In für Ärzte, für BUCHHALTER & UNTERNEHMENSBERATER, Steuer-Tipps für ALLE

Leistungen eines Arztes im Rahmen eines Notdienstes, die dazu dienen, gesundheitliche Gefahrensituationen frühzeitig zu erkennen, um sofort geeignete Maßnahmen einleiten und damit einen größtmöglichen Erfolg einer (späteren) Behandlung sicherstellen zu können, sind umsatzsteuerfreie Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin.

Sachverhalt

Der Kläger ist Arzt. Er führte im Streitjahr (2009) sowie im Vorjahr 2008 umsatzsteuerfreie und umsatzsteuerpflichtige Umsätze aus. Zu den steuer­frei belassenen Umsätzen des Klägers gehörte u. a. der Bereitschaftsdienst bei Sport- und ähnlichen Veranstaltungen. Die Aufgaben des Klägers umfassten dabei, den Veranstaltungsbereich im Vorfeld zu kontrollieren und die Verantwortlichen im Hinblick auf mögliche Gesundheitsgefährdungen zu beraten.

Während der Veranstaltung sollte der Arzt bei kontinuierlichen Rundgängen frühzeitig Gefahren und gesundheitliche Probleme der anwesenden Personen erkennen. Bei Bedarf sollte er ärztliche Untersuchungen und Behandlungen von Patienten durchführen.

FA und FG versagten die Steuerbefreiung.

Zur Begründung führte das FG aus, bei den Leistungen habe der Kläger lediglich Anwesenheit und Einsatzbereitschaft geleistet. Das reiche für eine umsatzsteuerfreie Heilbehandlung nicht aus, weil die Anwesenheit des Arztes zwar Voraussetzung für eine optimale Versorgung sei, selbst aber nicht der Behandlung einer Krankheit oder Gesundheitsstörung diene. Komme es tatsächlich zu einer Behandlung eines Veranstaltungsbesuchers, so komme ein Vertragsverhältnis mit dem Besucher oder dessen Krankenkasse zustande, aus dem die Behandlungsleistung des Klägers vergütet werde.

Hiergegen wendet sich der Arzt mit der Begründung, er sei dazu verpflichtet, die örtlichen Risiken für die Gesundheit der Teilnehmer zu prüfen, ggf. beseitigen zu lassen und während und unmittelbar nach der Veranstaltung den Gesundheitszustand der Teilnehmer zu beobachten. Insoweit handele es sich um Gesundheitsvorsorge i. S. der Vorbeugung, Diagnose und ggf. auch Behandlung von Krankheiten. Das regelmäßige Beobachten der Veranstaltungsteilnehmer sei auch dann eine ärztliche diagnostische Tätigkeit, wenn es zu keinen notärztlichen Einsätzen komme.

Entscheidung

Der BFH hob das FG-Urteil auf und gab der Klage statt.

Der Begriff der Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin ist nach der Rechtsprechung des EuGH „nicht besonders eng“ auszulegen. Er umfasst die Diagnose, die Behandlung und, soweit möglich, die Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen. Heilbehandlungen müssen einen therapeutischen Zweck haben.

Zu den Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin gehören auch Leistungen, die zum Zweck der Vorbeugung erbracht werden, wie vorbeugende Untersuchungen und ärztliche Maßnahmen an Personen, die an keiner Krankheit oder Gesundheitsstörung leiden, sowie Leistungen, die zum Schutz einschließlich der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der menschlichen Gesundheit erbracht werden.

Beachten Sie | Daraus folgt, dass ärztlichen Leistungen, die zu dem Zweck erbracht werden, die menschliche Gesundheit zu schützen, aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen, die in der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie vorgesehene Steuerbefreiung zugutekommt.

Dabei steht der Steuerbefreiung nicht entgegen, wenn Leistungen nicht gegenüber Patienten oder Krankenkassen erbracht werden. Denn für die Steuerfreiheit kommt es

  • nicht auf die Person des Leistungsempfängers an,
  • sondern auf die Person des Leistenden, der Träger eines ärztlichen oder arztähnlichen Berufs sein muss (personenbezogene Voraussetzung der Steuerfreiheit, RdNr. 16 des Besprechungsurteils).

Relevanz für die Praxis

Bei Zugrundelegung dieser Grundsätze handelt es sich bei den vom Kläger ausgeführten Diensten um Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin. Der ärztliche Notfalldienst in der vom Kläger versehenen Form diente unmittelbar dem Schutz und der Aufrechterhaltung der menschlichen Gesundheit.

Ähnlich wie Leistungen, die zum Zweck der Vorbeugung erbracht werden, zielten die Leistungen des Klägers darauf ab, gesundheitliche Gefahrensituationen frühzeitig zu erkennen, um sofort entsprechende Maßnahmen einleiten und damit einen größtmöglichen Erfolg einer (späteren) Behandlung sicherstellen zu können. Das ist eine unmittelbar ärztliche Tätigkeit, die auch nur von einem Arzt geleistet werden kann.

Fundstelle
BFH 2.8.18, V R 37/17