Die gesetzliche Verjährung gilt auch für den gesetzlichen Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub. Allerdings beginnt die dreijährige Verjährungsfrist erst am Ende des Kalenderjahres, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat. So hat es aktuell das Bundearbeitsgericht (BAG) entschieden.
Sachverhalt
In dem Fall war eine Frau von 1996 bis Mitte 2017 als Steuerfachangestellte und Bilanzbuchhalterin beschäftigt. Nach Ende des Arbeitsverhältnisses zahlte ihr der Arbeitgeber zur Abgeltung von 14 Urlaubstagen 3.201,38 EUR brutto. Die Frau wollte mehr als nur diese 14 Tage abgegolten haben. Sie hatte in den Vorjahren 101 Tage Urlaub nicht genommen. Hierfür wollte der Arbeitgeber aber nicht mehr zahlen. Er berief sich auf Verjährung.
Entscheidung
Vor dem BAG hatte er damit letztlich keinen Erfolg. Er muss nun für weitere 76 Urlaubstage nachzahlen, insgesamt 17.376,64 EUR brutto.
Das BAG begründete seine Entscheidung so: Zwar finden die Vorschriften über die Verjährung (§ 214 Abs. 1, § 194 Abs. 1 BGB) auf den gesetzlichen Mindesturlaub Anwendung. Die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren beginnt bei einer richtlinienkonformen Auslegung des § 199 Abs. 1 BGB jedoch nicht zwangsläufig mit Ende des Urlaubsjahres, sondern erst mit dem Schluss des Jahres, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat.
Der Senat hat damit die Vorgaben des Gerichtshofs der Europäischen Union aufgrund der Vorabentscheidung vom 22.9.2022 (C-120/21) umgesetzt. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs tritt der Zweck der Verjährungsvorschriften, die Gewährleistung von Rechtssicherheit, in der vorliegenden Fallkonstellation hinter dem Ziel von Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union zurück, die Gesundheit des Arbeitnehmers durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme zu schützen. Die Gewährleistung der Rechtssicherheit dürfe nicht als Vorwand dienen, um zuzulassen, dass sich der Arbeitgeber auf sein eigenes Versäumnis berufe, den Arbeitnehmer in die Lage zu versetzen, seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub tatsächlich auszuüben. Der Arbeitgeber könne die Rechtssicherheit gewährleisten, indem er seine Obliegenheiten gegenüber dem Arbeitnehmer nachhole.
Der Arbeitgeber hatte im vorliegenden Fall seine Mitarbeiterin nicht durch Erfüllung der Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten in die Lage versetzt, ihren Urlaubsanspruch wahrzunehmen. Die Ansprüche verfielen deshalb weder am Ende des Kalenderjahres (§ 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG) oder eines zulässigen Übertragungszeitraums (§ 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG). Der Arbeitgeber konnte auch nicht mit Erfolg einwenden, der nicht gewährte Urlaub sei bereits während des laufenden Arbeitsverhältnisses nach Ablauf von drei Jahren verjährt. Den Anspruch auf Abgeltung des Urlaubs hat die Frau innerhalb der Verjährungsfrist von drei Jahren erhoben.
Was bedeutet das nun für den Arbeitgeber? Er muss seine Arbeitnehmer konkret über zwei Punkte informieren:
* Wie hoch ist der konkrete Urlaubsanspruch? Schon hier sollte zwischen dem gesetzlichen Mindesturlaub (§ 3 Abs. 1 BUrlG: 24 Werktage) und dem arbeitsvertraglich zusätzlich vereinbarten Anspruch unterschieden werden.
* Welche Verfallfristen bestehen? Auch hier sollte entsprechend unterschieden werden. Möglicherweise gelten unterschiedliche Verfallfristen, z. B. aufgrund eines Tarifvertrags.
Außerdem sollte der Arbeitgeber die Belehrung dokumentieren, damit er im Falle des Falles einen Nachweis hat.
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BAG 20.12.22, 9 AZR 266/20