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Ein Vergleichsbetrag, der von der Bank nach Widerruf der dem Kreditverhältnis zugrunde liegenden Willenserklärung des Darlehensnehmers als Ersatz für Nutzungsvorteile geleistet wird, die die Bank aus laufenden Zins- und Tilgungszahlungen gezogen hat (Nutzungsersatz), führt zu ­Kapitaleinkünften. |

Sachverhalt

Streitig war die Steuerpflicht einer Vergleichszahlung im Streitjahr 2017 im Anschluss an den Widerruf eines Darlehensverhältnisses durch die Steuer­pflichtigen. Die Steuerpflichtigen hatten 2005 einen Darlehensvertrag zur Finanzierung der von ihnen bewohnten Immobilie mit der Bank über 208.000 EUR abgeschlossen. Der vereinbarte Zinssatz betrug 4,1 % bei 3 % Tilgungsrate. Vereinbart war eine Zinsbindung von 20 Jahren. Die Auszahlung des Darlehens erfolgte im September. Die Steuerpflichtigen ihrerseits leisteten im Anschluss die monatlich vereinbarten Raten- und Zinszahlungen sowie darüber hinaus einige Sonderzahlungen.

2015 kündigten die Steuerpflichtigen das Darlehensverhältnis gegenüber der Bank. Zudem widerriefen sie ihre Willenserklärung zum Abschluss des Darlehensvertrags, da die Widerrufsbelehrung seitens der Bank nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprach.

Mit der Steuererklärung und anschließendem Einspruch wandten sich die Steuerpflichtigen gegen die ihrer Ansicht nach zu Unrecht von der Bank einbehaltene Kapitalertragsteuer.

Entscheidung

Auch das FG entschied, dass der Vergleichsbetrag, der von der Bank als Ersatz für die Nutzungsvorteile aus Zins- und Tilgungsleistungen geleistet wird, der Einkommensteuer unterliegt.

Erläuterung

Kapitalforderung i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 EStG ist jede auf Geldleistung gerichtete Forderung ohne Rücksicht auf die Dauer der Kapitalüberlassung oder den Rechtsgrund des Anspruchs. Erforderlich ist lediglich die Überlassung von privatem Geldvermögen an Dritte. Aus dem Gesetzeswortlaut „zugesagt oder geleistet“ ergibt sich zudem, dass es entgegen der Auffassung der Steuerpflichtigen unerheblich ist, ob ein Entgelt für die Nutzung der Kapitalforderung vereinbart wurde.

Vielmehr folgt aus der in § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 EStG verwendeten Formulierung „sonstige Kapitalforderungen“ und dem ergänzenden Zusatz „jeder Art“, dass der Begriff der Kapitalforderung weit zu fassen ist und es sich insbesondere nicht um eine üblicherweise am Kapitalmarkt handelbare Forderung handeln muss. Steuerbar sind deshalb – unabhängig von der Bezeichnung des Rechtsgeschäfts oder der Erträge durch die Beteiligten – alle Vermögensmehrungen, die bei wirtschaftlicher Betrachtung ein Entgelt für die Kapitalnutzung darstellen.

Vor diesem Hintergrund sind auch Entgelte für die unfreiwillige Vorenthaltung von Kapital als Kapitalerträge i. S. v. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG zu erfassen. Denn auch Verzugszinsen stellen aus ertragsteuerlicher Sicht keinen Schadenersatz für die Verletzung privater Güter dar, sondern sind Entgelt für die unfreiwillige Vorenthaltung des dem Steuerpflichtigen zustehenden Kapitals. Sogar eine vom Schuldner erzwungene Kapitalüberlassung kann zu Einnahmen aus Kapitalvermögen führen.

Wenn danach sogar eine vom Steuerpflichtigen erzwungene Kapitalüberlassung zu gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG steuerpflichtigen Einnahmen aus Kapitalvermögen führen kann, muss dies nach Auffassung des FG auch bei einer infolge eines (Rückgewähr-)Schuldverhältnisses erzwungenen Kapitalüberlassung möglich sein, zumal in Fällen erzwungener Kapitalüberlassung keine Anlage des Kapitals mit Überschusserzielungsabsicht erforderlich ist. Denn es kommt bei einer erzwungenen Kapitalüberlassung nur auf den objektiven Tatbestand einer Steigerung der Leistungsfähigkeit an, sodass eine Einkünfteerzielungsabsicht des Steuerpflichtigen unbeachtlich ist.

Der Einkommensteuerbarkeit steht auch die Regelung in § 12 Nr. 3 EStG nicht entgegen. Die Vorschrift kann bereits deshalb nicht zur Begründung der Steuerfreiheit von Zinseinnahmen bzw. der im Streitfall streitbefangenen Nutzungserstattung herangezogen werden, weil die Regelung nach Wortlaut und systematischer Stellung den Abzug von Ausgaben regelt, ohne die Einnahmeseite anzusprechen.

Eine Aufteilung der Vergleichssumme in einen steuerpflichtigen Nutzungsersatz und eine nichtsteuerbare Rückzahlung überhöhter Zinsen scheidet ebenfalls aus, sofern wie im Streitfall in dem Zivilrechtsstreit ausschließlich Nutzungsersatz eingeklagt wurde und nicht auch die Rückgewähr von Zinszahlungen.

Fundstelle
FG Köln 15.12.20, 5 K 2552/19, Rev. BFH VIII R 7/21