zeitlich deutlich reduzieren zu können.
Grundsatz
Eine doppelte Haushaltsführung liegt nur vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt. Beschäftigungsort ist der Ort der regelmäßigen, dauerhaften Arbeitsstätte i. S. d. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG.
Der Ort des eigenen Hausstands und der Beschäftigungsort müssen demnach auseinanderfallen. Nur dann ist der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, i. S. d. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG beschäftigt. Eine doppelte Haushaltsführung ist deshalb nicht gegeben, wenn der Steuerpflichtige in einer Wohnung am Beschäftigungsort einen (beruflich veranlassten) Zweithaushalt führt und auch der vorhandene „eigene Hausstand“ am Beschäftigungsort belegen ist. Denn dann fallen der Ort des eigenen Hausstands und der Beschäftigungsort nicht auseinander.
Dabei ist unter Beschäftigungsort nicht die jeweilige politische Gemeinde zu verstehen, sondern der Bereich, der zu der konkreten Anschrift der Arbeitsstätte (noch) als Einzugsgebiet anzusehen ist. Ein Arbeitnehmer wohnt am Beschäftigungsort, wenn er von seiner Wohnung aus ungeachtet von Gemeinde- und Landesgrenzen seine Arbeitsstätte in zumutbarer Weise täglich aufsuchen kann. Ausschlaggebend ist insoweit nicht allein die Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Es ist vielmehr auf alle wesentlichen Umstände des Einzelfalls abzustellen und neben der Entfernung auch auf die Verkehrsanbindung mit privaten und öffentlichen Verkehrsmitteln, die Erreichbarkeit dieser Verkehrsmittel bei Arbeitsbeginn und -ende sowie eventuelle besondere Umstände beim Arbeitsablauf abzustellen.
Eine Wohnung am Beschäftigungsort kann danach regelmäßig angenommen werden, wenn sie in einem Bereich liegt, von dem aus der Arbeitnehmer üblicherweise täglich zu diesem Ort fahren kann. Dabei liegen Fahrzeiten von etwa einer Stunde für die einfache Strecke noch in einem zeitlichen Rahmen, in dem es einem Arbeitnehmer zugemutet werden kann, von seinem Hausstand die Arbeitsstätte aufzusuchen. Unter den Bedingungen einer Großstadt, in der sich schon aufgrund des im Innenstadtbereich herrschenden Preisniveaus typischerweise die Wohnstätten der Beschäftigten in Randbereiche und auch über die politischen Grenzen einer Gemeinde hinaus verlagern, sind Fahrzeiten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte von etwa einer Stunde üblich und ohne Weiteres zumutbar. Dies gilt insbesondere dann, wenn es ein gut ausgebautes Netz von öffentlichen Nah- und Fernverkehrsverbindungen gibt.
Entscheidung
Bei Anwendung dieser Grundsätze kam das FG im Streitfall zu dem Ergebnis, dass der eigene Hausstand und der Beschäftigungsort bzw. Ort der ersten Tätigkeitsstätte beim Steuerpflichtigen nicht i. S. d. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG auseinanderfallen. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln benötigt der Steuerpflichtige bis zu seiner Arbeitsstätte ca. 35 bis 40 Minuten. Das ist zumutbar und die Hauptwohnung liegt somit üblicherweise im Einzugsgebiet der Arbeitsstätte.
Es handelte sich auch nicht um außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33 EStG. Denn der Aufenthalt in der Zweitwohnung diente in erster Linie der angenehmeren Gestaltung der Pflegesituation und stellte keine gezielte therapeutische Maßnahme dar. Er war insofern auch nicht medizinisch indiziert. Die Aufwendungen für das Wohnen stellen Kosten der allgemeinen Lebensführung dar und erleichterten im Streitfall zwar das Leben der Ehefrau, waren aber dennoch freiwillige Aufwendungen und nicht zwangsläufig.
Fazit | Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Anmietung der Wohnung aus medizinischen Gründen zweckmäßig ist, so handelt es sich allenfalls um Folgekosten der Krankheit, die nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden können.
fundstelle
FG Brandenburg 8.11.21, 7 K 7009/19, Rev. zugelassen