Der BFH hat mit zwei Entscheidungen seine bisherige Rechtsprechung zur Rücknahme des Verzichts auf eine Umsatzsteuerbefreiung (§ 9 UStG) klargestellt.
Hiernach kann der Verzicht – entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung – zurückgenommen werden, solange die Steuerfestsetzung für das Jahr der Leistungserbringung anfechtbar oder aufgrund eines Vorbehalts der Nachprüfung gemäß § 164 AO noch änderbar ist.
BFH 19.12.13, V R 6/12, BFH 19.12.13, V R 7/12
Hintergrund
Nach allgemeiner Ansicht kann der Verzicht auf die Steuerbefreiung wieder rückgängig gemacht werden. Umstritten war bisher jedoch, ob dies nur bis zum Zeitpunkt der formellen Unanfechtbarkeit der Umsatzsteuerfestsetzung des Jahres der Leistungserbringung oder darüber hinaus noch möglich ist, solange die entsprechende Steuerfestsetzung nach § 164 AO änderbar ist (materielle Bestandskraft).
Ausführungen des BFH
Soweit die bisherige Rechtsprechung dahin verstanden werden konnte, dass die Rücknahme des Verzichts nur bis zur formellen Bestandskraft der Umsatzsteuerfestsetzung des Leistenden zulässig ist, hält der Senat daran nicht fest (Klarstellung der Rechtsprechung).
Die Begrenzung des Verzichts oder seiner Rücknahme auf die formelle Bestandskraft sorgt zwar für Rechtssicherheit und frühzeitig klare Verhältnisse, begrenzt den Steuerpflichtigen aber unverhältnismäßig in der Ausübung seines Wahlrechts.
Eine derartig enge Eingrenzung ist grundsätzlich nur dann zulässig, wenn sie im Gesetz vorgesehen ist. In solchen Fällen muss im Regelfall bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung und damit innerhalb der formellen Bestandskraft widerrufen werden.
§ 9 UStG enthält keine derartige Regelung und der Normzweck erfordert eine solche Einschränkung auch nicht. Daher ist der Unternehmer berechtigt, den Verzicht auf die Steuerbefreiung nach § 9 UStG und dessen Rücknahme solange geltend zu machen, wie die Steuerfestsetzung für das Jahr der Leistungserbringung anfechtbar oder aufgrund eines Vorbehalts der Nachprüfung gemäß § 164 AO noch änderbar ist.
Anmerkungen
Mit dieser Rechtsprechung weicht der V. Senat – nach seiner eigenen Einschätzung – nicht von der Rechtsprechung des XI. Senats des BFH ab.
Dieser sei zwar in einem Urteil aus dem Jahre 2008 davon ausgegangen, dass „eine Bindungswirkung an die Option zur Steuerpflicht ab dem Eintritt der formellen Bestandskraft der jeweiligen Steuerfestsetzung“ bestehe.
Diese Aussage sei für den vorliegenden Fall jedoch unerheblich, da es in dem vom XI. Senat entschiedenen Streitfall um die Frage eines rückwirkenden Wechsels von der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten (§ 20 UStG) und damit um einen anderen Sachverhalt ging.
Soweit die Finanzverwaltung aus diesem Urteil folgert, dass sowohl die Erklärung zur Option nach § 9 UStG als auch ihr Widerruf nur bis zur formellen Bestandskraft der jeweiligen Jahressteuerfestsetzung zulässig sind folgt der V. Senat des BFH dieser Auffassung nicht.