Nach allgemeiner Lebenserfahrung spricht vieles dafür, dass betriebliche Fahrzeuge, die auch zur Nutzung für private Zwecke zur Verfügung stehen, tatsächlich auch privat genutzt werden. Allerdings kann dieser Beweis des ersten Anscheins erschüttert werden. Das ist möglich, wenn für Privatfahrten ein weiteres Fahrzeug zur uneingeschränkten Nutzung zur Verfügung steht, das im Status und Gebrauchswert geringe Unterschiede zu dem betrieblichen Pkw aufweist. Das FG Niedersachsen hat sich nunmehr als eines der ersten Gerichte mit der Frage auseinandergesetzt, welche Anforderungen an die Vergleichbarkeit in puncto Status und Gebrauchswert zu stellen sind. |
Sachverhalt
Im Anlagevermögen befand sich ein Pkw der Marke Fiat Doblo Easy 2.0 16V Multijet. Streitig war der Ansatz des Privatanteils für diesen Pkw. Im Streitjahr stand dem alleinigen Kommanditisten der GmbH & Co. KG zudem ein Mercedes Benz C 280 T (Erstzulassung: 29.7.1997; Erwerb 9.6.2004 mit einer Laufleistung von 66.000 km) zur alleinigen Nutzung zur Verfügung.
Grundsatz
Für den Ansatz einer Privatnutzung gilt die Bewertungsregel des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG. Diese Regel kommt jedoch nicht zum Tragen, wenn keine Privatnutzung stattgefunden hat.
Allerdings ist, soweit keine besonderen Umstände hinzutreten, aufgrund der Anscheinsbeweisregel regelmäßig davon auszugehen, dass eine private Nutzung stattgefunden hat.
Der Beweis des ersten Anscheins kann durch den sog. Gegenbeweis entkräftet oder erschüttert werden. Hierzu ist aber kein Vollbeweis des Gegenteils erforderlich. Der Steuerpflichtige muss nicht beweisen, dass eine private Nutzung des betrieblichen Kfz nicht stattgefunden hat.
Als Beweis reicht es nicht aus, wenn lediglich behauptet wird, für privat veranlasste Fahrten hätten private Fahrzeuge zur Verfügung gestanden.
Auch ein eingeschränktes privates Nutzungsverbot vermag den Anscheinsbeweis regelmäßig nicht zu entkräften. Allerdings ist unter diesen Umständen der für eine private Nutzung sprechende Anscheinsbeweis umso leichter zu erschüttern, je geringer die Unterschiede zwischen den Fahrzeugen ausfallen. Denn bei einer Vergleichbarkeit der Fahrzeuge ist keine nachvollziehbare Veranlassung ersichtlich, für private Fahrten das betriebliche Fahrzeug zu nutzen. Eine Erschütterung des Anscheinsbeweises kommt dann in Betracht, wenn das in Status und Gebrauchswert vergleichbare Fahrzeug dem Steuerpflichtigen ständig und uneingeschränkt zur Verfügung steht.
Entscheidung
Im Streitfall war der für eine Privatnutzung sprechende Beweis des ersten Anscheins erschüttert, weil nach Überzeugung des FG für Privatfahrten mit dem Mercedes Benz C 280 T ein in Status und Gebrauchswert vergleichbares Fahrzeug zur alleinigen Verfügung des einzigen Kommanditisten stand. Im Gegenteil: Berücksichtigt man den deutlich höheren Prestigewert des Mercedes C 280 T gegenüber dem Fiat, konnte im Streitfall trotz des Alters und des technischen Zustands sogar von einem höheren Statuswert des Mercedes C 280 T ausgegangen werden. Denn der Neupreis des Mercedes war mehr als doppelt so hoch wie der Neuwagenlistenpreis des Fiat Doblo Easy im Jahr 2012.
Fundstelle
FG Niedersachsen 19.2.20, 9 K 104/19