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Der BFH hat an den EuGH in einem Vorabentscheidungsersuchen die Frage herangetragen, ob die Bereitstellung von Parkplätzen durch ein Hotel als selbstständige Hauptleistung von der Steuersatzermäßigung der Übernachtungsleistungen ausgenommen ist.

Hintergrund

Die Umsatzsteuer beträgt gemäß § 12 Abs. 1 UStG für jeden steuerpflichtigen Umsatz 19 % der Bemessungsgrundlage. Sie ermäßigt sich nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 1 UStG auf 7 % für die Vermietung von Wohn- und Schlafräumen, die ein Unternehmer zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereithält, sowie die kurzfristige Vermietung von Campingflächen.

Die Ermäßigung gilt gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG nicht für Leistungen, die nicht unmittelbar der Vermietung dienen, auch wenn diese Leistungen mit dem Entgelt für die Vermietung abgegolten sind (Aufteilungsgebot). Der Grundsatz, dass eine (unselbstständige) Nebenleistung das Schicksal der Hauptleistung teilt, wird von diesem Aufteilungsgebot verdrängt. Das Aufteilungsgebot für einheitliche Leistungen geht also den allgemeinen Grundsätzen zur Abgrenzung von Haupt- und Nebenleistung vor. Unter dieses Aufteilungsgebot fallen gem. Abschn. 12.16 Abs. 8 UStAE insbesondere:

  • Einräumung von Parkmöglichkeiten, auch wenn diese nicht gesondert vereinbart und vergütet werden (dazu Vorlagebeschluss XI R 11/23)

  • Verpflegungsleistungen (z. B. Frühstück, Halb- oder Vollpension, „all-inclusive“; dazu Vorlagebeschluss XI R 13/23)

  • Nutzung von Kommunikationsnetzen (insbesondere Telefon und Internet; dazu Vorlagebeschluss XI R 14/23)

  • Leistungen, die das körperliche, geistige und seelische Wohlbefinden steigern („Wellnessangebote“; dazu Vorlagebeschluss XI R 14/23) und

  • Überlassung von Sportgeräten und -anlagen (dazu Vorlagebeschluss XI R 14/23)

Sachverhalt (XI R 11/23)

Die Steuerpflichtige betrieb u. a. ein Hotel. Das Hotel verfügte über einen eigenen Parkplatz, den die Gäste kostenfrei nutzen konnten. Nach zwei Außenprüfungen bei der Steuerpflichtigen vertrat das FA die Auffassung, die Parkplatzgestellung sei mit dem Regelsteuersatz von 19 % zu besteuern.

Das FG teilte diese Auffassung. Es entschied, dass die Parkplatzgestellung keine Nebenleistung zur Beherbergung, sondern eine selbstständige Hauptleistung sei. Aber selbst dann, wenn die Gestellung eine unselbstständige Nebenleistung zu der ermäßigt zu besteuernden Übernachtungsleistung wäre, habe das FA die Umsätze zu Recht aufgeteilt. Die Parkplatzgestellung gehöre zu den Leistungen, die nicht unmittelbar der Vermietung diene und deshalb von der Steuersatzermäßigung ausgenommen sei. § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG sei mit den unionsrechtlichen Vorgaben vereinbar.

Entscheidung

Der BFH teilt die Rechtsauffassung des FG nicht.

Parkplatzgestellung keine Hauptleistung

Bei der Überlassung von Parkplätzen an Hotelgäste handelt es sich im Streitfall lediglich um eine Nebenleistung zur Beherbergungsleistung, da sie weder hinzugebucht noch abgewählt werden konnte. Sie ist im Streitfall mit der Hauptleistung (Beherbergung) untrennbar verbunden und hat für den Hotelgast keinen eigenen Zweck. Hierfür spricht – anders als FA und FG meinen – insbesondere, dass die Steuerpflichtige in keiner Weise danach differenziert, wie der Gast angereist ist. Hinzu kommt, dass die Steuerpflichtige geltend macht, dass in unmittelbarer Nähe des Hotels ausreichend öffentliche Parkplätze kostenfrei zur Verfügung stehen, ohne dass ersichtlich wäre, dass diese Parkplätze aus Sicht der Hotelgäste für das Abstellen von Fahrzeugen weniger geeignet gewesen wären als der Parkplatz der Steuerpflichtigen.

Nebenleistung, die unter das Aufteilungsgebot fällt

Die im Ausgangsverfahren zu beurteilende Bereitstellung von Parkplätzen gehört nach der Rechtsprechung des BFH also zu den Leistungen, die unter das Aufteilungsgebot fallen und deshalb von der Steuersatzermäßigung ausgenommen sind.

Aufteilungsgebot unionsrechtskonform?

Das in § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG normierte Aufteilungsgebot für Leistungen, die nicht unmittelbar der Vermietung dienen, hat der BFH bisher als unionsrechtskonform angesehen und hält daran weiter fest.

