Gutschriften aus Schneeballsystemen führen zu Einnahmen aus Kapitalvermögen, wenn der Betreiber des Schneeballsystems bei entsprechendem Verlangen des Anlegers zur Auszahlung der gutgeschriebenen Beträge leistungsbereit und leistungsfähig gewesen wäre.
Der BFH hat erneut seine bisherige Rechtsprechung bestätigt, wonach auch Gutschriften über wieder angelegte Renditen in Schneeballsystemen zu Einnahmen aus Kapitalvermögen i.S. von § 20 EStG führen können.
BFH 11.2.14, VIII R 25/12
Voraussetzungen
Voraussetzung hierfür ist der Zufluss im Sinne von § 11 EStG, der erfolgt, wenn der Steuerpflichtige über die Beträge wirtschaftlich verfügen kann. Eine Gutschrift in den Büchern des Verpflichteten kann einen Zufluss bewirken, ebenso die Vereinbarung zwischen Schuldner und Gläubiger, dass ein Betrag fortan aus einem anderen Rechtsgrund geschuldet sein soll (sog. Novation).
In einer derartigen Vereinbarung kann eine Verfügung des Gläubigers über die bisherige Forderung vorliegen, die einkommensteuerrechtlich so zu werten ist, als ob der Schuldner die Altschuld durch tatsächliche Zahlung beglichen (= Zufluss beim Gläubiger) und der Gläubiger den vereinnahmten Betrag infolge des neu geschaffenen Verpflichtungsgrundes dem Schuldner sofort wieder zur Verfügung gestellt hätte (= Wiederabfluss des Geldbetrages beim Gläubiger).
Grundvoraussetzung hierfür ist jedoch, dass der Gläubiger (der Anleger) im Zeitpunkt der Novation oder der Gutschrift in den Büchern des Betreibers des Schneeballsystems tatsächlich in der Lage gewesen ist, die Auszahlung ohne weiteres Zutun des leistungsbereiten und leistungsfähigen Schuldners herbeizuführen.
Dabei kommt es entscheidend auf die Sicht des Leistungsempfängers (Kapitalanlegers) in dem Zeitpunkt an, in dem er aus seiner Sicht die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die Einnahme erstmals erlangt.
Praxishinweis
Die Entscheidung des BFH zeigt einmal mehr, welche Risiken die Beteiligung an derartigen Systemen bergen, indem der Fiskus von einem fiktiven Zufluss steuerpflichtiger Erträge ausgeht, die der Steuerpflichtige tatsächlich überhaupt nicht erhalten hat!
Die Besteuerung kann nur dann vermieden werden, wenn der Nachweis gelingt, dass der Schuldner im maßgeblichen Zuflusszeitpunkt zahlungsunfähig oder zahlungsunwillig war. Dabei gelten folgende Grundsätze:
Von der Wertlosigkeit des Anspruchs auf Rückzahlung der Anlagesumme ist im Regelfall nicht auszugehen, solange ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Betreibers des Schneeballsystems noch nicht gestellt wurde.
Von einem nicht mehr leistungsbereiten und leistungsfähigen Betreiber des Schneeballsystems kann erst ausgegangen werden, wenn dieser auf einen Auszahlungswunsch des Anlegers hin eine sofortige Auszahlung ablehnt und stattdessen über anderweitige Zahlungsmodalitäten verhandelt. Allerdings steht einer solchen Verweigerung oder Verschleppung der Auszahlung nicht gleich, wenn der Betreiber des Schneeballsystems den Anlegern die Wiederanlage nahelegt, um den Zusammenbruch des Schneeballsystems zu verhindern, die vom Anleger angeforderten Teilbeträge jedoch auszahlt.