Gewinne aus der Veräußerung einer freiberuflichen Praxis sind steuerbegünstigt. Eine Veräußerung in diesem Sinne liegt vor, wenn der Steuerpflichtige die für die Ausübung der selbstständigen Tätigkeit wesentlichen wirtschaftlichen Grundlagen entgeltlich auf einen anderen überträgt.
Zu den wesentlichen wirtschaftlichen und vermögensmäßigen Grundlagen einer freiberuflichen Praxis gehören dabei insbesondere immaterielle Wirtschaftsgüter wie die Beziehungen des Praxisinhabers zu seinen bisherigen Mandanten (Mandantenstamm) und das durch den Praxisnamen bestimmte Wirkungsfeld, das die maßgebliche Basis für die Möglichkeit darstellt, neue Mandate zu erlangen.
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Weitere Voraussetzungen
Außerdem setzt eine tarifbegünstigte Veräußerung voraus, dass der Veräußerer seine freiberufliche Tätigkeit in dem bisherigen örtlichen Wirkungskreis wenigstens für eine gewisse Zeit einstellt.
Wird er entweder als Angestellter oder als freier Mitarbeiter auf Honorarbasis im Auftrag und für Rechnung des Erwerbers tätig, steht dies der Anwendung der Tarifbegünstigung auf den Veräußerungsvorgang allerdings dann nicht entgegen, wenn der Veräußerer die wesentlichen wirtschaftlichen Grundlagen seiner Praxis einschließlich des Mandantenstamms „definitiv“ auf den Erwerber übertragen, ihn also „zivilrechtlich und wirtschaftlich“ in die Lage versetzt hat, die Beziehungen des Veräußerers zu den übertragenen Mandanten bzw. Patienten zu verwerten.
Entscheidung
Die Voraussetzungen für eine Tarifbegünstigung der Praxisveräußerung sind nach Auffassung des FG Köln jedoch dann nicht erfüllt, wenn ein Freiberufler seine Einzelpraxis verkauft, danach zwecks Überleitung auf den Erwerber seine Mandanten als freier Mitarbeiter des Erwerbers weiter betreut und er nach fehlgeschlagener Überleitung 22 Monate nach dem Verkauf seine freiberufliche Tätigkeit in derselben Stadt mit Teilen des ehemaligen Personals wieder aufnimmt und Leistungen wieder gegenüber der früheren Klientel erbringt.
Der Grund für die Notwendigkeit einer zeitlich befristeten Berufseinstellung durch den Veräußerer wurzelt in dem Gedanken der Überleitung des Mandantenvertrauens. Diese Überlegung gilt in besonderem Maße für Freiberuflerpraxen, deren Goodwill – anders als bei gewerblichen Unternehmen – primär auf dem durch Leistung erworbenen Vertrauen der Klienten/Mandanten beruht, also nicht unternehmensbezogen, sondern personengebunden ist.
Die Personengebundenheit des Mandantenvertrauens birgt daher die Gefahr, dass bei einer Tätigkeitsfortsetzung des Veräußerers ohne Einhaltung einer hinreichenden Karenzzeit ein Großteil der auf den Erwerber übertragenen Mandanten/Patienten nicht bei diesem verbleiben, sondern (weiterhin) die Dienste des Veräußerers in Anspruch nehmen.
Hinweis
Das FG hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Findet der unterstellte Vertrauenstransfer auf den Erwerber wegen der persönlichen Weiterbetreuung der Mandanten durch den Veräußerer tatsächlich nicht statt und macht dieser sich danach wieder im selben örtlichen Wirkungsbereich mit eigener Praxis selbstständig, stellt sich höchstrichterlich bislang die noch nicht entschiedene Frage, welche Wartezeit eingehalten werden muss, um die Tarifbegünstigung für die bereits vollzogene Praxisveräußerung nicht (rückwirkend) zu gefährden.
FG Köln 3.12.14, 13 K 2231/12; BFH, VIII R 2/15