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Auch ein Strohmann, der nach außen im eigenen Namen auftritt, im ­Verhältnis zum Hintermann jedoch auf dessen Rechnung handelt, kann leistender Unternehmer i.S. des UStG sein.
BGH 29.1.15, 1 StR 216/14

Sachverhalt

Die A-GmbH handelte mit Schrott- und Altkatalysatoren. Der Steuerpflichtige war Angestellter der A-GmbH. Er leitete den Ein- und Verkauf. Seine Ehefrau war Alleingesellschafterin und offizielle Geschäftsführerin.
Von nahezu allen Lieferanten, Angestellten und Kunden wurde der Steuerpflichtige als „der Chef“ angesehen. Er fungierte neben der formal eingesetzten Geschäfts­führerin als faktischer Geschäftsführer, „profitierte“ von den hinterzogenen Steuern und partizipierte mittelbar auch an den erwirtschafteten Gewinnen.
Zum Zwecke der Umsatzsteuerhinterziehung nutzte der Steuerpflichtige – zum Teil in Absprache mit den tatsächlichen Lieferanten – Abdeckrechnungen bzw. Gutschriften, die auf dritte Personen ausstellt waren (Rechnungsschreiber, Strohmänner, Scheinunternehmen).
Diese „­Schreiber“ waren – wie der Steuerpflichtige wusste oder zumindest billigend in Kauf nahm – weder ­willens noch in der Lage, die offen ausgewiesene Umsatzsteuer an das FA abzuführen. Dennoch machte der Steuerpflichtige die ausgewiesene ­Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend. Hierbei war dem Steuerpflichtigen bewusst, dass die Waren tatsächlich nicht von den Rechnungstellern geliefert wurden, sondern durch eine Gruppe von Personen, die sich im Ausland befand.

Entscheidungsgründe

Für die Frage, ob die Voraussetzungen für einen Vorsteuerabzug vorliegen, kommt es nach Auffassung des BGH nicht auf den Zeitpunkt der Abgabe der Steueranmeldung, sondern auf den Zeitpunkt der Ausführung der ­Lieferung oder sonstigen Leistung an.
Wer als Leistungsempfänger bei ­Erhalt der ­Lieferung noch „in gutem Glauben“ war, verliere den Vorsteuerabzug nicht, wenn er nachträglich erkennt, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligt hat, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen war. Der 1. Strafsenat ­bestätigt damit seine Rechtsprechung (z.B. BGH 1.10.13, 1 StR 312/13, PStR 14, 56; BGH 8.7.14, 1 StR 29/14, NStZ-RR 14, 310).
Ferner bekräftigt der BGH, dass auch ein vorgeschobenes „Scheinunternehmen“ (d.h. ein Strohmann) als Unternehmer i.S. von „§ 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UStG angesehen werden kann, sofern die Geschäfte zwischen Strohmann und Leistungsempfänger nicht nur zum Schein (§ 41 Abs. 2 AO) abgeschlossen sind.
Mithin sind die Vertragsparteien also stillschweigend davon ausgegangen, dass die Rechtswirkungen des Geschäfts gerade nicht ­zwischen ihnen, sondern zwischen dem Leistungsempfänger und dem „Hinter­mann“ eintreten sollen.
In Übereinstimmung mit dem BFH (19.5.10, XI R 78/07, PStR 10, 265) stellt der BGH fest, dass sich die GmbH nicht nur das etwaige Wissen ihres Geschäftsführers als ihres gesetzlichen Vertreters nach § 35 GmbH, sondern auch das Wissen ihrer sonstigen Angestellten analog § 166 Abs. 1 BGB zurechnen ­lassen muss, wenn die Mitarbeiter die Kenntnisse infolge der vorgesehenen Arbeitsteilung und Organisation des Betriebs im Rahmen ihrer Zuständigkeit erlangt haben – oder hätten erlangt haben müssen (BGH 19.3.13, 1 StR 318/12, wistra 13, 463).
Da der Steuerpflichtige als „Technischer Leiter“ im Unternehmen für das operative Geschäft und insbesondere für die Entscheidungen über Aufnahme und Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehungen mit den Lieferanten zuständig war, ist die Zurechnung seiner Erkenntnisse auf die den Vorsteuerabzug beantragende Körperschaft gerechtfertigt.

Praxishinweis

Den Ermittlungsbehörden sind eine Vielzahl von Fällen bekannt, in denen in der Metallverwertungs- und Recyclingbranche tätige Unternehmen ihren Wareneinkauf auch mittels Einsatz von Strohmännern („­Schreiber“) ­abwickeln. Hierbei erfolgen die Abrechnungen zumindest teilweise gegen Rechnung, oft aber im Gutschriftenverfahren unter Benennung von Scheinlieferanten. Die Spitzenverbände informieren ihre Mitgliedsunternehmen in regelmäßigen Abständen über steuer- und strafrechtliche Risiken beim Ankauf von Schrott (siehe etwa Bonenberger/Wanninger, PStR 07, 13 ff.).
Seit dem 1.1.2011 ist die Problematik dadurch entschärft worden, dass bei der Lieferung von Altmetall und Schrott der Leistungsempfänger Steuerschuldner ist ( § 13b Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 UStG).
Davon unbeeindruckt finden die typischen Verschleierungsabläufe auf deutschen Schrottplätzen weiterhin statt bzw. werden um der guten Geschäfte Willen toleriert. Im vorliegenden Fall konnten die wahren Lieferanten zum Teil enttarnt werden, zum Teil blieben diese verborgen. Auch blieb letztlich unklar, ob die als wahre Lieferanten enttarnten Lieferanten nicht wiederum nur Handlanger/Werkzeuge weiterer Hintermänner waren.