Bei ästhetisch-plastischen Leistungen hängt es vom jeweiligen Einzelfall ab, ob der Eingriff aus rein ästhetischen Gründen erfolgte oder krankheitsbedingt, d.h. aus körperlichen oder psychischen Gründen veranlasst war. Der BFH hat nunmehr klargestellt, dass bei der Überprüfung dieser körperlichen oder psychischen Veranlassung auf das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient Rücksicht zu nehmen ist. Die richterliche Überzeugungsbildung hat auf der Grundlage anonymisierter Patientenunterlagen zu erfolgen.
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Sachverhalt
Die Klägerin betreibt eine Klinik, in der sie im Streitjahr 2002 durch approbierte Ärzte vorwiegend ästhetisch-chirurgische Maßnahmen wie Fettabsaugungen, Gesichts-, Hals- und Augenlid-Straffungen sowie Brustvergrößerungen, -verkleinerungen und -straffungen durchführte.
Sie ging davon aus, dass ihre Leistungen im Zusammenhang mit diesen Operationen nach § 4 Nr. 14 UStG steuerfrei seien.
Das FA ging dagegen von steuerpflichtigen Umsätzen aus. Der Klage gab das FG teilweise statt. Es ging auf der Grundlage eines gerichtlich bestellten Sachverständigen davon aus, dass von den insgesamt 129 Behandlungen lediglich 45 ästhetisch indiziert gewesen seien. Die übrigen Behandlungen seien jedoch physisch-medizinisch oder psycho-medizinisch indiziert gewesen und damit steuerfrei.
Entscheidung
Der BFH bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz. Er verweist zunächst auf die Rechtsprechung des EuGH zu den sog. Schönheitsoperationen. Danach fallen grundsätzlich auch ästhetische Operationen und ästhetische Behandlungen unter den Begriff „ärztliche Heilbehandlungen“ oder „Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin“, wenn diese Leistungen dazu dienen, Krankheiten oder Gesundheitsstörungen zu diagnostizieren, zu behandeln oder zu heilen.
Die Leistungen müssen „dazu dienen, Personen zu behandeln oder zu heilen, bei denen aufgrund einer Krankheit, Verletzung oder eines angeborenen körperlichen Mangels ein Eingriff ästhetischer Natur erforderlich ist“ (EuGH 21.3.13, C-91/12, PFC Clinic, DStR 13, 757). Diese Vorgaben des EuGH entsprechen im Wesentlichen der Rechtsprechung des BFH zu den sog. Schönheitsoperationen.
Im Bereich der ästhetisch-chirurgischen Maßnahmen kommt es daher auf eine Einzelprüfung an. Diese ist unter größtmöglicher Wahrung des zwischen Arzt und Patient bestehenden Vertrauensverhältnisses auf der Grundlage anonymisierter Patientenunterlagen vorzunehmen.
Das FG hat daher durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zutreffend Beweis erhoben.
Praxishinweis
Da das Gutachten des Sachverständigen auf der Grundlage anonymisierter Patientenunterlagen vorzunehmen ist, bedarf es keiner Einwilligungserklärung des Patienten nach § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB (unbefugte Geheimnisoffenbarung).
Der BFH hat klargestellt, dass den Steuerpflichtigen (Klinik oder Arzt) Mitwirkungspflichten treffen. Dieser hat insbesondere – auf anonymisierter Grundlage – detaillierte Angaben zu dem jeweiligen Behandlungsfall und den verfolgten therapeutischen Zielen zu machen.
Als steuerpflichtig werden von der Finanzverwaltung (OFD Frankfurt 7.2.13, DStR 13, 1134) folgende Leistungen angesehen, sofern sie kosmetischer Natur sind und kein therapeutisches Ziel im Vordergrund steht: Fettabsaugung, Faltenbehandlung, Brustvergrößerung, Brustverkleinerung, Lifting, Nasenkorrekturen, Hautverjüngung (Lasertherapie), Lippenaufspritzung, Botox-Behandlung, Permanent Make-up, Anti-Aging-Behandlung, Bleaching (Bleichen der Zähne) und Dentalkosmetik.
BFH 4.12.14, V R 33/12, BFH 4.12.14, V R 16/12, DStR 15, 420