In für VERMIETER, Steuer-Tipps für ALLE

In einem spannenden Revisionsverfahren muss sich der BFH aktuell mit der Frage befassen, ob an Mieter gezahlte Abfindungen für die vorzeitige Räumung von Wohnungen zum Zwecke der Durchführung von umfangreichen Renovierungsmaßnahmen den Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen i. S. v. § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG zuzuordnen sind. In diesem Fall würden die Abstandszahlungen unter den weiteren Voraussetzungen anschaffungsnahe Herstellungskosten darstellen, die dann im Wege der AfA ihre steuerliche Berücksichtigung erfahren. Das FG Münster hat mit Urteil vom 12.11.2021 (4 K 1941/20 F) zulasten des Steuerzahlers entschieden. Jetzt ist der BFH am Zug (Rev. IX R 29/21).

Bedeutung der Frage

Aufwendungen, die durch die Absicht veranlasst sind, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen (§ 21 Abs. 1 EStG), sind nicht als Werbungskosten abzugsfähig (§ 9 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 11 Abs. 2 EStG), wenn es sich um Anschaffungs- oder Herstellungskosten handelt. In diesem Fall können sie nur im Rahmen der Abschreibung für Abnutzung berücksichtigt werden (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 EStG).

Problem: Beim FG Münster war die Frage streitig, ob gezahlte Mieterabfindungen als sofort abzugsfähige Werbungskosten oder lediglich als anschaffungsnahe Herstellungskosten im Wege der Abschreibung für Abnutzung (AfA) über die Laufzeit steuerlich zu berücksichtigen sind.

Um diese Frage rechtlich beurteilen zu können, sind insbesondere die rechtlichen Grundlagen von anschaffungsnahen Herstellungskosten immens wichtig. Ohne den Blick auf die Grundlagen lassen sich derartige Konstellationen und Sachverhalte kaum beantworten und nachvollziehen.

Anschaffungsnahe Herstellungskosten

Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG gehören Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die innerhalb von drei Jahren nach der Anschaffung des Gebäudes durchgeführt werden, zu den (anschaffungsnahen) Herstellungskosten, wenn die Aufwendungen ohne Umsatzsteuer 15 % der Anschaffungskosten des Gebäudes übersteigen. Die Folge ist dann lediglich die Berücksichtigung über die entsprechende Gebäudeabschreibung.

Praxistipp

Der Fristbeginn des dreijährigen Zeitraums beginnt ab Übergang des wirtschaftlichen Eigentums i.  S.  d. § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO, also mit Übergang von Besitz, Nutzen und Lasten.

Beachten Sie | Die Vorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG gilt für die Bewertung von Wirtschaftsgütern, die nach § 4 Abs. 1 EStG oder § 5 EStG als Betriebsvermögen anzusetzen sind, d. h. bei buchführungspflichtigen Unternehmern. Über den Verweis in § 6 Abs. 7 Nr. 2 EStG gilt die Vorschrift jedoch auch für Unternehmer, die ihren Gewinn nach der sog. Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermitteln. Nach § 9 Abs. 5 Satz 2 EStG ist § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG letztlich auch bei den Werbungskosten im Bereich der Überschusseinkünfte anzuwenden.

Instandsetzungs- und Modernisierungsaufwendungen

Als Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen sind bauliche Maßnahmen zu verstehen, durch die Mängel oder Schäden an vorhandenen Einrichtungen eines bestehenden Gebäudes oder am Gebäude selbst beseitigt werden oder das Gebäude durch Erneuerung in einen zeitgemäßen Zustand versetzt wird. Zu den Aufwendungen i. S. v. § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG gehören daher sämtliche Aufwendungen für bauliche Maßnahmen, die im Rahmen einer im Zusammenhang mit der Anschaffung des Gebäudes vorgenommenen Instandsetzung und Modernisierung anfallen. Zu den Aufwendungen in diesem Sinne zählen insbesondere Aufwendungen für

* die Instandsetzung oder Erneuerung vorhandener Sanitär-, Elektro- und Heizungsanlagen,
* der Fußbodenbeläge,
* der Fenster und
* der Dacheindeckung sowie
* sog. Schönheitsreparaturen,

die – ohne die Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG – vom Grundsatz her als sofort abziehbare Erhaltungsaufwendungen zu beurteilen wären.

Nicht zu den Aufwendungen i. S. d. § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG gehören nach dem Wortlaut des § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 2 EStG ausdrücklich nur Aufwendungen für Erweiterungen i. S. v. § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB sowie Aufwendungen für Erhaltungsarbeiten, die jährlich üblicherweise anfallen (vgl. hierzu u. a. BFH 9.5.17, BStBl II 18, 9; 14.6.16, BStBl II 16, 992).

Praxistipp

Unter Schönheitsreparaturen ist beispielsweise das Tapezieren, Anstreichen oder Kalken der Wände und Decken, das Streichen der Fußböden, Heizkörper, der Innentüren und Außentüren sowie der Fenster zu verstehen.

