Die für steuerpflichtige Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken bestehende Voraussetzung einer willentlichen wirtschaftlichen Betätigung wird im Falle der Zwangsversteigerung durch die Abgabe eines Meistgebots erfüllt. Die Abgabe eines Meistgebots ist im Falle der Zwangsversteigerung auch für die Berechnung der Veräußerungsfrist von zehn Jahren maßgebend.
Unter den Begriff der Anschaffung und Veräußerung fallen nach ständiger Rechtsprechung nicht nur Kaufverträge, sondern auch wirtschaftlich gleichzustellende Vorgänge, da nach Sinn und Zweck des § 23 EStG realisierte Wertänderungen eines bestimmten Wirtschaftsgutes im Privatvermögen des Steuerpflichtigen der Einkommensteuer unterworfen werden sollen, soweit sie auf der entgeltlichen „Anschaffung“ und der entgeltlichen „Veräußerung“ des nämlichen Wirtschaftsgutes innerhalb der maßgeblichen Haltefrist beruhen.
Bedingt durch den Wortlaut der Regelung des § 23 EStG, die im Einleitungssatz ein „Veräußerungsgeschäft“ fordert, ist erforderlich, dass der entgeltliche Erwerb und die entgeltliche Übertragung des nämlichen Wirtschaftsgutes auf eine andere Person wesentlich vom Willen des Steuerpflichtigen abhängen und mithin Ausdruck einer „wirtschaftlichen Betätigung“ sind.
An einem willentlichen Erwerb bzw. einer willentlichen Übertragung auf eine andere Person fehlt es, wenn die Begründung oder der Verlust des Eigentums an dem Grundstück ohne maßgeblichen Einfluss des Steuerpflichtigen stattfindet. Daher liegt in Fällen einer Enteignung kein Veräußerungsvorgang i. S. d. § 23 EStG vor. Von der Enteignung sind jedoch die Fälle einer Veräußerung unter Zwang zu unterscheiden, weil es für die Annahme eines privaten Veräußerungsgeschäftes nicht darauf ankommt, aus welchem Beweggrund die Veräußerung erfolgt.
Die Voraussetzung einer willentlichen wirtschaftlichen Betätigung ist im Falle der Abgabe eines Meistgebots bei der Zwangsversteigerung eines Grundstücks sowohl bei der Anschaffung durch Ersteigerung als auch bei der Wiederversteigerung erfüllt. Denn die Abgabe des Meistgebots im Zwangsversteigerungsverfahren entspricht in ihrer Wirkung dem Abschluss eines schuldrechtlichen Kaufvertrags zwischen Eigentümer und Meistbietenden. Der Meistbietende erwirbt mit der Abgabe des Meistgebots nach §§ 81 Abs. 1, 90 Abs. 1 ZVG den Anspruch, dass ihm das Eigentum an dem versteigerten Grundstück durch Zuschlagbeschluss des Versteigerungsgerichts übertragen wird.
Fazit | Der Eigentumsverlust im Wege einer Zwangsversteigerung entspricht nicht einem Eigentumsverlust im Wege einer Enteignung. Es dürfte sich im Falle einer Zwangsversteigerung zwar regelmäßig um einen Eigentumsverlust unter Zwang handeln. Dies rechtfertigt im Vergleich mit einem Eigentumsverlust durch eine Enteignung jedoch nicht den Schluss auf das Fehlen einer willentlich wirtschaftlichen Betätigung.
Für die Berechnung der Veräußerungsfristen ist das obligatorische Anschaffungsgeschäft und nicht der dingliche Vollzug maßgebend. Übertragen auf die Vorgänge im Rahmen einer Zwangsversteigerung ist der für die Fristberechnung maßgebliche „obligatorische“ Vorgang bereits mit der Abgabe des Meistgebots erfüllt. Der dem Meistgebot nachfolgende Zuschlag bewirkt mithin die Entstehung des Eigentums beim Meistbietenden. Der Zuschlag ist aufgrund dessen der „dingliche“ Akt der Eigentumsübertragung.
Fundstelle
FG Düsseldorf 28.4.21, 2 K 2220/20 E