Die Finanzverwaltung stellt klar, dass trotz der Rechtsprechung von EuGH und BFH auch Freizeit-, Spaß- und Thermalbäder unter den weiteren Voraussetzungen als Schwimmbäder ermäßigt besteuert werden können.
Hintergrund: Rechtsprechung von EuGH und BFH
Der BFH hat bereits mit Urteil vom 28.8.2014 (V R 24/13, BStBl II 15, 194, Rz. 32) entschieden, dass der nationale Begriff „Schwimmbad“ richtlinienkonform im Sinne einer Sportanlage auszulegen ist.
Ein Schwimmbad im Sinne einer Sportanlage muss zur Ausübung einer sportlichen Betätigung geeignet und bestimmt sein. Anzeichen dafür sind z. B. die Unterteilung in Schwimmbahnen, die Ausstattung mit Startblöcken, eine angemessene Tiefe oder ein angemessenes Ausmaß des Schwimmbeckens (vgl. auch EuGH 21.2.13, C-18/12 Město Žamberk, Rz. 34 zu einem „Aquapark“).
Diese Rechtsprechung hat der BFH unlängst beibehalten bzw. fortgeführt (BFH 17.8.21, XI B 29/21, BFH/NV 2022, 47). Kein Schwimmbad im Sinne einer Sportanlage ist daher ein Erholungsbad. Davon war im Urteilsfall nach der tatsächlichen Würdigung des FG bei der Therme der Klägerin auszugehen; denn das FG war in Bezug auf die Therme bzw. die „Badewelt“ davon ausgegangen, dass die Schwimmbecken aus Sicht eines Durchschnittsverbrauchers in erster Linie dem Baden zum Zwecke der Erholung und Entspannung sowie ggf. eines niederschwelligen heiltherapeutischen Zwecks dienen.
Das sportliche Schwimmen möge zwar theoretisch möglich sein, stehe aber bei den Besuchern nach der Konzeption und dem Selbstverständnis der Therme ganz überwiegend im Hintergrund. Daher unterliege, selbst wenn getrennte Leistungen der Klägerin vorlägen, nach der Rechtsprechung des BFH auch die isolierte Einräumung von Eintrittsberechtigungen für die „Badewelt“ dem Regelsteuersatz.
Auffassung der Finanzverwaltung
Nach Abschn. 12.11 Abs. 1 Satz 2 bis 4 UStAE muss ein Schwimmbad i. S. d. § 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG dazu bestimmt und geeignet sein, eine Gelegenheit zum Schwimmen zu bieten. Dies setzt voraus, dass insbesondere die Wassertiefe und die Größe des Beckens das Schwimmen oder andere sportliche Betätigungen ermöglichen (vgl. BFH 28.8.14, a. a. O.). Die sportliche Betätigung muss nicht auf einem bestimmten Niveau oder in einer bestimmten Art und Weise, etwa regelmäßig oder organisiert oder im Hinblick auf die Teilnahme an sportlichen Wettkämpfen, ausgeübt werden.
Nach einem Beschluss der Vertreter der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder über Umsatzsteuerfragen gilt, dass es sich auch bei Freizeit-, Spaß- und Thermalbädern um Schwimmbäder i. S. d. § 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG handelt, wenn
* die Wassertiefe und
* die Größe eines Beckens
* das Schwimmen oder
* andere sportliche Betätigungen ermöglichen.
Aus dem Beschluss des BFH vom 17.8.2021 (a. a. O.) ergibt sich keine der Regelung in Abschn. 12.11 Abs. 1 UStAE widersprechende Rechtsauffassung.
Praxistipp
So gern man dies als Betreiber eines Bads oder dessen Berater auch liest – die Gefahren sind unverkennbar! Es stellt sich schon die Frage, ob die Rechtsauffassung der Finanzverwaltung nicht doch der Rechtsprechung widerspricht. Im „Fall der Fälle“ wäre ein Gericht nicht an die Verwaltungsmeinung gebunden. Dann könnte man allenfalls über Vertrauensschutz argumentieren. Eine bekanntermaßen stets risikobehaftete Argumentation!
fundstelle
FM Schleswig-Holstedin, USt-Kurzinformation 23.11.22, VI 358 – S 7243-021