Das FG Berlin-Brandenburg hat entschieden, dass krankheitsbedingte Aufwendungen, die ein privat krankenversicherter Steuerpflichtiger selbst trägt, um im darauf folgenden Kalenderjahr Beitragsrückerstattungen zu erhalten, weder als außergewöhnliche Belastungen noch als Sonderausgaben steuerlich in Abzug gebracht werden können.
Fundstelle
FG Berlin-Brandenburg 19.4.17, 11 K 11327/16
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Sachverhalt
Im Streitfall machte der Steuerpflichtige selbst getragene Krankheitskosten in Höhe von rund 4.000 EUR als außergewöhnliche Belastungen geltend. Hierzu erklärte er, die Beitragsrückerstattung durch die Versicherung sei nur unter der Voraussetzung möglich gewesen, dass er die Kosten selbst trug. Die Aufwendungen seien deshalb im Streitjahr als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen.
Das FA vertrat hingegen die Auffassung, die Aufwendungen für Krankheitskosten seien dem Steuerpflichtigen nicht zwangsläufig erwachsen, da er auf einen Kostenersatz durch seine Krankenversicherung verzichtet habe.
Entscheidung
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.
Das FG stellte zunächst heraus, dass es sich bei den selbst getragenen Krankheitskosten nicht um Sonderausgaben handelt. Denn hierbei muss es sich um Beiträge „zu“ einer Krankenversicherung handeln. Dies bedeutet, dass nur solche Ausgaben als Beiträge zu Krankenversicherungen anzusehen sind, die zumindest im Zusammenhang mit der Erlangung des Versicherungsschutzes stehen und damit – als Vorsorgeaufwendungen – letztlich der Vorsorge dienen. Auf dieser Grundlage stellen etwa Zahlungen des Versicherten aufgrund von Selbst- bzw. Eigenbeteiligungen an entstehenden Kosten keine „Beiträge zu“ einer Versicherung dar.
Gleiches gilt nach Auffassung des FG auch für solche Aufwendungen, die der krankenversicherte Steuerpflichtige selbst trägt, um im darauf folgenden Kalenderjahr Beitragsrückerstattungen zu erhalten. Denn diese Zahlungen leistet der Versicherte gerade nicht zu dem Zweck, Versicherungsschutz zu erlangen.
Auch wenn die Zahlungen in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Höhe der Krankenversicherungsbeiträge stehen und im Ergebnis zu einer Minderung der als Sonderausgaben zu berücksichtigenden Vorsorgeaufwendungen führen können, sind Krankheitskosten nach der Grundentscheidung des Gesetzgebers den außergewöhnlichen Belastungen zuzuordnen. Jedoch sind die Aufwendungen nur unter den in § 33 EStG normierten Voraussetzungen berücksichtigungsfähig.
Im Streitfall scheiterte der Abzug der Aufwendungen des Steuerpflichtigen für Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastungen an der mangelnden Zwangsläufigkeit.
Zwangsläufigkeit i. S. von § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG setzt grundsätzlich auch voraus, dass der Steuerpflichtige etwaige Ersatzansprüche gegen Dritte erfolglos geltend gemacht hat. Nach Auffassung des FG ist der Verzicht auf Ersatzansprüche auch dann schädlich, wenn er aus nachvollziehbaren wirtschaftlichen Gründen erfolgt, etwa um – wie im Streitfall – eine Beitragsrückerstattung des Krankenversicherers zu erhalten.
Kann sich der Steuerpflichtige durch Rückgriff gegen seinen Versicherer schadlos halten, ist eine Abwälzung seiner Aufwendungen auf die Allgemeinheit nicht gerechtfertigt, sofern nicht ausnahmsweise Gründe erkennbar sind, die den Verzicht selbst als zwangsläufig oder die Geltendmachung des Erstattungsanspruchs als unzumutbar erscheinen lassen könnten. Aufwendungen sind nur dann zwangsläufig, wenn sich der Steuerpflichtige ihnen nicht entziehen kann. Dies ist aber nicht der Fall, wenn der Verzicht auf Erstattungsansprüche gegen einen Versicherer wirtschaftlich vernünftig ist. Die Erlangung von Beitragsrückerstattungen durch den Versicherer berührt daher das von § 33 EStG geschützte erhöhte Existenzminimum grundsätzlich nicht.
Praxishinweis
Das FG hat die Revision zugelassen, da die Frage, ob Krankheitskosten, die ein krankenversicherter Steuerpflichtiger selbst trägt, um eine Beitragsrückerstattung zu erlangen, zwangsläufig im Sinne des § 33 EStG anfallen, bislang – soweit ersichtlich – noch nicht höchstrichterlich entschieden ist. Das Urteil ist rechtskräftig.