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Die Gestellung von Kraftstoff an Subunternehmer in Form der Überlassung von Tankkarten führt zu einer Kreditgewährung an den Subunternehmer und nicht zu einer Lieferung im Rahmen eines Reihengeschäfts.

Sachverhalt

Die Klägerin (K) überführt Nutzfahrzeuge namhafter Hersteller vom Werk direkt zum Kunden. Diese Dienstleistung erbringt die Klägerin über Tochtergesellschaften mit Sitz in unterschiedlichen Mitgliedstaaten. Eine der Tochtergesellschaften (T) hat ihren Sitz in Polen.

Sie organisiert und verwaltet die Versorgung der Tochtergesellschaft in Polen mit Tankkarten verschiedener Kraftstoffanbieter. Die von der Tochtergesellschaft überführten Fahrzeuge werden unter Verwendung persönlicher, an die Fahrer ausgegebener Tankkarten betankt.

Aus organisatorischen Gründen und wegen der Höhe der Kosten werden alle Tankkartenumsätze durch die Klägerin zentralisiert, die von den Kraftstoffanbietern Rechnungen erhält, die insbesondere den Kauf von Kraftstoff mit Mehrwertsteuer belegen.

Am Ende jedes Monats stellt K der T den für die Erbringung der Dienstleistung „Überführung von Fahrzeugen“ bereitgestellten Kraftstoff mit einem Zuschlag von 2 % in Rechnung. T ist berechtigt, die Tankrechnungen mit Rechnungen an K zu verrechnen. Alternativ muss T die Rechnungen innerhalb von ein bis drei Monaten ab dem Erhalt begleichen.

Entscheidung

Der EuGH hat darauf erkannt, dass bei der Ausgabe von Tankkarten die Leistung des ausgebenden Unternehmens an den Kartenkunden nicht in einer Kraftstofflieferung, sondern in einer Kreditgewährung besteht.

Der Emittent der Tankkarte liefert nicht und tätigt damit auch kein Reihengeschäft
Der Begriff „Lieferung von Gegenständen“ im Sinne der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie

  • bezieht sich nicht auf die Eigentumsübertragung in den im anwendbaren nationalen Recht vorgesehenen Formen,
  • sondern umfasst jede Übertragung eines körperlichen Gegenstands durch eine Partei, die die andere Partei ermächtigt, über diesen Gegenstand faktisch so zu verfügen, als wäre sie sein Eigentümer (EuGH, Besprechungsurteil, Rn. 27).

Der Lieferbegriff hat einen objektiven Charakter und ist unabhängig von Zweck und Ergebnis der betroffenen Umsätze anwendbar. Die Steuerverwaltung ist dabei nicht verpflichtet, Untersuchungen anzustellen, um die Absicht des betroffenen Steuerpflichtigen zu ermitteln oder gar die Absicht eines von diesem Steuerpflichtigen verschiedenen, an derselben Lieferkette beteiligten Händlers zu berücksichtigen (EuGH, Besprechungsurteil, Rn. 28).

Im Urteilsfall verfügt K zu keinem Zeitpunkt über den Kraftstoff wie ein Eigentümer. Der Kraftstoff wird nämlich von T direkt bei den Anbietern und nach eigenem Ermessen gekauft. Deshalb entscheidet T vor allem über die Modalitäten des Kraftstoffkaufs, da sie wählen kann, bei welcher Tankstelle von den durch Vega International mitgeteilten Anbietern sie Kraftstoff tankt, und über die Qualität, die Menge, die Art des Kraftstoffs sowie den Zeitpunkt des Kaufs und die Art der Verwendung frei entscheiden kann (Besprechungsurteil, Rn. 36).

Deshalb ist nicht davon auszugehen, dass die Kraftstofflieferung an K erfolgt und diese den Gegenstand an T weiterliefert und dadurch ihrerseits eine Kraftstofflieferung an Letztere tätigt. Vielmehr ist festzustellen, dass K sich darauf beschränkt, der T unter Verwendung von Tankkarten ein einfaches Instrument zur Verfügung zu stellen, das ihr den Kauf des Kraftstoffs ermöglicht, und damit im Rahmen des Erwerbs dieses Gegenstands nur die Rolle eines Vermittlers spielt (EuGH, Besprechungsurteil, Rn. 38).

Der Emittent der Tankkarte gewährt einen Kredit

Jeder Umsatz, der keine Lieferung von Gegenständen ist, führt umsatzsteuerlich zu einer „Dienstleistung“. Im Urteilsfall ist deshalb auch zu prüfen, ob diese Dienstleistung als von der Mehrwertsteuer befreite Gewährung eines Kredits im Sinne der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie eingestuft werden kann (EuGH, Besprechungsurteil, Rn. 40 u. 42).