Sinn und Zweck

Es soll keinen Unterschied machen, ob der Verkäufer die Umbaumaßnahmen selbst durchführt und neben den Renovierungskosten die dafür ggf. anfallenden Mieterabfindungen über einen entsprechend höheren Kaufpreis auf den Käufer umlegt oder der Käufer diese Aufwendungen nach erfolgtem Erwerb selbst trägt.

Der Gesetzgeber verfolgt zudem mit der Einführung der Regelung den Zweck, aus Gründen der Rechtsvereinfachung und -sicherheit eine typisierende Regelung zu schaffen (vgl. hierzu BT-Drs. 15/1562 vom 23.9.03, S. 25, 32).

Sachverhalt des Streitfalls: Abstandszahlungen an Mieter

Es ging um eine GbR, deren Gesellschaftszweck in der Vermietung von Grundstücken besteht. Mit Vertrag vom 30.3.2016 erwarb die GbR eine Immobilie für einen Kaufpreis von 1.200.000 EUR. Im Zeitraum 2016 bis 2018 renovierte die GbR das Objekt für insgesamt rund 615.000 EUR. Sowohl vor Durchführung der Renovierung als auch im Anschluss daran nutzte die GbR die Immobilie ausschließlich zur Vermietung für Wohnzwecke. Um die vorherigen Mieter zur vorzeitigen Räumung ihrer Wohnungen zu bewegen und die entsprechenden Renovierungsarbeiten durchführen zu können, zahlte die GbR im Jahr 2017 an die früheren Mieter insgesamt einen Betrag i. H. v. 35.000 EUR. Ohne diese Entmietung wäre die Renovierung umständlicher, aber technisch möglich gewesen. Die entsprechenden Aufwendungen machte die GbR in ihrer Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für das Jahr 2017 als sofort abzugsfähige Werbungskosten geltend.

Frage: Sind die Abstandszahlungen an die bisherigen Mieter i. H. v. 35.000 EUR sofort als Werbungskosten abzugsfähig?

Entscheidung des FG Münster

Bei den an dem Gebäude durchgeführten Renovierungsmaßnahmen handelt es sich um Instandsetzungs- und Modernisierungsaufwendungen i.  S.  d. § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG, da das Gebäude durch die baulichen Maßnahmen zumindest in einen zeitgemäßen Zustand versetzt wurde. Die Renovierungen fielen im Zeitraum 2016 bis 2018 und somit innerhalb der Drei-Jahres-Frist an. Zudem lagen bereits die für die Jahre 2016 und 2017 erklärten Renovierungskosten i. H. v. 254.081 EUR netto bei den zugrunde gelegten Anschaffungskosten i. H. v. 836.818 EUR über der 15 %-Grenze.

Auch Abstandszahlungen zählen zu den anschaffungsnahen Herstellungskosten
Das FG Münster hat mit Urteil vom 12.11.2021 (4 K 1941/20 F) entschieden, dass auch Abstandszahlungen insoweit zu den anschaffungsnahen Herstellungskosten i. S. d. § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG gehören.

Praxistipp

Der BFH hatte bereits entschieden, dass zu den Herstellungskosten eines neu zu errichtenden Gebäudes auch Abfindungs- bzw. Abstandszahlungen an Mieter zur vorzeitigen Räumung zählen, soweit mit diesen Zahlungen das Ziel einer Neubebauung verfolgt wird (vgl. hierzu u. a. BFH 9.2.83, BStBl II 83, 451; 1.10.75, BStBl II 76, 184).

Entscheidend sei der jeweilige Veranlassungszusammenhang der Kosten. Soweit also Kosten aufgewendet werden, um eine Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahme i.  S.  v. § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG zuerst durchzuführen, sind diese den anschaffungsnahen Herstellungskosten zuzuordnen, so das FG Münster.

Stehen solche Kosten hingegen im Zusammenhang mit sonstigen, sofort abziehbaren Erhaltungs- oder Reparaturaufwendungen oder Erhaltungsaufwendungen, die jährlich üblicherweise anfallen und die damit nicht zu den anschaffungsnahen Herstellungskosten zählen, stellen sofort abziehbare Werbungskosten dar. Entsprechendes gilt, wenn Aufwendungen als „sonstige Werbungskosten“ in jedem Fall (zwingend) anfallen und nur beiläufig (bei Gelegenheit) im Zusammenhang mit einer Instandsetzungs- oder Modernisierungsmaßnahme stehen, nicht aber durch die jeweilige Baumaßnahme veranlasst sind (etwa Kosten zur Ermittlung oder Beseitigung der Kontaminierung eines Grundstücks).

