In Steuer-Tipps für ALLE

Der BFH hatte sich jüngst in einer Reihe von Entscheidungen mit verschiedenen Regelungen zum Kindergeld zu beschäftigen.
Das FG Münster hat bereits zum Wegfall der Einkommensgrenze ab 2012 geurteilt.
Nachfolgend haben wir für Sie die wichtigsten Entscheidungen zusammengetragen.
Abzweigung: BFH 27.9.12, III R 2/11,
BFH 5.9.12, V S 6/12

Promotion: BFH 27.9.12, III R 13/12,
Belgien: BFH 27.9.12, III R 40/09, beim EuGH unter C-4/13,
Niederlande: FG Düsseldorf 20.1.10, 7 K 2493/08 Kg, Revision unter XI R 47/10
Selbststudium: BFH 9.11.12, III B 98/12; 18.3.09, III R 26/06, BStBl II 10, 296; 2.4.09, III R 85/08, BStBl II 10, 298
Abkommenskindergeld: BFH 27.9.12, III R 55/10, FG Münster 30.11.12, 4 K 1569/12 Kg
Verheiratete Kinder: Mangelfall: BFH 17.6.10, III R 34/09, BStBl II 10, 982; 27.1.11, III R 57/10, BFH/NV 11, 1316; 22.12.11, III R 64/10, BFH/NV 12, 927; III R 65/10, BFH/NV 12, 929; III R 67/10, BFH/NV 12, 930; III R 93/10, BFH/NV 12, 932; III R 66/10, BFH/NV 12, 1301

