Hat ein Arbeitgeber einem Mitarbeiter zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn Gutscheine oder Geldkarten im Wert von bis 44 EUR je Monat ausgehändigt, bleibt diese Arbeitgeberleistung seit 1.1.2020 nur steuerfrei, wenn die Geldkarte oder der Gutschein die Kriterien des § 2 Abs. 1 Nr. 10 Zahlungsdienstaufsichtsgesetz (ZAG) erfüllt. Ohne die Voraussetzungen des ZAG mussten Arbeitgeber die Leistung als Geldleistung einstufen und lohnversteuern. Aufgrund einer Übergangsregelung besteht hier jedoch Handlungsbedarf.
Übergangsregelung bis Ende 2021 beachten
In einem aktuellen Schreiben des Finanzministeriums wird ausgeführt, dass die Voraussetzungen zu § 2 Abs. 1 Nr. 10 Zahlungsdienstaufsichtsgesetz erstmals ab 1.1.2022 zwingend vorliegen müssen (BMF 13.4.21, IV C 5 – S 2334/19/10007 :002; Rz. 3). Das bedeutet im Klartext: Selbst wenn die Voraussetzungen des ZAG nicht vorliegen, können Arbeitgeberleistungen in Form von Gutscheinen und Geldkarten vom 1.1.2020 bis Ende 2021 als steuerfreier Sachlohn eingestuft werden.
Praxistipp | Hat bereits eine Lohnversteuerung stattgefunden, ist diese zu Unrecht erfolgt. Auf Bund-Länder-Ebene wurde nun beleuchtet, welche Änderungsmöglichkeiten Arbeitnehmer und Arbeitgeber hier in der Praxis haben.
Mögliche Änderung von Lohnsteueranmeldungen 2020/2021
Kalenderjahr 2020: Hat ein Arbeitgeber Lohnsteuer für die Gewährung von Gutscheinen und Geldkarten einbehalten und abgeführt, nur weil die Voraussetzungen der ZAG nicht erfüllt waren, erfolgte der Einbehalt und die Abführung aufgrund der Übergangsregelung zu Unrecht. Eine Änderung der Lohnsteueranmeldungen für 2020 ist trotz des Vorbehalts der Nachprüfung nach § 164 Abs. 2 Satz 1 AO nicht mehr zulässig, weil bereits die Lohnsteuer-Bescheinigungen für 2020 erstellt wurden (§ 41c Abs. 3 EStG).
Kalenderjahr 2021: Bei zu Unrecht erfolgter Lohnversteuerung von Sachlohn in den Lohnsteueranmeldungen 2021 ist bis zur Ausstellung der Lohnsteuerbescheinigungen eine Änderung der Anmeldungen (= Reduzierung des steuerpflichtigen Arbeitslohns) nach § 164 Abs. 2 Satz 1 AO zulässig.
Änderungen beim Arbeitnehmer im Jahr 2020
Noch keine Einkommensteuerveranlagung 2020: Hat ein Arbeitnehmer für 2020 noch keine Steuererklärung 2020 beim Finanzamt eingereicht, kann er eine Erklärung 2020 einreichen und beantragen, dass der Arbeitslohn 2020 um die zu Unrecht erfassten Sachbezüge reduziert wird. Dazu benötigt der Arbeitnehmer eine Bescheinigung seines Arbeitgebers über die Höhe der zu Unrecht versteuerten Sachbezüge und über die Höhe der einbehaltenen Steuer.
Einkommensteuerveranlagung 2020 bereits erfolgt: Ist für 2020 bereits ein bestandskräftiger Steuerbescheid vorhanden, sollte der Arbeitnehmer mit Hinweis auf die Übergangsregelung im BMF-Schreiben vom 13.4.2021 die Reduzierung des Arbeitslohns 2020 um den zu Unrecht versteuerten Sachbezug beantragen. Da es sich bei der Übergangsregelung um eine Billigkeitsmaßnahme handelt, sollte der Änderungsantrag auf Billigkeitsgründe gestützt werden (gem. § 163 Abs. 1 AO i. V. m. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO). Auch diesem Antrag sollte eine Bescheinigung des Arbeitgebers über die zu Unrecht erfolgte Besteuerung und über die Höhe der zu Unrecht abgeführten Lohnsteuer beigefügt werden.
Erfolgte Nachversteuerung nach einer Lohnsteuerprüfung
Hat das Finanzamt im Rahmen einer Lohnsteuerprüfung für 2020 bzw. 2021 die bislang vom Arbeitgeber behandelten Sachbezüge wegen der fehlenden Voraussetzungen nach dem Zahlungsdienstaufsichtsgesetz als steuerpflichtigen Arbeitslohn eingestuft und Lohnsteuer nachgefordert, gilt Folgendes:
Individuelle Nachversteuerung: Wird die Lohnsteuer im Haftungsbescheid individuell berechnet, kann der Arbeitgeber mit Hinweis auf die neue Übergangsregelung bis Ende 2021 Einspruch gegen den Haftungsbescheid einlegen. Ist die Einspruchsfrist gegen den Haftungsbescheid bereits abgelaufen, kann die zu Unrecht erfolgte Besteuerung nur noch im Veranlagungsverfahren des Arbeitnehmers rückgängig gemacht werden.
Pauschale Nachversteuerung nach § 40 Abs. 1 Nr. 2 EStG: Auch in diesem Fall kann die Nachversteuerung mit einem Einspruch gegen den Haftungsbescheid rückgängig gemacht werden. Eine Reduzierung des Arbeitslohns um den zu Unrecht versteuerten Sachbezug im Veranlagungsverfahren des Arbeitnehmers scheidet bei einer Pauschalversteuerung nach § 40 Abs. 1 Nr. 2 EStG aus.
Praxistipp | In diesem Fall sollte der Arbeitgeber nach Ablauf der Einspruchsfrist versuchen, eine Änderung des Lohnsteuer-Nachforderungsbescheids aus Billigkeitsgründen nach § 163 Abs. 1 AO i. V. m. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO herbeizuführen.