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Aus § 10 Abs. 4b Satz 2 und Satz 3 EStG folgt eine einfachrechtlich zwingende Verrechnungsreihenfolge für die Verrechnung von erstatteten Sonderausgaben. Für die Annahme eines Erstattungsüberhangs i. S. d. § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG ist nicht erforderlich, dass der Steuerpflichtige im Veranlagungszeitraum der Erstattung zugleich eine entsprechende Zahlung erbracht hat.

Dass auch Beträge aus der Erstattung solcher Sonderausgaben, die vor Inkrafttreten des § 10 Abs. 4b EStG zum 1.1.2012 geleistet wurden, zum Gesamtbetrag der Einkünfte hinzuzurechnen sind, verstößt nicht gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot.

Sachverhalt

Streitig war in einem Verfahren vor dem FG Rheinland-Pfalz die Erhöhung des Einkommens der Steuerpflichtigen aufgrund der Erstattung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung der Steuerpflichtigen im Streitjahr 2017, die diese für die Jahre 2003 bis 2016 gezahlt hatte.

Dabei ist zunächst zu beachten, dass für den Fall, dass die im Veranlagungszeitraum erstatteten Aufwendungen die geleisteten Aufwendungen (Erstattungsüberhang) übersteigen, der Erstattungsüberhang zunächst mit anderen im Rahmen der jeweiligen Nummer anzusetzenden Aufwendungen zu verrechnen ist. Ein verbleibender Betrag ist dem Gesamtbetrag der Einkünfte hinzuzurechnen.

Entscheidung

Erhält der Steuerpflichtige für die von ihm für einen anderen Veranlagungszeitraum geleisteten Aufwendungen einen steuerfreien Zuschuss, ist dieser den erstatteten Aufwendungen gleichzustellen.

Beachten Sie | Für die Frage, ob die Neuregelung des § 10 Abs. 4b EStG auf eine konkrete Erstattung anzuwenden ist, kommt es insofern auf den Zufluss (§ 11 EStG) der Erstattung an, d. h. darauf, ob die Erstattung dem Steuerpflichtigen ab dem 1.1.2012 zugeflossen ist.

Nach der vom Gesetzgeber vorgesehenen Systematik soll der Erstattungsbetrag bei Aufwendungen, die dem Steuerpflichtigen im Veranlagungszeitraum erstattet werden, zunächst mit den vom Steuerpflichtigen in diesem Veranlagungszeitraum geleisteten gleichartigen Aufwendungen verrechnet werden. Wenn die im Erstattungsjahr geleisteten Aufwendungen die in diesem Jahr gezahlten Erstattungsbeträge übersteigen, ist in diesem Jahr nur der Differenzbetrag als Sonderausgabe zu berücksichtigen.

Übersteigen die vom Steuerpflichtigen erhaltenen Erstattungsbeträge hingegen die entsprechenden geleisteten Aufwendungen, sind die als Sonderausgaben anzusetzenden Aufwendungen in diesem Jahr insoweit mit 0 EUR anzusetzen, und es ergibt sich ein Erstattungsüberhang. Aus der Systematik des § 10 Abs. 4b Satz 2 („Erstattungsüberhang“) und Satz 3 EStG („Ein verbleibender Betrag des sich (…) ergebenden Erstattungsüberhangs“) folgt, dass vorrangig eine Verrechnung nach § 10 Abs. 4b Satz 2 EStG zu erfolgen hat und erst der noch „verbleibende Betrag“ nach § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG zu behandeln ist. Hierbei ergibt sich folgende, einfachrechtlich angelegte Verrechnungsreihenfolge:

* Nach § 10 Abs. 4b Satz 2 EStG hat zunächst eine Verrechnung innerhalb der jeweiligen Versicherungssparte, d. h. mit gleichartigen im Erstattungsjahr geleisteten Vorsorgeaufwendungen bis maximal auf 0 EUR zu erfolgen. Übersteigen die vom Steuerpflichtigen erhaltenen Erstattungen die entsprechenden geleisteten Aufwendungen, sind die Aufwendungen insoweit mit null anzusetzen und es ergibt sich ein Erstattungsüberhang.

* Danach verbleibende Erstattungsüberhänge einer Versicherungssparte sind sodann mit ungleichartigen Aufwendungen zu anderen Versicherungssparten zu verrechnen, die jedoch von derselben Nummer des § 10 Abs. 1 EStG („im Rahmen der jeweiligen Nummer“) erfasst sein müssen.

* Etwaige, auch nach diesem zweiten Schritt noch verbleibende Erstattungsüberhänge sind, wenn es sich um die Erstattung von Aufwendungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 4 EStG handelt, nach § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG dem Gesamtbetrag der Einkünfte des Erstattungsjahres hinzuzurechnen. Bei teleologischer Auslegung ist die Hinzurechnung dabei im Erstattungsjahr vorzunehmen, weil nur dann die Wiederaufrollung der Veranlagung des Zahlungsjahres unterbleiben kann.

Der Hinzurechnungsbetrag ist im Berechnungsschema des § 2 EStG an der Stelle zu berücksichtigen, an der die vorrangige Verrechnung eingreift und an der die Sonderausgaben zu berücksichtigen wären. Eine Erhöhung des Gesamtbetrags der Einkünfte selbst erfolgt also nicht; vielmehr wird diesem Betrag der Erstattungsüberhang auf Ebene des § 2 Abs. 4 EStG bei der Ermittlung des Einkommens hinzugerechnet.

Für die Annahme eines Erstattungsüberhangs i. S. d. § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG ist nicht erforderlich, dass der Steuerpflichtige im Veranlagungszeitraum der Erstattung zugleich eine entsprechende Zahlung erbracht hat. Eine teleologische Auslegung des § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG führt dazu, dass ein Überhang i. S. d. gesetzlichen Regelung auch dann vorliegt, wenn der Zahlungsbetrag im Erstattungsjahr mit 0 EUR zu beziffern ist, weil der Begriff des „Überhangs“ als solcher keine Verrechnung zwischen Zahlungen und Erstattungen voraussetzt und sich bei grammatikalischer und historischer Auslegung auch bei fehlenden Beitragsleistungen im Erstattungsjahr, also Beitragszahlungen i. H. v. 0 EUR, ergeben kann. Die Hinzurechnung nach § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG findet bei teleologischer und systematischer Auslegung auch statt, wenn sich die erstatteten Vorsorgeaufwendungen im Jahr ihrer Zahlung nicht steuermindernd ausgewirkt hatten.

fundstelle
FG Rheinland-Pfalz 16.9.21, 4 K 1565/19