Erste Entscheidung des BFH zur möglichen Abzweigung des Kinderbonus an den Sozialleistungsträger
Nach § 74 Abs. 1 EStG kann das festgesetzte Kindergeld an den Nachwuchs selbst ausgezahlt werden, wenn Eltern den Kindern gegenüber ihrer gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht nachkommen. Dies gilt auch, wenn sie mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig sind oder nur Unterhalt in geringerer Höhe als das Kindergeld zu leisten brauchen. Kindergeld kann auch an die Person oder Stelle abgezweigt werden, die Unterhalt gewährt. Der Kinderbonus gehört dazu.
Im Urteilsfall leistete die Sozialagentur für den geistig behinderten, in einer Betreuungseinrichtung lebenden Sohn Eingliederungshilfe. Die Familienkasse setzte gegenüber der Mutter Kindergeld fest, das an die Sozial-agentur überwiesen wurde. Ein Einmalbetrag von 100 EUR wurde als Kinderbonus an die Mutter ausgezahlt.
Der gewährte Einmalbetrag nach § 66 Abs. 1 Satz 2 EStG von 100 EUR, der sogenannte Kinderbonus, kann nicht an den Sozialleistungsträger abgezweigt werden, so das Urteil des BFH. Die Abzweigung an die Sozialagentur scheidet bereits deshalb aus, weil der Anspruch der Mutter erfüllt ist. Die Auszahlung von Kindergeld an einen Dritten gehört zum Auszahlungsverfahren und betrifft die Empfangsberechtigung.
Damit kann Kindergeld, das bereits an einen Elternteil ausgezahlt worden ist, nicht mehr an den Sozialleistungsträger abgezweigt werden. Das gilt auch für den Einmalbetrag. Der Kinderbonus sollte einkommensschwache Familien unterstützen. Demzufolge ist der Einmalbetrag bei Sozialleistungen, deren Zahlung von anderen Einkommen abhängig ist, nicht als Einkommen zu berücksichtigen. Eine Abzweigung widerspräche dem Gesetzeszweck und wäre nicht ermessensgerecht.
Zweite interessante Entscheidung des BFH zum Kindergeld bei Promotionsstudium im Ausland
Erhält ein Kind bei einem Promotionsstudium in Großbritannien von der ausländischen Universität ein Stipendium, das zu britischen Einkünften führt, ist bei der Berechnung der maßgeblichen Einkünfte und Bezüge des Kindes vor 2012 nur der Saldo aus Einnahmen und den damit in Zusammenhang stehenden Werbungskosten oder Betriebsausgaben bei den Bezügen anzusetzen.
Sofern die Kosten in keinem Zusammenhang mit Inlandseinkünften stehen, können sie als vorweggenommene Werbungskosten oder Betriebsausgaben abgezogen werden, wenn dieser Werbungskostenüberschuss mit einer künftigen Berufstätigkeit des Kindes im Inland in Beziehung steht.
Stehen Kosten aber weder mit gegenwärtigen noch künftigen Einkünften im Zusammenhang, ist das Stipendium insoweit bei den Bezügen unberücksichtigt zu lassen, soweit es für besondere Ausbildungszwecke bestimmt ist. Zudem mindern die Aufwendungen die Einkünfte und Bezüge insoweit, als sie als Werbungskosten zu berücksichtigen wären, wenn sie im Rahmen eines Ausbildungsdienstverhältnisses angefallen wären.
Rechtsfragen an den EuGH zur Anwendung bei ausländischen Familienleistungen
Der BFH hat dem EuGH drei Rechtsfragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
# Steht es im Ermessen des zuständigen Trägers des Beschäftigungsmitgliedstaats zur Leistungsgewährung, wenn im Wohnsitzland der Familienangehörigen kein Antrag gestellt wird?
# Sofern das der Fall sein sollte, aufgrund welcher Ermessenserwägun-gen kann der für Familienleistungen zuständige Träger des Beschäftigungsstaats von der Annahme ausgehen, dass Leistungen im Wohnsitzstaat der Familienangehörigen gewährt würden?
# Inwieweit unterliegt diese Ermessensentscheidung und somit der Sozialleistungsträger einer gerichtlichen Kontrolle?
In dem zugrunde liegenden Sachverhalt geht es um einen Arbeitnehmer mit Familie in Belgien.
Fraglich ist die Anrechnung belgischer Familienleistungen und wie ein jenseits der Grenze nicht gestellter Antrag auf Leistungsgewährung bewertet wird. Die Fragen drehen sich um das Problem der Konkurrenz von Kindergeldansprüchen in verschiedenen EU-Mitgliedstaaten.
Hierzu ist neben den beim EuGH anhängigen Vorabfragen noch eine weitere Revision der Verwaltung anhängig, die das Kindergeld in den Niederlanden betrifft. Einsprüche bei grenzüberschreitenden Familienleistungen ruhen daher per Gesetz.
Interessante Entscheidungen des BFH hinsichtlich der Anforderungen an eine Schulausbildung im Selbstunterricht
Zum Verständnis der Materie sei kurz erklärt, was ein Abitur für Nichtschüler ist. Das sogenannte „Begabtenabitur“ oder „Nichtschülerabitur“, ist eine ohne vorangegangenen Besuch einer gymnasialen Oberstufe zu bestehende Abiturprüfung, die zum Hochschulbesuch berechtigt.
Anders als bei einer Sonderanerkennung von Fachschulabschlüssen, Kollegs, abgelegten Meisterprüfungen u.Ä., wird diese Hochschulreife nicht nur für einzelne Fächer, sondern für das gesamte Spektrum der Hochschuldisziplinen erteilt.
Meldet sich ein Kind zu einer Abiturprüfung für Nichtschüler an und be-steht es nach einmaligem Scheitern die Wiederholungsprüfung, ist diese Schulausbildung anzuerkennen, wenn der Schüler in eine schulische Mindestorganisation eingebunden ist, die eine gewisse Lernkontrolle ermöglicht. Ebenso liegt die Schulausbildung bei Ernsthaftigkeit der im Selbststudium vorgenommenen Prüfungs-vorbereitungen vor.
Anders sieht es allerdings aus, wenn ein türkischer Abiturient die Ausbildung an der Universität abbricht. Die bloße Bezahlung der Schulgebühr und die an sechs Tagen stattgefundene Teilnahme an Prüfungen reicht nicht für den Nachweis der Ernsthaftigkeit der Prüfungsvorbereitung aus.
Grundsätzlich bleibt der BFH aber bei dem Rechtssatz, dass die Vorbereitung auf das Abitur im Selbststudium zumindest ab dem Monat der Anmeldung zur Prüfung als Berufsausbildung anzuerkennen ist.
BFH urteilt zu Abkommenskindergeld für türkischstämmigen Arbeitnehmer
Ist ein deutscher Arbeitnehmer türkischer Abstammung im Inland beschäftigt und hat er hier auch seinen Wohnsitz, kann er für seine in der Türkei lebenden Kinder kein Kindergeld aufgrund des Abkommens mit der Türkei über Soziale Sicherheit beanspruchen.
Nach §§ 62 und „63 EStG steht Kindergeld nur für den Nachwuchs zu, der entweder im Inland, in einem Mitgliedstaat der EU oder im EWR-Raum einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Die Türkei zählt aber nicht dazu.
Für in Deutschland sich gewöhnlich aufhaltende und dort auch als Arbeitnehmer Beschäftigte gilt das EStG. Das gilt ohnehin kraft des Territorialitätsprinzips für deutsche Staatsangehörige, die sich in Deutschland aufhalten. Sie sind demnach Inländer und werden nicht bei der Anwendung deutscher Rechtsvorschriften einem Inländer gleichgestellt, was vom Abkommen über Soziale Sicherheit allein bezweckt wird.
Und was ist mit dem Einkommen des Ehegatten?
Die eigenen Einkünfte und Bezüge des Ehegatten eines volljährigen verheirateten Kindes sind nach Wegfall des Grenzbetrags ab 2012 nicht mehr maßgeblich. Das FG Münster bekräftigt, dass die Frage nach einem sogenannten Mangelfall unerheblich ist, weil dies beim verheirateten volljährigen Nachwuchs dem Kindergeldanspruch nicht entgegensteht.
Insoweit ist weder die Höhe der eigenen Ausbildungsvergütung noch der Unterhaltsanspruch gegen den Ehemann maßgebend, der bis 2011 zu den Einkünften und Bezügen gehörte. Die Änderung ab 2012 sieht für verheiratete Kinder keine Einschränkungen vor. Grundsätzlich setzt der Kindergeldanspruch keine typische Unterhaltssituation voraus.
Praxishinweis:
Nach der ehemaligen BFH-Rechtsprechung entfiel ein Kindergeldanspruch, wenn der Sprössling über 18 und verheiratet war, kein Mangelfall vorlag oder er einer Vollzeitbeschäftigung nachging. Die Anforderung des Tatbestandsmerkmals einer typischen Unterhaltssituation wurde nach neuerer Rechtsprechung bei Vollzeitbeschäftigung ausdrücklich aufgegeben.
Hiernach ist die Frage, ob ein Kind typischerweise nicht auf Unterhaltsleistungen seiner Eltern angewiesen ist, erst im Rahmen der eigenen Einkünfte und Bezüge des Kindes zu prüfen. Gerade dies ist jetzt entfallen.