Der BFH hat das BMF aufgefordert, dem Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der ab 1.1.2009 geltenden Erbschaftsteuer beizutreten. Im Verfahren muss entscheiden werden.
BFH 5.10.11, II R 9/11,
BFH 17.2.10, II R 23/09, beim BVerfG unter 1 BvR 1432/10
BVerfG 7.11.06, 1 BvL 10/02, BStBl II 07, 192
Im Verfahren muss entscheiden werden,
ob die auf Steuerentstehungszeitpunkte im Jahr 2009 beschränkte Gleichstellung von Personen in den Steuerklassen II und III verfassungsgemäß ist und
ob die Begünstigungsvorschriften der §§ 13a und 13b ErbStG in der auf den 1.1.2009 zurückwirkenden Fassung des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes deshalb gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstoßen, weil sie es ermöglichen, durch bloße Wahl bestimmter Gestaltungen die Steuerfreiheit des Erwerbs von Vermögen gleich welcher Art und unabhängig von dessen Zusammensetzung und Bedeutung für das Gemeinwohl zu erreichen.
Bedenken bestehen laut BFH im Hinblick auf die Anforderungen des allgemeinen Gleichheitssatzes an die Ausrichtung der Steuerlast an der finanziellen Leistungsfähigkeit und der Folgerichtigkeit, die Gewährung von Steuerentlastungen nur bei Vorliegen entsprechend gewichtiger Gründe des Gemeinwohls, der vollständigen Verschonung bestimmter Gegenstände von der Besteuerung nur im Ausnahmefall sowie die Ausgestaltung von Vergünstigungstatbeständen. Das betrifft insbesondere § 13b ErbStG, der ausdrücklich auch den Erwerb eines Anteils an einer Gesellschaft in die Vergünstigungen einbezieht.
Der BFH weist darauf hin, dass das BVerfG im Rahmen seiner Entscheidung zur Rechtslage bis 2008 die Möglichkeit von Gewerbetreibenden, gewillkürtes Betriebsvermögen in weitem Umfang zu bilden, aus verfassungsrechtlicher Sicht kritisch gewürdigt hatte. Sie können so gezielt auf eine geringere Bemessungsgrundlage der Steuer einwirken. Diese verfassungsrechtliche Problematik besteht im neuen Recht nicht nur fort, sondern hat sich sogar noch verschärft. Die Steuervergünstigungen nach den §§ 13a und 13b ErbStG knüpfen weiterhin an das ertragsteuerrechtliche Betriebsvermögen an. Hierbei lässt sich jetzt durch weitere Gestaltungen die Höhe der Steuerbelastung noch mehr vermindern, indem die Optionen deutlich erweitert worden sind. Während bis 2008 das nach Abzug des Freibetrags von 225.000 EUR verbleibende begünstigte Betriebsver-mögen mit 65 % anzusetzen war, beträgt bereits der Verschonungsab-schlag nunmehr entweder 85 % oder sogar 100% des begünstigten Betriebsvermögens.
Vor diesem Hintergrund bittet der BFH das BMF um Mitteilung, ob und gegebenenfalls welche praktischen Erfahrungen es zu den aufgezeigten Gestaltungsmöglichkeiten bisher schon gibt. Sollte die Prüfung der beiden angesprochenen Verfassungsfragen einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 oder Art. 6 Abs. 1 GG ergeben, müsste der Senat das Verfahren aussetzen und eine Entscheidung des BVerfG einholen.
Praxishinweis: Betroffene Erwerber sollten ihre Fälle über einen ru-henden Einspruch offenhalten. Das betrifft insbesondere Geschwister, Neffen und Nichten mit Erbschaft oder Schenkung in 2009 sowie Eltern bei einer Schenkung. Die Verbesserung bei den Steuersätzen wurde über das Wachstumsbeschleunigungsgesetz erst 2010 eingeführt, während andere Regelungen – wie etwa die Gleichstellung von Lebenspartnern mit Ehegatten – rückwirkend gilt.
Zudem ist bereits eine Verfassungsbeschwerde gegen eine mögliche Doppel¬besteuerung anhängig, die damit begründet wird, dass bis zum Tod aufgelaufene Zinsen als Erwerb und anschließend als Kapitalein-nahme erfasst werden. Diesbezüglich sind Rechtsbehelfe anzuraten.