Bereits mit dem JStG 2019 wurde ab 2020 eine Tagespauschale für Berufskraftfahrer eingeführt. Diese eröffnet Berufskraftfahrern die Möglichkeit, unkompliziert und pauschal zusätzliche Werbungskosten geltend zu machen. Mit dem Wachstumschancengesetz diese Pauschale ab 2024 sogar erhöht. Da die Pauschale in der Praxis oft aus Unkenntnis nicht genutzt wird, beleuchtet AStW die Pauschale von A bis Z.
Grundsatz: Aufwendige Einzelbelegsammlung
Viele Berufskraftfahrer übernachten bei mehrtägigen Fahrten nicht in einem Hotel oder einer Pension, sondern in dem von ihnen genutzten Fahrzeug wie dem Lkw. Das Problem daran ist, dass die Kosten für eine gebuchte Unterkunft ohne Probleme als Werbungskosten abgezogen werden können. Bei einer Übernachtung innerhalb des Fahrzeugs sieht das für den Werbungskostenabzug allerdings komplizierter aus. Denn für diesen Fall erfordert der Werbungskostenabzug grundsätzlich einen Einzelnachweis der infolge der Übernachtung in dem Fahrzeug entstandenen Aufwendungen. Das bedeutet, dass der Berufskraftfahrer die Aufwendungen für
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die Benutzung sanitärer Einrichtungen (Toilette/Dusche),
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die Reinigung der Schlafkabine (z. B. Bettwäsche) oder
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die Park- und Abstellgebühren auf Raststätten und Autohöfen
im Einzelnen gegenüber dem Finanzamt nachweisen muss. Eine mühselige Arbeit, bei der jeder einzelne Kassenbon und jede Quittung aufbewahrt und für die Steuererklärung zusammengerechnet werden muss. Besonders ärgerlich: In der Praxis lag der so ermittelte Betrag oft unterhalb der tatsächlich entstandenen Aufwendungen. Denn es ist keine Seltenheit, dass Belege verloren gehen, nicht von dem Dienstleister ausgegeben oder versehentlich von dem Berufskraftfahrer nicht mitgenommen werden. Eine Pauschale für diese Aufwendungen konnte ebenfalls nicht geltend gemacht werden (BFH 28.3.12, VI R 48/11).
Praxistipp
Der BFH gestattet es jedoch – und das hat auch heute noch Gültigkeit, dass die abzugsfähigen Aufwendungen geschätzt werden können. Auch die Finanzverwaltung hat sich dem angeschlossen. Sie stellt an die Schätzung die Anforderung, dass die tatsächlich entstandenen und regelmäßig wiederkehrenden Aufwendungen für einen repräsentativen Zeitraum von drei Monaten im Einzelnen durch entsprechende Aufzeichnungen glaubhaft zu machen sind. Der sich danach ergebende tägliche Durchschnittsbetrag kann dann so lange für den Werbungskostenabzug zugrunde gelegt werden, bis sich die Verhältnisse wesentlich ändern (BMF 4.12.12, IV C 5 – S 2353/12/10009).
