In Steuer-Tipps für ALLE

Immer häufiger stuft das Finanzamt eine entgeltliche Nachbarschaftshilfe entweder als selbstständige Tätigkeit im Rahmen einer Betreuung oder als sonstige Einkünfte ein und besteuert die erhaltenen Zahlungen beim Empfänger. Doch in einer Vielzahl von Fällen dürfte die Besteuerung zu Unrecht erfolgen. Hier einige Argumente, mit denen Sie Ihren Mandanten vor der unrechtmäßigen Besteuerung schützen können. |

Typischer Fall aus der Praxis

Eine betagte Nachbarin hat kein gutes Verhältnis zu ihrer Verwandtschaft und nimmt die Hilfe eines hilfsbereiten Nachbarn an. Er kümmert sich für die Nachbarin um Einkäufe, Gartenarbeiten, um Finanzielles und um Dinge des Alltags. Der Nachbar bekommt eine Vorsorgevollmacht und Vollmachten für ihre Konten. Als die Nachbarin in ein Pflegeheim zieht, besucht der Nachbar sie zwei- bis dreimal pro Woche und kümmert sich nach wie vor um ihre Finanzen. Irgendwann vereinbaren die beiden, dass der Nachbar für seine Hilfeleistungen in den letzten zehn Jahren einen Betrag von 5.000 EUR bekommen soll.

Variante a: Der Nachbar ist ehrlich, meldet sich beim Finanzamt und hakt nach, ob er diese 5.000 EUR versteuern muss und wenn ja, nach welcher Vorschrift.

Variante b: Die Verwandtschaft der Nachbarin erfährt von der Geldzahlung und wendet sich an das für den Nachbarn zuständige Finanzamt.

Finanzamt mit zwei Besteuerungsvarianten

Für viele Sachbearbeiter in den Finanzämtern ist die Sachlage klar. Hier liegen einkommensteuerpflichtige Einnahmen vor, schließlich hat der Nachbar dafür ja Leistungen erbracht. Bei der Einordnung der Einnahmen in eine Einkunftsart kommen in der Regel zwei Einkunftsarten zum Tragen:

* Einkünfte aus sonstiger selbstständiger Tätigkeit: Die Tätigkeit des Nachbarn wird der Tätigkeit eines Berufsbetreuers gleichgestellt. Die Einkünfte aus dieser Betreuungstätigkeit werden danach im Sinne von § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG besteuert.

* Sonstige Einkünfte: Der letzte Rettungsanker für den Sachbearbeiter ist die Besteuerung der Einkünfte aus der Nachbarschaftshilfe als sonstige Einkünfte nach § 22 Nr. 3 EStG.

Praxistipp | Doch gegen die Einstufung von Einnahmen aus einer Nachbarschaftshilfe als steuerpflichtige Einkünfte, gibt es gute Argumente. Zu finden sind diese zwischen den Zeilen eines Urteils des Finanzgerichts Niedersachsen vom 26.6.2019 (FG Niedersachsen 26.6.19, 9 K 101/18).

Argumentation gegen sonstige selbstständige Tätigkeit

Der Staat nimmt bei der Einkommensteuer am Erfolg individuellen Erwerbsstrebens durch Nutzung einer den Zugang zum Markt verschaffenden Erwerbsgrundlage teil. Bei einer Nachbarschaftshilfe für nur einen einzigen Nachbarn kann ein solches individuelles Erwerbsstreben des Klägers durch Nutzung einer dem Zugang zum Markt verschaffenden Erwerbsgrundlage nicht unterstellt werden. Die Einstufung des Nachbarn als Betreuer erfolgt zu Unrecht. Denn erfasst werden nach § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG grundsätzlich nur die vom Betreuungsrecht gemäß § 1896 BGB bestellten Berufsbetreuer (siehe auch BFH 15.6.10, VIII R 10/09).

Argumentation gegen sonstige Einkünfte

Vom Bereich der steuerbaren sonstigen Leistung sind die Fälle zu unterscheiden, in denen tatsächlich keine erwerbswirtschaftlichen Zwecke des Nachbarn, sondern private Motive für das Verhalten des Nachbarn entscheidend sind. Nachbarschaftliche Hilfeleistungen, die im Rahmen der Pflege und Betreuung einer älteren Person erbracht werden und damit verbundene Einnahmen, sind nach Ansicht der Richter des Finanzgerichts Niedersachsen der Privatsphäre zuzuordnen.

Bei höheren Zahlungen – an Schenkungsteuer denken

Als letzten Trumpf könnte das Finanzamt nun noch die Besteuerung der erhaltenen Zuwendung als schenkungsteuerpflichtigen Vorgang ausspielen (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Hier ist jedoch zu beachten, dass Zuwendungen bis zu 20.000 EUR aufgrund des persönlichen Schenkungsteuerfreibetrags unbesteuert bleiben.

Fundstellen
* FG Niedersachsen, 26.6.19, 9 K 101/18, BFH 15.6.10, VIII R 10/09