Anleger müssen fiktive Gutschriften auf einem Konto bereits dann versteuern, wenn die Betrugsfirma zur Auszahlung bereit und in der Lage gewesen wäre.
Allerdings grenzt der BFH seine bisherige Rechtsprechung ein.
So kann aus der Ablehnung eines sofortigen Auszahlungswunschs und Verhandlungen über andere Zahlungsmodalitäten auf fehlende Liquidität geschlossen werden, sodass Scheinrenditen beim konkreten Verdacht auf ein betrügerisches Schneeballsystem nur noch dann zu versteuern sind, wenn sie den Beteiligten tatsächlich zufließen.
BFH 16.03.10, VIII R 4/07
BFH 28.10.08, VIII R 36/04, BStBl II 09, 190; 19.6.07, VIII R 63/03, BFH/NV 08, 194; 14.12.04, VIII R 81/03, BStBl II 05, 746
BVerfG 9.7.09, 2 BvR 2525/08
FinMin Rheinland-Pfalz, PM 29.7.10; PM 6.5.10
Mit diesem Urteil bekräftigt der BFH seine bisherige Rechtsprechung, wonach Erträge aus Schneeballsystemen auch dann zu erfassen sind, wenn es sich um stehen gelassene und wieder angelegte Scheinrenditen handelt. Kapitaleinkünfte – oder in früheren Jahren Spekulationsgewinne – liegen nämlich selbst dann vor, wenn ein Sparer aus dem Kapital anderer getäuschter Anleger oder aus seiner eigenen Einlage eine vorgetäuschte Rendite erhält. Für den Zufluss von steuerpflichtigen Erträgen ist allein entscheidend, ob im konkreten Einzelfall eine Auszahlung hätte erreicht werden können. Daher kommt es nicht darauf an, ob die Anlagefirma hypothetische Zahlungen an alle Anleger hätte leisten können.
Im zugrunde liegenden Fall bestanden angesichts des Schriftverkehrs Zweifel an der Leistungsbereitschaft des Schuldners, sodass die Anleger ihre gutgeschriebenen Scheinrenditen nicht mehr unbedingt hätten vereinnahmen können. Zu dieser Prüfung wurde die Sache an das FG zurückverwiesen.
Die strikte Rechtsprechung war bislang vom BVerfG nicht beanstandet worden. Erst im vergangenen Jahr war hierzu eine Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen worden. Grundsätzlich wird der steuerbare Bereich erst dann verlassen, wenn der Anleger den Betrug erkennt. Solange ein Schneeballsystem als solches aber noch als funktionierend angesehen wird, sind bereits die Gutschriften steuerpflichtig und nicht erst das tatsächlich zur Auszahlung kommende, aufsummierte Guthaben. Einnahmen sind daher gemäß § 11 Abs. 1 EStG zugeflossen, sobald die versprochene Rendite einem Konto des Anlegers gutgeschrieben wird und mit der Gutschrift in den Büchern des Systemanbieters zum Ausdruck gebracht wird, dass der Betrag dem Berechtigten von nun an zur Verfügung steht. In einem solchen Fall erfolgt lediglich eine Schuldumwandlung als Verfügung des Gläubigers über seine bisherige Forderung, indem er auf die Aus- und Rückzahlung des Geldbetrags verzichtet.
Nach einer Vereinbarung zwischen Bund und Ländern gewährt die Finanzverwaltung geprellten Anlegern im Einzelfall jedoch Billigkeitsmaßnahmen. Das gilt beispielsweise für die rund 3.000 Kunden der Finanzfirma CTS, denen angebliche Warentermingeschäfte mit hohen Gewinnen versprochen worden waren. Die in den Vorjahren angefallenen steuerpflichtigen Scheinrenditen können im Veranlagungszeitraum der Insolvenz als Verluste geltend gemacht und über § 10d EStG zurück- und vorgetragen werden. Durch diese neue steuerliche Behandlung lassen sich nicht die Einlagen selbst als Verlust geltend machen, dafür aber die nicht ausgezahlten Scheinrenditen. Die Verwaltung geht hierbei, wie bei einer stillen Beteiligung vor, bei dem einem Gesellschafter Erträge im laufenden Geschäftsbetrieb verloren gegangen sind.
Steuer-Tipp
Die Finanzämter berücksichtigen aber nicht nur die zuvor besteuerten Scheinrenditen steuermindernd, sondern prüfen darüber hinaus in jedem Einzelfall auch noch, ob persönliche Billigkeitsmaßnahmen in Betracht kommen. Denkbar sind hierbei Stundung, Ratenzahlung oder Erlass der Steuer.