Beispiel 1 |
Fernfahrer Müller ermittelt für Januar bis März die tatsächlich angefallenen Kosten für Übernachtungen im Lkw mit 300 EUR. Diese kann er im Einzelnen nachweisen. Er war in dem Zeitraum an insgesamt 50 Tagen auswärts in seinem Lkw unterwegs. Insgesamt war er im Jahr an 220 Tagen im Lkw tätig. Lösung: Die durchschnittlichen Kosten betragen 6 EUR je Tag (300 EUR/50 Tage). Müller kann deshalb für jeden auswärtigen Tag 6 EUR ansetzen, solange sich die Verhältnisse nicht wesentlich ändern. Dieser Betrag gilt auch für April fortfolgend, sodass für das Jahr insgesamt 1.320 EUR abzugsfähig sind (220 Tage × 6 EUR). |
Seit 2020 Pauschalabzug nutzen
Abhilfe vor der aufwendigen Einzelermittlung der Übernachtungskosten schafft der ab dem Jahr 2020 geltende und in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5b EStG verankerte Pauschalabzug. Mit diesem kann anstelle des bisherigen Einzelnachweises für Aufwendungen im Zusammenhang mit einer Übernachtung in einem Kraftfahrzeug bei auswärtiger beruflicher Tätigkeit in einem Kraftfahrzeug des Arbeitgebers (oder einem vom Arbeitgeber beauftragten Dritten) eine Pauschale geltend gemacht werden. Die Pauschale gilt dabei für jeden Kalendertag, an welchem der Berufskraftfahrer eine Verpflegungspauschale nach § 9 Abs. 4a Satz 3 Nr. 1 und 2 EStG beanspruchen kann und beträgt bis zum 31.12.2023 täglich 8 EUR. Ab dem 1.1.2024 wurde sie auf täglich 9 EUR erhöht. Konkret gilt die Pauschale für:
1. Jeden Anreisetag, wenn der Berufskraftfahrer an diesem oder dem anschließenden Tag außerhalb der Wohnung übernachtet.
2. Jeden Tag, an dem der Berufskraftfahrer 24 Stunden von seiner Wohnung und ersten Tätigkeitsstätte abwesend ist. Der Lkw gilt dabei nicht als erste Tätigkeitsstätte des Berufskraftfahrers.
3. Jeden Abreisetag, wenn der Berufskraftfahrer an diesem oder dem vorhergehenden Tag außerhalb der Wohnung übernachtet.
Beachten Sie | Es handelt sich um eine Tagespauschale und nicht um – wie in der Praxis oft unterstellt – eine Übernachtungspauschale. Maßgebend für den Abzug sind also die für den Abzug berechtigenden Tage und nicht die Anzahl der tatsächlichen Übernachtungen. Zudem ist der Abzug der Pauschale nicht auf inländische Fahrten beschränkt, sondern gilt für sämtliche Fahrten – auch im Ausland.
Beispiel 2 |
Fernfahrer Müller startet am 9.12.2024 gegen 20:00 Uhr seine Tour. Er kommt am 13.12.2024 früh morgens gegen 05:00 Uhr wieder zu Hause an. Er übernachtet an den einzelnen Tagen in der Schlafkabine des Lkw. Lösung: Müller kann sowohl für den An- und Abreisetag (9. und 13.12.) als auch für die drei Tage dazwischen (11. bis 12.12.) eine Pauschale von täglich 9 EUR geltend machen. In der Summe folglich 45 EUR (5 Tage zu je 9 EUR). |
Typischerweise keine Pauschale für Kraftfahrer des Nahverkehrs
Der Abzug der Pauschale setzt voraus, dass eine Übernachtung im Fahrzeug erfolgt. Deshalb lässt sich die Pauschale nicht anwenden, wenn für die Übernachtung ein Hotel oder eine Pension genutzt wird. In diesem Fall lassen sich aber die Kosten für das Hotel bzw. die Pension absetzen. Aus gleichen Gründen gilt die Tagespauschale regelmäßig nicht für Kraftfahrer des Nahverkehrs. Denn diese Fahrer übernachten typischerweise nicht in dem Fahrzeug. Das gilt auch dann, wenn die Fahrt am Abend um 20:00 Uhr beginnt und am nächsten Tag um 05:00 Uhr endet und keine Übernachtung im Fahrzeug erfolgt sein sollte.
Wahlrecht zwischen Pauschale und Einzelnachweis
Berufskraftfahrer müssen nicht zwingend die Tagespauschale anwenden. Sie können alternativ zur Pauschale auch wie bisher den (aufwendigen) Einzelnachweis führen und die tatsächlich entstandenen Aufwendungen anhand der einzelnen Belege nachweisen und geltend machen. Lukrativ ist dieses Vorgehen natürlich nur dann, wenn die einzelnen Aufwendungen bezogen auf das Kalenderjahr die insgesamt zu berücksichtigende Tagespauschale übersteigen sollte. Denn die Entscheidung, ob der Einzelnachweis geführt oder die Tagespauschale geltend gemacht wird, ist einheitlich für das gesamte Jahr zu treffen. Es kann also nicht innerhalb eines Jahres von Fahrt zu Fahrt zwischen dem Einzelnachweis und der Tagespauschale gewechselt werden.
