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Wer Leiharbeitnehmer beschäftigt, trägt ein großes Haftungsrisiko. Zahlt der Verleiher nicht die korrekte Höhe der für die Leiharbeitnehmer anfallenden Sozialabgaben, kann der Entleiher dafür gemäß § 28e Abs. 2 SGB IV haftbar gemacht und in Anspruch genommen werden. Ist dies der Fall, drohen regelmäßig fünf- bis sechsstellige Haftungsbeträge.

Grundsatz: Verleiher trägt Sozialabgaben

Werden Leiharbeitnehmer beschäftigt, so hat der Entleiher regelmäßig das mit dem Verleiher vereinbarte Entgelt für die geleisteten Arbeitsstunden an den Verleiher zu entrichten. Damit sind seine Zahlungspflichten erfüllt. Denn die Leiharbeitnehmer stehen nicht zum Entleiher, sondern zum Verleiher in einem Arbeitsverhältnis. Deshalb ist der Verleiher verpflichtet, von dem von ihm an die Leiharbeitnehmer gezahlten Arbeitsentgelte die entsprechenden Sozialabgaben zu berechnen und diese (Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteil) an die zuständigen Einzugsstellen abzuführen (§ 28e Abs. 1 S. 1 SGB IV).

Mangelnde Solvenz des Verleihers: Haftung des Entleihers

Kommt der Verleiher dieser Zahlungspflicht nicht nach, haftet bei einem wirksamen Leiharbeitsvertrag der Entleiher gemäß § 28e Abs. 2 SGB IV wie ein selbstschuldnerischer Bürge. Die Haftung umfasst dabei
* die Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge zu den Sozialabgaben (Kranken-, Pflege, Arbeitslosen-, Renten und Unfallversicherung inkl. Säumniszuschläge)
* welche auf die ihm überlassenen Leiharbeitnehmer entfallen
* und in der Zeit der vergüteten Leiharbeit bei ihm angefallen sind.

Es wird nicht für sämtliche Beitragsschulden des Verleihers gehaftet, sondern nur, soweit diese auf die Tätigkeit der Leiharbeitnehmer beim Entleiher entfallen. Der Einzug der Beiträge zur Unfallversicherung erfolgt durch die Berufsgenossenschaft, die übrigen Beiträge werden zentral von den Krankenversicherungen gefordert.

Praxistipp
Der Entleiher kann eine von der Sozialversicherung geltend gemachte Zahlungspflicht verweigern, solange der Verleiher nicht zur Zahlung gemahnt und die Mahnfrist abgelaufen ist. Wendet sich die Einzugsstelle an den Entleiher, sollte also zunächst nachgefragt werden, ob der Verleiher gemahnt und ob die Mahnfrist bereits abgelaufen ist (§ 28e Abs. 2 S. 2 SGB IV). Einer Mahnung bedarf es lediglich dann nicht, wenn der Verleiher wegen Vermögenslosigkeit aus dem Handelsregister gelöscht wurde (Bay. LSG 27.4.20 – L 5 KR 584/19 B ER).

Haftung kann teuer werden

Kommt es zur Haftung des Entleihers, so werden regelmäßig Zahlungen im fünf- oder sechsstelligen Bereich fällig. Denn der Anspruch der Sozialversicherungen verjährt gemäß § 25 Abs. 1 S. 1 SGB IV regelmäßig erst in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Das heißt, im Haftungsfall wird die Sozialversicherung typischerweise die Beiträge der letzten vier Jahre überprüfen und ausstehende Zahlungen vom Entleiher fordern.

Das Risiko ist also insbesondere bei einer Insolvenz des Verleihers hoch. Denn typischerweise hat dieser in den Monaten vor Insolvenzeröffnung zumindest keine Arbeitgeberanteile mehr abgeführt. Bei beispielsweise zehn beschäftigten Leiharbeitnehmern mit einem Bruttoarbeitslohn von 2.500 EUR beläuft sich allein das monatliche Haftungsrisiko bereits auf 10.000 EUR (10 × 2.500 EUR = 25.000 EUR × 40 % Sozialabgaben Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteil). Daneben besteht das Risiko, dass der Verleiher zwar vielleicht Zahlungen geleistet hat, diese aber nach den Vorschriften der Insolvenzordnung anfechtbar sind. Der Insolvenzverwalter kann die Zahlungen also von den Sozialversicherungen zurückfordern. Diese treten dann an den Entleiher heran und machen die Haftung geltend. Denn die Anmeldung der Sozialversicherungsforderungen im Insolvenzverfahren führt regelmäßig nicht zu einer vollständigen Befriedigung der Ansprüche. Der Entleiher muss die Ansprüche also sofort in voller Höhe begleichen und kann selbst versuchen, über das Insolvenzverfahren einen Teil davon zurückzuerhalten.

