Kommt der Unternehmer seinen Nachweispflichten gemäß § 6a Abs. 3 UStG, §§ 17a, „17c UStDV nicht nach, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung nicht erfüllt sind.
Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind.
BFH 22.7.15, V R 23/14
Sachverhalt
Ein deutscher Kfz-Händler (D) verkaufte in den Streitjahren 2007 und 2008 Fahrzeuge steuerfrei innergemeinschaftlich an einen spanischen Autohändler (ES). In den Verbringenserklärungen bestätigte ES, das „… Fahrzeug wird am … von mir in das Zielland Spanien verbracht“.
FA und FG hielten die Verbringenserklärungen für nicht ausreichend, weil der Bestimmungsort nicht genannt sei und nicht ohne Weiteres mit der Unternehmensanschrift des ES gleichgesetzt werden könne.
Zwar könne sich die erforderliche Angabe des Bestimmungsorts im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände auch aus der Rechnungsanschrift des Abnehmers ergeben. Dies gelte jedoch im Grundsatz nur, wenn davon auszugehen sei, dass der Gegenstand der Lieferung auch zum Unternehmenssitz des Abnehmers versendet oder befördert werde.
An welchen Ort die streitgegenständlichen Fahrzeuge tatsächlich verbracht worden seien, sei im Streitfall jedoch völlig unklar. Daher stehe auch nicht objektiv zweifelsfrei fest, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt seien.
Entscheidung
Der BFH teilte die Auffassungen von Vorinstanz und FA. Der Unternehmer hat die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG unter Berücksichtigung der von den Mitgliedstaaten festgelegten Bedingungen (Art. 131 MwStSystRL) nachzuweisen.
Dazu gehörte in den Streitjahren u.a. ein handelsüblicher Beleg, aus dem sich der Bestimmungsort ergibt (§ 17a Abs. 2 Nr. 2, § 17c Abs. 2 Nr. 9 UStDV).
Dieser Belegnachweis wurde nicht erbracht. Zwar kann sich die erforderliche Angabe des Bestimmungsorts unter Berücksichtigung aller Umstände im Einzelfall aus der Rechnungsanschrift des Abnehmers ergeben. Das gilt jedoch nur dann, wenn davon auszugehen ist, dass der Gegenstand der Lieferung auch zum Unternehmenssitz des Abnehmers versendet oder befördert wird. Das ist hier nicht der Fall. Der Verbleib der streitgegenständlichen Fahrzeuge ist vielmehr „völlig unklar“ (Rz. 42 des Besprechungsurteils).
Praxishinweis
Der BFH ist insoweit an die Feststellungen des FG gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO). Hinweise zur Aufklärung des Sachverhalts müssen damit spätestens im FG-Verfahren vorgetragen werden.
Die betreffenden Lieferungen sind auch nicht nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG steuerfrei. Die Frage des Gutglaubensschutzes stellt sich nämlich erst dann, wenn der Unternehmer seinen Nachweispflichten nachgekommen ist. Maßgeblich ist hierfür:
die formelle Vollständigkeit,
nicht aber die inhaltliche Richtigkeit
der Beleg- und Buchangaben. Denn § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG schützt das Vertrauen in unrichtige – nicht in vollständige – Abnehmerangaben. Im Streitfall fehlt es aber an einem belegmäßigen Nachweis des Bestimmungsorts, weil dieser nicht ohne Weiteres mit der Unternehmensanschrift des ES gleichgesetzt werden kann.
Anmerkung
Kommt der Unternehmer – wie im Urteilsfall – seinen Nachweispflichten (gemäß § 6a Abs. 3 UStG, §§ 17a, „17c UStDV) nicht nach, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung nicht erfüllt sind. Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind.
Praxishinweis
Das Urteil ist zwar zur „alten“ Verbringenserklärung ergangen, dürfte aber auf die „neue“ Gelangensbestätigung entsprechend anwendbar sein (vgl. „§§ 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c, § 17c Abs. 1 Satz 2 Nr. 9 UStDV).