Praxistipp
Wurden die tatsächlichen Aufwendungen für einen repräsentativen Zeitraum von drei Monaten auf Grundlage des BMF-Schreibens vom 4.12.2012 ermittelt und dieser Betrag übersteigt die Pauschale von 9 EUR (bis 2023: 8 EUR)? In diesem Fall ist natürlich weiterhin der repräsentativ ermittelte Betrag abzugsfähig. Das BMF-Schreiben hat noch Gültigkeit und wurde nicht aufgehoben.
Tagespauschale zusätzlich zum Verpflegungsmehraufwand
Mit dem Abzug der Tagespauschale endet das Steuersparpotenzial für Berufskraftfahrer nicht. Denn neben der Pauschale können wie bisher auch Verpflegungsmehraufwendungen geltend gemacht werden (§ 9 Abs. 4a EStG). Beide Pauschalen schließen sich nicht gegenseitig aus und werden nicht aufeinander angerechnet. Berufskraftfahrer können also doppelt profitieren. Einerseits von der Tagespauschale über 9 EUR (bis 2023: 8 EUR), andererseits von den Verpflegungsmehraufwendungen. Diese betragen derzeit:
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14 EUR bei beruflicher Abwesenheit von der Wohnung und der ersten Tätigkeitsstätte über 8 Stunden
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14 EUR für den An- und Abreisetag, wenn an diesem, einem anschließenden oder vorhergehenden Tag eine Übernachtung außerhalb der Wohnung erfolgt
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28 EUR für Tage mit einer beruflich veranlassten Abwesenheit von der Wohnung und der ersten Tätigkeitsstätte von 24 Stunden
Die Besonderheit: Diese Pauschalen sind nicht an eine Übernachtung in dem Fahrzeug gebunden. Sie können auch für Fahrten im Nahverkehr ohne Übernachtung geltend gemacht werden, ebenso für Fahrten im Fernverkehr, wenn für die Übernachtung ein Hotel oder eine Pension genutzt wird.
Beispiel 3 |
Wie Beispiel 2. Fernfahrer Müller startet am 9.12.2024 gegen 20:00 Uhr seine Tour. Er kommt am 13.12.2024 früh morgens gegen 05:00 Uhr wieder zu Hause an. Er übernachtet an den einzelnen Tagen in der Schlafkabine des Lkw. Lösung: Neben der Tagespauschale von 45 EUR (siehe Beispiel 2) kann Müller noch 112 EUR an Verpflegungsmehraufwendungen geltend machen (je 14 EUR für den An- und Abreisetag sowie 3 × 28 EUR für die Tage dazwischen). |
Steuerfreie Arbeitgeberleistungen einfordern
Wie bei den Verpflegungsmehraufwendungen kann der Arbeitgeber des Berufskraftfahrers die Tagespauschale von 9 EUR (bis 2023: 8 EUR) gemäß § 3 Nr. 16 EStG steuerfrei erstatten. Gleiches gilt natürlich auch dann, wenn der Berufskraftfahrer einen Einzelnachweis der Aufwendungen führen sollte. Ob sich der Arbeitgeber jedoch zu einer Erstattung bereit erklärt, liegt an ihm. Er ist nicht dazu verpflichtet, die „Spesen“ steuerfrei zu erstatten, hat allerdings die Möglichkeit dazu. Lediglich wenn im Tarif- oder Arbeitsvertrag eine entsprechende Erstattung vereinbart wurde, muss der Arbeitgeber diese auch leisten.
