Ist die postalische Erreichbarkeit des Rechnungsaustellers gewährleistet, kommt es für den Vorsteuerabzug nicht darauf an, ob und – wenn ja – welche Aktivitäten unter der Postanschrift erfolgen.
FG Köln 28.4.15, 10 K 3803/13, nrkr., Az. des BFH: V R 25/15
Sachverhalt
Bei dem Steuerpflichtigen – einem Kfz-Händler – wurde eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung durchgeführt. Dabei kam der Prüfer zu der Auffassung, dass der Steuerpflichtige Vorsteuerbeträge aus den Eingangsrechnungen eines seiner Lieferanten nicht in Abzug bringen kann.
Der Grund
Die in den Rechnungen angegebene Anschrift bestehe tatsächlich nicht. Der Lieferant habe nach den Feststellungen des für ihn zuständigen Finanzamts im Inland keine Betriebsstätte. Die Geschäftsadresse diene nur als Briefkastenadresse (Scheinanschrift), an welcher der Lieferant seine Post abgeholt habe. Unter der Anschrift sei nichts vorhanden, was auf ein Unternehmen hindeute.
Entscheidung
Das FG Köln kommt zu dem Ergebnis, dass die Rechnungen des Lieferanten zum Vorsteuerabzug berechtigen, obwohl an der angegebenen Anschrift keine geschäftlichen Aktivitäten stattgefunden haben.
In Anbetracht der technischen Fortentwicklung und der Änderung von Geschäftsgebaren sei die Anforderung an die Anschrift, dass dort geschäftliche Aktivitäten stattfinden, überholt.
Die Angabe der Anschrift auf der Rechnung hat nach Auffassung des FG den Zweck, den leistenden Unternehmer eindeutig zu identifizieren. Die Anschrift auf der Rechnung soll es der Finanzverwaltung ermöglichen, den Unternehmer postalisch zu erreichen. Ist die postalische Erreichbarkeit (z. B. um Schreiben zu übersenden bzw. Schriftstücke zuzustellen) gewährleistet, kommt es nicht darauf an, welche Aktivitäten unter der Postanschrift erfolgen.
Das Kriterium der „geschäftlichen Aktivitäten“ ist – so das FG – außerdem viel zu unbestimmt. Folgende Fragen bleiben ungeklärt:
Müssen dort Kunden empfangen werden?
Muss der leistende Unternehmer sich dort regelmäßig (wie lange) aufhalten?
Muss er wirklich im Büro geschäftlich tätig werden oder reicht es aus, wenn er dort Zeitung liest und ansonsten von unterwegs mit Handy und Laptop tätig wird?
Wer soll überprüfen, in welchem (nicht bestimmten) Umfang unter der Anschrift geschäftliche Aktivitäten stattfinden?
Praxishinweis
Der vorsichtige Unternehmer und Steuerberater sollte keinesfalls auf eine Rechnung mit Briefkastenadresse vertrauen. Denn der BFH hat in einem späteren Urteil bereits anders entschieden („BFH 22.7.15, V R 23/14“:). Abschlägige Entscheidungen der Finanzverwaltung sind aber wegen des in der Sache anhängigen Revisionsverfahrens offenzuhalten.
Beachten Sie
Es bleibt bei der Empfehlung, dass Kreditorenbuchhalter zumindest mittelfristig darauf hinwirken sollten, dass Eingangsrechnungen entsprechend umgestellt werden. Bei Eingangsrechnungen mit hohem Vorsteuervolumen oder solchen, die aufgrund fester Geschäftsbeziehungen wiederholt eingehen und sich daher insgesamt summieren, sollte die Umstellung vorsichthalber sofort erfolgen.