Das FG Hamburg hält die über § 8c S. 1 KStG neu eingeführte Verlustverrechnungsbeschränkung für einen Verstoß gegen den Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Daher wurde die Frage dem BVerfG zur Entscheidung vorgelegt, inwieweit es gegen den Gleichheitsgrundsatz verstößt, dass ein Gesellschafterwechsel bei einer Kapitalgesellschaft dazu führt, dass Verluste aus der bisherigen Tätigkeit für eine spätere Verrechnung mit Gewinnen nicht mehr zur Verfügung stehen und daher verloren gehen.
FG Hamburg 4.4.11, 2 K 33/10, Sächsisches FG 16.3.11, 2 K 1869/10
BVerfG 12.10.10, 1 BvL 12/07, BFH/NV 11, 181
Nach der Regelung kommt es seit 2008 zu einem anteiligen oder vollständigen Wegfall von Verlusten bei der Körperschaft- und Gewerbesteuer, wenn ein schädlicher Beteili-gungserwerb von mehr als 25 % der Anteile erfolgt. Nach Ansicht des FG verstößt diese Versagung der Verlustverrechnung beim Gesellschafterwechsel gegen den Gleichheitsgrundsatz in Art. 3 Abs. 1 GG, wenn bei der Übertragung von mehr als 25 % alle bis dahin vorhandenen Verluste nicht mehr abziehbar sind. § 8c S. 1 KStG stellt auf Vorgänge ab, die sich auf der Ebene der Anteilseigner abspielen. Für die Beurteilung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit einer GmbH ist es jedoch unerheblich, wer Beteiligter an ihr ist. Der für den Verlustuntergang maßgebliche Verkauf der Beteiligung betrifft nur den Anteilseigner und kann von der Kapitalgesellschaft grundsätzlich nicht einmal beeinflusst werden.
Entsprechende Fälle sollten in Hinsicht auf Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuermessbescheide über einen ruhenden Einspruch bis zum endgültigen Ausgang des Verfahrens beim BVerfG offen gehalten werden.
Das Sächsisches FG hingegen stuft es als zulässig ein, dass nicht ausgeglichene Verluste sogar vollständig überhaupt nicht mehr abziehbar sind, wenn eine schädliche Beteiligungsübertragung von mehr als 50 % der Anteile einer Kapitalgesellschaft erfolgt. Dies sei im Hinblick auf den weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers und dessen Befugnis zur Typisierung nicht verfassungswidrig. Das gilt auch dann, wenn weniger als 100 % der Anteile übertragen werden und wenn es nicht um einen Mantelkauf geht, sondern eine aktive Kapitalgesellschaft auch nach dem Gesellschafterwechsel ihren Geschäftsbetrieb unverändert fortführt.
Der Gesetzgeber geht davon aus, dass die Übertragung von mehr als 50 % der Anteile einer Körperschaft ihr eine neue wirtschaftliche Identität geben kann und es im Einzelfall schwierig ist, dies zu kontrollieren. Daher erscheint es als sachgerecht, wenn dieser Identitätswechsel dazu führt, dass die neue Gesellschaft ähnlich wie im Fall der Verlustvorträge eines Erblassers auf die neuen Gewinne nicht die alten Verluste verrechnen kann. Auch die Absicht, den Handel mit Verlusten bei Mantelkaufverträgen zu erschweren, ist ein Gesichtspunkt, der sachgerecht ist. Zwar sind von der Regelung auch Firmen betroffen, die kein leerer Mantel, sondern eine aktive Gesellschaft sind. Der Gesetzgeber darf aber Besonderheiten des einzelnen Falles vernachlässigen. Daher ist der Ansatzpunkt, dass ein Anteilseigner, der über 50 % der Anteile an einer Gesellschaft hält, über deren wirtschaftliche Ausrichtung entscheidet, noch vertretbar. Die Frage, wann noch eine wirtschaftliche Identität vorliegt und wann sie verloren geht, ist oft schwer durch die Finanzverwaltung zu beurteilen.