Von der Umsatzsteuer befreite Umsätze werden durch die Art der erbrachten Dienstleistungen und nicht durch den Erbringer oder den Empfänger der Leistung definiert, sodass die Anwendung dieser Befreiungen nicht vom Status des Unternehmens abhängt, das diese Dienstleistungen erbringt.

Insbesondere ist der Ausdruck „Gewährung und Vermittlung von Krediten“ in dieser Bestimmung weit auszulegen, sodass er nicht nur auf Darlehen und Kredite von Banken und Finanzinstituten beschränkt werden kann (EuGH, Besprechungsurteil, Rn. 43 f.).

Deshalb verstieße eine Auslegung, wonach die Gewährung der Finanzierung eines Kaufs durch eine Bank von der Mehrwertsteuer befreit wäre, wohingegen die Finanzierung desselben Kaufs durch einen Wirtschaftsteilnehmer, der nicht den besonderen Status eines Unternehmens des Finanz- oder Bankensektors hat, der Mehrwertsteuer unterläge, gegen einen der fundamentalen Grundsätze des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems, nämlich die Gleichbehandlung der Steuerpflichtigen (EuGH, Besprechungsurteil, Rn. 46).

Im vorliegenden Fall werden sämtliche Tankkartenumsätze von K zentralisiert. K erhält dazu von den Kraftstoffanbietern Rechnungen, die insbesondere den Kauf von Kraftstoff mit Mehrwertsteuer belegen. Am Ende jedes Monats stellt K ihren Tochtergesellschaften dann den für die Erbringung der Dienstleistung der Überführung von Fahrzeugen bereitgestellten Kraftstoff mit einem Zuschlag von 2 % in Rechnung. Schließlich haben die Tochtergesellschaften Rechnungen über die Verwendung der Tankkarten entweder mit Rechnungen an K zu verrechnen oder sie innerhalb von ein bis drei Monaten ab ihrem Erhalt zu begleichen. K erhält dadurch, dass sie bei T diesen Zuschlag von 2 % erhebt, eine Vergütung für die an T erbrachte Dienstleistung. K erbringt somit eine Finanzdienstleistung an T, indem sie den Kauf von Kraftstoff vorfinanziert, und fungiert hierzu wie ein gewöhnliches Finanz- oder Kreditinstitut (EuGH, Besprechungsurteil, Rn. 47 f.).

Deshalb ist die Bereitstellung von Tankkarten für T durch K ein echtes Finanzgeschäft, das der Gewährung eines Kredits im Sinne der Mehrwertsteuer­Systemrichtlinie ähnelt. Damit können Dienstleistungen wie die von für T erbrachte von der Steuer befreit sein (EuGH, Besprechungsurteil, Rn. 49 f.).

Praxistipp | Das Besprechungsurteil hat – über den Einzelfall hinaus –weitreichende Folgen, die an dieser Stelle nur grob skizziert werden können:

1. Da es für K an der Lieferung eines Gegenstands, nämlich von Kraftstoff, fehlt, hat K keinen Anspruch auf Erstattung der auf die an sie adressierten Rechnungen gezahlten Mehrwehrtsteuer für die durch T an Tankstellen erfolgten Betankungen mit Kraftstoff (EuGH, Besprechungsurteil, Rn. 39).

2. Einen Vorsteueranspruch aufgrund der Betankungen hat unter den weiteren Voraussetzungen allenfalls T.

3. Soweit die Emittenten der Tankkarten steuerfreie Umsätze erbringen, ist darüber hinaus auch der Vorsteuerabzug auf mittelbar im Zusammenhang stehende Eingangsleistungen versagt.

Sicherlich wäre es zu eng, die Folgen des Urteils auf die klassischen Tankkarten und damit den Bezug von Benzin und Diesel zu beschränken. Für Elektrofahrzeuge werden mit den E-Charging-Cards ähnliche Produkte aufgelegt. Betroffen sein dürften damit auch deren Emittenten sowie die Betreiber von Ladesäulen und deren Kunden.

Anmerkung

Das Besprechungsurteil ist in einem polnischen Vorlageverfahren ergangen. Zur derzeitigen Auffassung der deutschen Finanzverwaltung, die von einem Reihengeschäft ausgeht, wird auf die Verfügung der OFD Frankfurt vom 3.12.2008 hingewiesen.

Fundstelle
EuGH 15.5.19, Rs. C-235/18, Vega International Car