Daher geht das FG davon aus, dass bei Mieterabfindungen der Zweck ihrer Veranlassung entscheidend ist. Sofern die Abfindungen geleistet werden, um ohne Rücksichtnahme auf die bisherigen Mieter Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen vornehmen zu können, die ihrerseits als anschaffungsnahe Herstellungskosten zu qualifizieren sind, hängen die Abfindungen unmittelbar mit diesen Aufwendungen zusammen.

Auch bei der Qualifikation von Kosten als Herstellungskosten i. S. v. § 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG wird es demnach als ausreichend erachtet, dass diese mit den Kosten für die Herstellung, Erweiterung oder über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang stehen.

Erläuterungen

Nach Auffassung des FG Münster sind keine sachlichen Gründe erkennbar, dass im Rahmen von § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG ein anderes, engeres Begriffsverständnis zugrunde zu legen ist. Vielmehr spreche sehr viel dafür, dass der Gesetzgeber den Begriff der Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen weit fassen wollte, um eine im Einzelfall ggf. schwierige Abgrenzung von Erhaltungsaufwendungen zu Herstellungskosten wegen einer wesentlichen Verbesserung des Gebäudes zu vermeiden. Insoweit wird u. a. davon ausgegangen, dass von den Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen i. S. v. § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG auch solche Aufwendungen umfasst sind, die zu einer wesentlichen Verbesserung i. S. v. § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB führen. Ein unterschiedliches Verständnis im Rahmen von § 6 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 1a EStG betreffend Abfindungszahlungen würde hingegen gerade erfordern, dass eine Entscheidung dazu getroffen werden müsste, ob es sich um Herstellungskosten i. S. v. § 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG handelt oder (lediglich) um Instandsetzungs- und Modernisierungsaufwendungen i. S. v. § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG.

Nach Ansicht des FG stehen die an die ehemaligen Mieter geleisteten Abfindungszahlungen zudem auch in engem wirtschaftlichen Zusammenhang mit den Renovierungsmaßnahmen. Die Entmietung erfolgte, um die Baumaßnahmen ohne Einschränkung und Rücksichtnahme auf noch im Haus wohnende Mieter und somit schneller und einfacher durchführen zu können. Hierbei reiche es für die Annahme des entsprechenden Zusammenhangs aus, dass die Entmietung durch die Renovierung veranlasst war und deren Durchführung dienen sollte. Darauf, dass diese keine zwangsläufige Voraussetzung für die Renovierung war, kommt es nicht an, so das FG Münster.

Ausblick

Das FG Münster hat darauf hingewiesen, dass auch die bisherige Rechtsprechung seiner Ansicht nicht entgegenstünde. Zwar zählen nach bisheriger Rechtsprechung Abstandszahlungen in der Regel nicht zu den Anschaffungskosten eines Grundstücks (vgl. BFH 2.3.70, GrS 1/69, BStBl. II 1970, 382). Zur Begründung lehnt sich der Große Senat des BFH an seine frühere Rechtsprechung an, wonach anschaffungsnaher Aufwand nicht als Teil der Anschaffungskosten angesehen werden könne, da der Erwerbsvorgang wirtschaftlich abgeschlossen sei (vgl. BFH 22.8.66, GrS 2/66, BStBl II 66, 672). Dem folgend hat der BFH Abstandszahlungen zum Teil im Jahr ihres Abflusses als sofort abziehbare Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung behandelt. In den Entscheidungen lagen jedoch mangels entsprechender Renovierungsmaßnahmen jeweils keine (anschaffungsnahen) Herstellungskosten vor, sodass sich die Frage, ob ein sofortiger Abzug der Werbungskosten aus diesem Grund ausscheidet, nicht stellte, so das FG.

Revision beim BFH

Letztlich muss nun der BFH im Revisionsverfahren entscheiden. Unter Verweis auf das Aktenzeichen (Rev. IX R 29/21) sollte in gleich gelagerten Fällen Einspruch eingelegt und das Ruhen des Verfahrens beantragt werden.

Tipp für die Beratungspraxis: Mieterabfindungen vor Erwerb bezahlen
Sollten der Kauf einer Immobilie und die Zahlung von Mieterabfindungen erst geplant sein, könnte die Einbeziehung der Mieterabfindungen noch verhindert werden. Und zwar dadurch, dass die Mieterabfindungen vor dem Kauf der Immobilie geleistet werden. Denn § 6 Abs. 1a Satz 1 EStG betrifft nur solche Aufwendungen, die innerhalb von drei Jahren nach dem Kauf einer Immobilie anfallen. Werden Zahlungen vor dem Kauf geleistet, auch wenn das ungewöhnlich ist, darf das ­Finanzamt solche Zahlungen nicht in der 15 %-Bemessungsgrundlage einbeziehen. Diese Überlegung hat der BFH bereits für den Fall bestätigt, dass vor dem Kauf einer Immobilie vom künftigen Käufer bereits Renovierungsarbeiten bezahlt werden (BFH 28.4.20, IX B 121/19).

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FG Münster 12.11.21, 4 K 1941/20 F, Rev. BFH IX R 29/21