Die Festsetzungsfrist aufgrund einer Steuerhinterziehung verlängert sich bei einem Erbfall auch dann, wenn der demenzerkrankte Erblasser ausländische Kapitaleinkünfte nicht erklärt, jedoch ein Miterbe von der Verkürzung der Einkommensteuer wusste und selbst eine Steuerhinterziehung begeht.
Die Verlängerung der Festsetzungsfrist auf zehn Jahre wirkt dabei auch zulasten des Miterben, der von der Steuerhinterziehung keine Kenntnis hat.
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Sachverhalt
Die Steuerpflichtige war gemeinsam mit ihrer Schwester Erbin ihrer verstorbenen Mutter. Die Mutter hatte in den Jahren 1993 bis 1999 Kapitaleinkünfte im Ausland erzielt, die sie nicht in ihren Einkommensteuererklärungen angegeben hatte. Seit 1995 war sie aufgrund einer Demenzerkrankung nicht mehr in der Lage, wirksame Einkommensteuererklärungen abzugeben.
Die Steuererklärungen der Mutter waren unter Beteiligung der Schwester erstellt worden. Dieser war spätestens ab Eintritt des Erbfalls bekannt, dass die Mutter ihre Kapitaleinkünfte in den Einkommensteuererklärungen zu niedrig angegeben hatte.
Das FA erließ gegenüber der Steuerpflichtigen als Gesamtrechtsnachfolgerin geänderte Einkommensteuerbescheide, in denen es die Steuer für die nicht erklärten Zinsen nachforderte.
Hiergegen legte die Steuerpflichtige Einspruch und Klage ein, weil – so ihre Auffassung – „eine mögliche Steuerhinterziehung eines Gesamtrechtsnachfolgers“ nicht einem anderen Gesamtrechtsnachfolger – also der klagenden Steuerpflichtigen – zugerechnet werden könne.
Entscheidung
Der BFH hat die Revision, soweit diese zulässig war, als unbegründet zurückgewiesen.
Zunächst stellt er klar, dass die Erben als Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers gemäß § 1922 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) auch dessen Steuerschulden „erben“. Gemäß § 1967 BGB haften die Erben für die Nachlassverbindlichkeiten. Dies gilt gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 AO auch für die Steuerschulden.
Für die Haftung kommt es
- nicht auf die Kenntnis von der objektiven Steuerverkürzung des Erblassers an,
- sondern nur auf die Höhe der entstandenen Steuerschuld.
Mehrere Erben haften als Gesamtschuldner. Dies bedeutet, dass das FA im Rahmen seines pflichtgemäßen Ermessens jeden Erben für die gesamte Steuerschuld des Erblassers in Anspruch nehmen kann.
War der Erblasser zum Zeitpunkt der Abgabe der Steuererklärung aufgrund einer Demenzerkrankung geschäftsunfähig im Sinne des § 104 Nr. 2 BGB, ist seine Steuererklärung zwar unwirksam.
Dies hat auf die Höhe der gesetzlich entstandenen Steuer jedoch keine Auswirkung.
Erfährt ein Erbe vor oder nach dem Erbfall, dass die Steuern des Erblassers zu niedrig festgesetzt wurden, ist er auch in diesem Fall nach § 153 Abs. 1 Satz 2 AO verpflichtet, die (unwirksame) Einkommensteuererklärung des Erblassers zu berichtigen. Unterlässt er dies, begeht er eine Steuerhinterziehung.
Praxishinweis
Die Steuerhinterziehung führt dazu, dass sich bei allen Miterben die Festsetzungsfrist für die verkürzte Steuer auf zehn Jahre verlängert.
Wie der BFH hervorhebt, trifft dies auch den (anderen) Miterben, der weder selbst eine Steuerhinterziehung begangen hat noch von dieser wusste.
Fundstelle
BFH 29.8.17, VIII R 32/15