Da eine steuerfreie Arbeitgebererstattung den Werbungskostenabzug gemäß § 3c Abs. 1 EStG ausschließt, können Berufskraftfahrer von dem Werbungskostenabzug nur ohne Arbeitgebererstattung profitieren. Steuerfreie Arbeitgebererstattungen sind finanziell gesehen jedoch immer lukrativer als ein Werbungskostenabzug. Während der Berufskraftfahrer bei einer Erstattung durch den Arbeitgeber mangels Abzügen durch Steuern und Sozialabgaben 100 % der Erstattung „bar auf die Hand“ erhält, steuert das Finanzamt bei einem Abzug als Werbungskosten maximal den Werbungskostenbetrag multipliziert mit dem persönlichen Spitzensteuersatz des Berufskraftfahrers bei. Dadurch beträgt die effektive Entlastung regelmäßig lediglich nur 25 bis 40 % der Aufwendungen.
Beispiel 4 |
Wie Beispiel 3. Fernfahrer Müller startet am 9.12.2024 gegen 20:00 Uhr seine Tour. Er kommt am 13.12.2024 früh morgens gegen 05:00 Uhr wieder zu Hause an. Er übernachtet an den einzelnen Tagen in der Schlafkabine des Lkw. Lösung: Der Arbeitgeber von Müller kann ihm sowohl die Tagespauschale von 45 EUR als auch die Verpflegungsmehraufwendungen von 112 EUR in voller Höhe steuer- und beitragsfrei erstatten. Müller kann im Gegenzug keine Werbungskosten mehr geltend machen. Sollte der Arbeitgeber nur einen Teil der Pauschale erstatten, z. B. statt täglich 9 EUR nur 5 EUR, dann kann Müller den Differenzbetrag über täglich 4 EUR natürlich weiterhin geltend machen. |
Beachten Sie | Stehen Gehaltsverhandlungen an? Dann sollten Berufskraftfahrer ihre Arbeitgeber davon überzeugen, anstelle einer regulären Gehaltserhöhung die Tagespauschale zu leisten. Mangels Steuer- und Sozialversicherungspflicht kommt dann beim Berufskraftfahrer mehr Netto als bei einer normalen Gehaltserhöhung an und auch der Arbeitgeber spart sich die Arbeitgeberanteile zu den Sozialversicherungen. Eine „Win-win-Situation“ für beide Parteien.
Selbstständige Berufskraftfahrer profitieren ebenfalls
Auch selbstständige Berufskraftfahrer profitieren von der Tagespauschale. Denn gemäß § 4 Abs. 10 EStG ist die für angestellte Berufskraftfahrer in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5b EStG geltende Tagespauschale sinngemäß anzuwenden. Allerdings ist es bei selbstständigen Berufskraftfahrern nicht möglich, dass der Arbeitgeber die Tagespauschale steuer- und beitragsfrei erstattet. Denn selbstständige Berufskraftfahrer haben keinen Arbeitgeber und auch der jeweilige Auftraggeber kann insoweit nicht als Arbeitgeber angesehen werden.
Allerdings hat die Tagespauschale für selbstständige Berufskraftfahrer auch einen Nachteil. Denn typischerweise führen selbstständige Berufskraftfahrer umsatzsteuerpflichtige Umsätze aus und sind nach Maßgabe des § 15 UStG zum Vorsteuerabzug berechtigt. Aus der Tagespauschale kann jedoch kein Vorsteuerabzug geltend gemacht werden. Möchten selbstständige Berufskraftfahrer dennoch vom Vorsteuerabzug profitieren, müssen sie wie bisher jede einzelne Quittung aufbewahren.
Praxistipp
Fallen die tatsächlichen Aufwendungen geringer als die Tagespauschale aus? In diesem Fall sollte innerhalb der Gewinnermittlung die Tagespauschale abgesetzt und für den Vorsteuerabzug auf die tatsächlichen Aufwendungen zurückgegriffen werden. Denn Sie sind nicht an ein einheitliches Verfahren gebunden.