Beachten Sie | Die Haftung kann auch zum Tragen kommen, wenn der Verleiher seine Mitarbeiter zu niedrig entlohnt, weil er davon ausging, dass durch einen Tarifvertrag der „equal pay“-Grundsatz wirksam abbedungen wurde (sog. „CGZP-Fälle“). Die Haftung erstreckt sich dann auf die Sozialabgaben der Differenzlöhne.

Gegen Haftungsinanspruchnahmen vorgehen

Wurde der Entleiher in Haftung genommen, kann dieser dagegen vorgehen. Gegen den Beitragsbescheid kann Widerspruch erhoben werden. Führt dieser nicht zum Erfolg, kann das Sozialgericht angerufen werden. In der Praxis empfiehlt es sich daher, den Beitragsbescheid konkret zu prüfen. Insbesondere sollte sichergestellt sein, dass die geltend gemachten Forderungen noch nicht verjährt sind. Die Leiharbeitnehmer, für welche die Zahlung gefordert wird, sollten tatsächlich in der maßgebenden Zeit im Betrieb des Entleihers eingesetzt worden sein (Rechnungen des Verleihers und Zeiterfassungen der Leiharbeitnehmer aufbewahren!). Zusätzlich sollte geprüft worden sein, ob der Berechnung der Beiträge das zutreffende Arbeitsentgelt zugrunde gelegt wurde.

Ziel der Entleiherhaftung

Die Haftung des Entleihers hat nicht das unmittelbare Ziel, die Einnahmen der Sozialversicherungsträger zu sichern. Ziel ist es auch, den Entleiher dazu zu bewegen, sich laufend über die Seriosität des Verleihers zu informieren. Dies soll auf den Verleiher gewissermaßen einen Zwang ausüben, seinen gesetzlichen Pflichten nachzukommen und daneben den sozialversicherungsrechtlichen Schutz der bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer gewährleisten.

Praxistipp
Das Haftungsrisiko kann ganz oder teilweise vermieden werden, wenn sich der Entleiher vom Verleiher eine Bankbürgschaft geben lässt. Aber Vorsicht: Damit die Bürgschaft auch wirksamen Schutz verspricht, muss diese unbefristet, unwiderruflich und selbstschuldnerisch sein. Zudem sollte die Bürgschaft einen Passus enthalten, dass sie auch gilt, wenn Beiträge infolge einer Insolvenzanfechtung gefordert werden.

Zudem kann zwischen Verleiher und Entleiher vereinbart werden, dass der Entleiher zunächst einen Teil der geschuldeten Vergütung als Sicherheit zurückbehält. Weiterhin sollte der Entleiher in jedem Fall vom Verleiher Unbedenklichkeitsbescheinigungen der Einzugsstellen fordern. Geht aus den Unterlagen hervor, dass den Verpflichtungen nicht, nicht regelmäßig oder nicht ordnungsgemäß nachgekommen wurde, sollte die Geschäftsbeziehung beendet werden.

Exkurs – unwirksamer Leiharbeitsvertrag

Ist der Leiharbeitsvertrag nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 1b AÜG unwirksam, weil

1. der Verleiher keine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung hat,
2. im Vertrag die Arbeitnehmerüberlassung nicht als solche bezeichnet und die Person des Leiharbeitnehmers nicht konkretisiert wurde oder
3. die Überlassungshöchstdauer (i. d. R. 18 Monate) überschritten wurde,

kommt es nicht zur Haftung. Denn in diesem Fall steht der vermeintliche Leiharbeitnehmer nicht in einem Arbeitsverhältnis zum vermeintlichen Verleiher, sondern in einem Arbeitsverhältnis zum Entleiher (§ 10 Abs. 1 AÜG).

Die Folge: Der Entleiher hat als Arbeitgeber sämtliche Sozialabgaben einzubehalten und an die zuständigen Stellen abzuführen. Eine Mahnfrist wie bei der erlaubten Arbeitnehmerüberlassung bedarf es nicht. Zahlt der vermeintliche Verleiher jedoch das vereinbarte Arbeitsentgelt (oder Teile davon) an die vermeintlichen Leiharbeitnehmer aus, so hat er auch den hierauf entfallenden Gesamtsozialversicherungsbeitrag an die Einzugsstelle zu entrichten. Insoweit gilt dann der vermeintliche Verleiher neben dem vermeintlichen Entleiher als Arbeitgeber und beide haften als Gesamtschuldner (§ 28e Abs. 2 S. 3, 4 SGB IV).

Praxistipp

Bei Verträgen über Leiharbeiter sollte der Entleiher zwingend prüfen, ob eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung vorliegt, der Vertrag als Arbeitnehmerüberlassung gekennzeichnet, die Person des Leiharbeitnehmers konkretisiert und die Überlassungshöchstdauer von regelmäßig 18 Monaten eingehalten wird. Anderenfalls besteht das Risiko, unfreiwillig Arbeitgeber des vermeintlichen Leiharbeitnehmers zu werden. Einzelne Ausnahmen und Besonderheiten hierzu befinden sich in § 9 Abs. 1 Nr. 1 bis 1b AÜG.