Bisher keinerlei Zweifel

Der BFH war zunächst von der Vereinbarkeit des Aufteilungsgebots mit Unionsrecht zweifelsfrei überzeugt, weil die Mitgliedstaaten nach Art. 98 Abs. 1 und 2 MwStSystRL – unter der Voraussetzung, dass der Grundsatz der steuerlichen Neutralität beachtet wird – der dem gemeinsamen Mehrwertsteuersystem zugrunde liegt, die Möglichkeit haben, (nur) konkrete und spezifische Aspekte einer Kategorie von Dienstleistungen i.S.d. Anhangs III MwStSystRL mit einem ermäßigten Mehrwertsteuersatz zu belegen.

Der EuGH ist in seiner bisherigen Rechtsprechung davon ausgegangen, dass es nicht als entscheidend für die Ausübung des den Mitgliedstaaten in Bezug auf die Anwendung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes nach der MwStSystRL belassenen Wertungsspielraums betrachtet werden kann, ob ein Umsatz, der aus mehreren Bestandteilen besteht, als einheitliche Leistung anzusehen ist.

Zweifel aufgrund neuerer EuGH-Rechtsprechung

Der BFH ist allerdings der Auffassung, dass aufgrund der zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung des EuGH kein „acte clair“ i.S.d. Art. 267 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) mehr vorliegt.

Der EuGH ist nach Auffassung des BFH weder in seinem Urteil Stadion Amsterdam vom 18.1.2018 noch in seinem Urteil FA X vom 4.5.2023 von seiner bisherigen Rechtsauffassung abgewichen. Eine selektive Anwendung des ermäßigten Steuersatzes ist daher nach Auffassung des BFH nach wie vor zulässig, sofern sie keine Gefahr einer Wettbewerbsverzerrung nach sich zieht. Sollte diese Auslegung zutreffend sein, hat der nationale Gesetzgeber mit dem Aufteilungsgebot weiterhin von der Ermächtigung in Art. 98 Abs. 1 und 2 i.H.v. Anhang III Kategorie 12 MwStSystRL unionsrechtskonform in selektiver Weise dadurch Gebrauch gemacht, dass nicht sämtliche „Beherbergungen in Hotels und ähnlichen Einrichtungen“ einschließlich der dabei erbrachten Nebenleistungen dem ermäßigten Steuersatz unterworfen werden, sondern nur die Leistungen, die unmittelbar der Vermietung dienen. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der steuerlichen Neutralität ist hierin auch weiterhin nicht zu erkennen.

Es ist allerdings nicht im Sinne eines „acte clair“ zweifelsfrei, dass diese Deutung der Rechtsprechung des EuGH durch den BFH zutreffend ist. Der EuGH hat im Urteil Stadion Amsterdam vom 18.01.2018 (C-463/16) ausgeführt, dass eine einheitliche Leistung, die aus zwei separaten Bestandteilen, einem Haupt- und einem Nebenbestandteil, besteht, für die bei getrennter Erbringung unterschiedliche Mehrwertsteuersätze gälten, nur zu dem für diese einheitliche Leistung geltenden Mehrwertsteuersatz zu besteuern ist, der sich nach dem Hauptbestandteil richtet, und zwar auch dann, wenn der Preis jedes Bestandteils, der in den vom Verbraucher für die Inanspruchnahme dieser Leistung gezahlten Gesamtpreis einfließt, bestimmt werden kann. Diese Formulierung des EuGH wird in der Bundesrepublik Deutschland unterschiedlich gedeutet.

Relevanz für die Praxis

Der BFH verneint das Vorliegen eines „acte clair“ i.S.d. Art. 267 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Allein der EuGH kann über die Auslegung und Gültigkeit von Unionsrecht entscheiden. Hat ein Gericht eines Mitgliedstaats der EU letztinstanzlich über eine Sache zu entscheiden, bei der es auf die Anwendung von Unionsrecht ankommt, hat es bei Zweifeln der Auslegung oder Gültigkeit des Unionsrechts die entsprechende Frage dem EuGH vorzulegen.

Der EuGH hat im Urteil vom 6.10.1982 (C-283/81, CILFIT) drei Fallgruppen entwickelt, in denen keine Vorlagepflicht besteht:

  • Der EuGH hat bereits in einem identischen früheren Fall entschieden (acte éclairé).

  • Es existiert bereits eine gesicherte Rechtsprechung des EuGH zu dieser Rechtsfrage (acte éclairé).

  • Die Unionsrechtslage ist derart offenkundig, dass keinerlei Raum für einen vernünftigen Zweifel an der Entscheidung des EuGH bleibt (acte clair).

In diesen Fällen existiert keine Vorlagepflicht, da eine Vorlage schlichtweg als „sinnlos“ erscheinen würde.

Der acte clair ist mithin eine ungeschriebene Ausnahme zu der Vorlageverpflichtung nach Art. 267 AEUV.

Auf dem Prüfstand des EuGH steht damit keine Einzelfrage, sondern die EU-Rechtskonformität von § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG an sich. Von dieser ist der BFH selbst überzeugt, will diese aber aufgrund der vielen Gegenstimmen auch vom EuGH bestätigt wissen.

Anmerkung

Mit derselben Rechtsfrage beschäftigen sich die Vorlagebeschlüsse XI R 13/23 (Verpflegungsleistungen wie z. B. Frühstück, Halb- oder Vollpension, „all-inclusive“) und XI R 14/23 (Nutzung von Kommunikationsnetzen wie Telefon und Internet).

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