Das Bundesarbeitsgericht hat sich zum ersten Mal mit dem am 1.1.2015 in Kraft getretenen Mindestlohngesetz beschäftigt und entschieden, dass Arbeitgeber Sonderzahlungen (z. B. Urlaubs- und Weihnachtsgeld) unter gewissen Voraussetzungen auf den Mindestlohn anrechnen dürfen.
BAG, Urteil vom 25.5.2016, Az. 5 AZR 135/16; BAG PM Nr. 24/16 vom 25.5.2016; Mitteilung der Bundesregierung vom 28.6.2016: Mindestlohn soll auf 8,84 EURsteigen
Sachverhalt
Der arbeitsvertraglich vereinbarte Stundenlohn lag unter 8,50 EUR brutto pro Stunde. Zudem sah der Arbeitsvertrag zweimal jährlich einen halben Monatslohn als Sonderzahlung vor. Diese war nur abhängig von der Beschäftigung im jeweiligen Jahr.
Kurz vor Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes wurden die Modalitäten geändert. So hatte der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat vereinbart, die Sonderzahlungen auf alle zwölf Monate zu verteilen, d. h. jeden Monat ein Zwölftel auszuzahlen.
Mit dieser anteiligen Sonderzahlung ergab sich ein Stundenlohn von mehr als 8,50 EUR. Daneben waren Überstunden-, Sonn- und Feiertags- sowie Nachtzuschläge vorgesehen, die der Arbeitgeber jedoch weiterhin auf der Grundlage des vereinbarten Stundenlohns von weniger als 8,50 EUR berechnete.
Dagegen klagte eine Arbeitnehmerin. Sie war nämlich der Auffassung, dass ihr die Sonderzahlungen zusätzlich zum Stundenlohn von 8,50 EUR zustehen würden. Darüber hinaus seien die 8,50 EUR auch für die Berechnung der Zuschläge zugrunde zu legen.
Dieser Ansicht folgte das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg allerdings nur hinsichtlich der Nachtarbeitszuschläge – und zwar zu Recht, wie das Bundesarbeitsgericht entschied.
Nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts erfüllt der Arbeitgeber den Lohnanspruch seines Arbeitnehmers durch die im arbeitsvertraglichen Austauschverhältnis als Gegenleistung für Arbeit erbrachten Entgeltzahlungen, soweit diese dem Arbeitnehmer endgültig verbleiben. Den im Streitfall vorbehaltlos und unwiderruflich in jedem Kalendermonat zu 1/12 geleisteten Jahressonderzahlungen kommt Erfüllungswirkung zu.
Diese Erfüllungswirkung fehlt lediglich solchen Zahlungen, die der Arbeitgeber ohne Rücksicht auf die tatsächliche Arbeitsleistung seines Arbeitnehmers erbringt oder die auf einer besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung (beispielsweise bei der Nachtarbeit) beruhen.
Praxishinweis
Sonderzahlungen können somit – unter Voraussetzungen – auf den gesetzlichen Mindestlohn angerechnet werden. Dabei kommt es vor allem auf die Vereinbarungen an. Entscheidend für eine Anrechnung ist, dass die Zahlungen als Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung erfolgen.
Weiterführender Hinweis
Der gesetzliche Mindestlohn soll zum 1.1.2017 um 34 Cent auf dann 8,84 EUR pro Stunde steigen. Das hat die Mindestlohn-Kommission der Bundesregierung vorgeschlagen.