Der Ort der sonstigen Leistung ist bei Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen regelmäßig dort, wo der Leistungsempfänger sein Unternehmen betreibt.
Wird die sonstige Leistung an die Betriebsstätte eines Unternehmers ausgeführt, ist stattdessen der Ort der Betriebsstätte maßgebend.
Für empfangene Werklieferungen von im Ausland ansässigen Unternehmern schulden Sie die Umsatzsteuer. Dazu gehören insbesondere Werklieferungen von Bauunternehmern, Montagefirmen und anderen Handwerksbetrieben.
Beispiel
Der in Kiel ansässige Bauunternehmer U hat den Auftrag erhalten, in Flensburg ein Geschäftshaus zu errichten. Lieferung und Einbau der Fenster lässt U von seinem dänischen Subunternehmer D aus Kopenhagen ausführen.
Der im Ausland ansässige Unternehmer D erbringt im Inland eine steuerpflichtige Werklieferung an U. Die Umsatzsteuer für diese Werklieferung schuldet U.
Außerdem schulden Sie für alle empfangenen sonstigen Leistungen von im Ausland ansässigen Unternehmern – wie zum Beispiel für Leistungen von
Architekten,
Künstlern,
anderen freien Berufen,
Aufsichtsräten,
Berufssportlern,
Filmverleihern,
Lizenzgebern und
Handelsvertretern
sowie für innergemeinschaftliche Güterbeförderungen – die Umsatzsteuer. Der Begriff der sonstigen Leistungen umfasst auch Werkleistungen gewerblicher Unternehmen.
Beispiel
Der in Frankreich ansässige Architekt F plant für den in Stuttgart ansässigen Unternehmer U die Errichtung eines Gebäudes in München.
F erbringt im Inland steuerpflichtige Leistungen an U. Die Umsatzsteuer für diese schuldet U.
Bevor Sie in diesem Fall eine Nettorechnung akzeptieren, müssen Sie sich Klarheit darüber verschaffen, ob es sich tatsächlich um eine Leistung von einem im Ausland ansässigen Unternehmer handelt.
Ein im Ausland ansässiger Unternehmer ist ein Unternehmer, der weder im Inland noch auf der Insel Helgoland oder in einem der in § 1 Abs. 3 UStG bezeichneten Gebiete einen Wohnsitz, seinen gewöhnlichen Aufenthalt, seinen Sitz, seine Geschäftsleitung oder eine Zweigniederlassung hat.
Für die Frage, ob ein Unternehmer im Ausland ansässig ist, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Leistung ausgeführt wird, auch dann, wenn das Merkmal der Ansässigkeit bei Vertragsabschluss noch nicht vorgelegen hat.
Ausländische Unternehmer, die lediglich ein im Inland gelegenes Grundstück besitzen und steuerpflichtig vermieten, sind insoweit als im Inland ansässig zu behandeln und müssen diese Umsätze im allgemeinen Besteuerungsverfahren erklären. Die Tatsache, dass ein Unternehmer bei einem Finanzamt im Inland umsatzsteuerlich geführt wird, ist allein noch kein Merkmal dafür, dass er im Inland ansässig ist.
Das Gleiche gilt grundsätzlich, wenn dem Unternehmer eine deutsche Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr.) erteilt wurde.
Beispiel
Der in Deutschland ansässige Unternehmer U beauftragt eine Inkassodienstleistung vom Inkassounternehmen I, welches sowohl in Deutschland als auch in Schweden eine (umsatzsteuerliche) Betriebsstätte hat. U bezieht die Dienstleistung direkt von der Niederlassung in Schweden, da die Inkassotätigkeit einen Kunden in Schweden betrifft.
Da I auch im Inland eine Betriebsstätte hat, ist I verpflichtet, eine Bruttorechnung mit Ausweis der deutschen Umsatzsteuer zu stellen. Das Reverse-Charge-Verfahren kommt nicht zur Anwendung.
Ist es für Sie als Leistungsempfänger nach den Umständen des Einzelfalls ungewiss, ob der leistende Unternehmer im Zeitpunkt der Leistungserbringung im Inland ansässig ist (z.B. weil die Standortfrage in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht unklar ist oder die Angaben des leistenden Unternehmers Anlass zu Zweifeln geben), schulden Sie die Steuer nur dann nicht, wenn Ihnen der leistende Unternehmer durch eine Bescheinigung seines zuständigen Finanzamts nachweist, dass er im Inland ansässig ist bzw. im Inland eine Betriebsstätte im umsatzsteuerlichen Sinne unterhält.
Die Bescheinigung muss der leistende Unternehmer bei dem für ihn zuständigen Finanzamt beantragen. Soweit erforderlich, muss er dabei in geeigneter Weise darlegen, dass er im Inland ansässig ist. Für die Bescheinigung nach § 13b Abs. 7 Satz 5 UStG wurde das Vordruckmuster „USt 1 TS“ („Bescheinigung über die Ansässigkeit im Inland“:https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/BMF_Schreiben/Steuerarten/Umsatzsteuer/Umsatzsteuer-Anwendungserlass/2014-10-01-Vordruckmuster-USt-1-TG.pdf?__blob=publicationFile&v=5) eingeführt (zuletzt aktualisiert mit BMF-Schreiben vom 10.12.2013).
Das Muster ist auf den Internetseiten des BMF („www.bundesfinanzministerium.de) unter Eingabe des Begriffs „Vordruckmuster USt 1 TS“ in das Suchfeld abrufbar.
Zu beachten ist weiterhin, dass das Reverse-Charge-Verfahren nur anwendbar ist, wenn die Leistung im Inland steuerbar und steuerpflichtig ist.
Nach der Grundregel ist der Ort der sonstigen Leistungen bei sogenannten „B2B-Leistungen“, also solchen Leistungen, die sich ausschließlich zwischen Unternehmern abspielen, der Sitz des Leistungsempfängers. Es gibt von dieser Grundregel aber einige Ausnahmen. Wesentliche sind zum Beispiel
Grundstücksleistungen (Belegenheitsort),
kurzfristige Vermietungen von Landfahrzeugen von bis zu 30 Tagen und von Wasserfahrzeugen von bis zu 90 Tagen (Ort, an dem das Fahrzeug zur Verfügung gestellt wird),
Restaurations- und Verpflegungsleistungen (Ort, an dem diese Leistungen erbracht werden) und
Personenbeförderungen (Ort des Bewirkens).
Beispiel
Auf einer Geschäftsreise nach Österreich mieten Sie als deutscher Unternehmer in Wien am Flughafen einen Mietwagen für Ihren dreitägigen Aufenthalt in der Alpenrepublik.
Es greift die Sonderregel: Ort der sonstigen Leistung ist Wien.
In der Rechnung des österreichischen Mietwagenbetreibers wird österreichische Umsatzsteuer ausgewiesen. Die Umkehr der Steuerschuldnerschaft kommt nicht zur Anwendung, weil die Leistung in Österreich und nicht in Deutschland steuerbar und steuerpflichtig ist.