Eine Rückstellung für hinterzogene Mehrsteuern kann erst zu dem Bilanzstichtag gebildet werden, zu dem der Steuerpflichtige mit der Aufdeckung der Steuerhinterziehung rechnen musste.
BFH 22.8.12, X R 23/10
Sachverhalt
Im Streitfall betrieben die Eheleute eine Pizzeria als Einzelunternehmen und ermittelten den Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich. Im Rahmen einer 2005 für die Jahre 2001 bis 2003 angesetzten betrieblichen Außenprüfung fielen sehr niedrige Rohgewinnaufschlagssätze, Kalkulationsdifferenzen sowie Fehlbeträge in einer Geldverkehrsrechnung auf, weshalb die Steuerfahndung eingeschaltet und noch in 2005 ein Steuerstrafverfahren eingeleitet wurde.
Die Fahndungsprüfung wurde im weiteren Verlauf auf die Jahre 2004 und 2005 erweitert und im Dezember 2007 durch eine tatsächliche Verständigung über die Hinzuschätzung bestimmter Betriebseinnahmen sowie umsatzsteuerlicher Entgelte für die Jahre 2001 bis 2005 abgeschlossen.
Entscheidung
Entgegen der höchstrichterlichen Rechtsprechung gab das FG Düsseldorf der hiergegen eingereichten Klage statt. Gerade die Bilanz eines Steuerpflichtigen, der mit Hinterziehungsabsicht handelte, sei von Anfang an unrichtig und müsse daher im Zeitpunkt des Fehlerursprungs berichtigt werden.
Anmerkungen und Praxishinweise
Mit seinem Urteil widerspricht der BFH dem FG Düsseldorf. Der I. Senat gab der Revision statt und wies die Klage ab. Verbindlichkeiten aus Verpflichtungen im Zusammenhang mit Straftaten entstünden zwar grundsätzlich bereits bei Begehung der Tat, seien jedoch keine wirtschaftliche Belastung für den Steuerpflichtigen, solange dieser davon ausgeht, dass die Tat unentdeckt bleibt.
Insofern fehle es an der hinreichenden Wahrscheinlichkeit seiner Inan-spruchnahme. Hierfür maßgebliche Kriterien sollen die Verhältnisse des jeweiligen Bilanzstichtags sein, unter Berücksichtigung der bis zur Bilanzaufstellung bekannt werdenden wertaufhellenden Umstände.
Beachten Sie:
Für die Rückstellung reicht es weder aus, dass der Steuerpflichtige selbst von der Steuerhinterziehung Kenntnis hat, noch dass nach allgemeiner Erfahrung im Anschluss an Außen- und Fahn-dungsprüfungen häufig mit der Festsetzung von Mehrsteuern zu rechnen ist. Zu einer Rückstellungsbildung muss jemand aufgrund eines hinreichend konkreten Sachverhalts ernsthaft mit einer quantifizierbaren Steuernachforderung rechnen. Das ist frühestens dann der Fall, wenn der Prüfer einen bestimmten Sachverhalt als sogenannte aufdeckungsorientierte Maßnahme beanstandet hat.
Im Übrigen ist zu beachten, dass gegebenenfalls ausschließlich Betriebssteuern (Umsatzsteuer und bis einschließlich 2007 Gewerbesteuer) in eine Rückstellung eingestellt werden können.