Eine Kontenpfändung des Finanzamts, die auch Beträge der Corona-Soforthilfe umfasst, ist rechtswidrig. |
Sachverhalt
Der Antragsteller betreibt einen Reparaturservice und erzielt hieraus Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Infolge der Auswirkungen der Corona-Pandemie war es dem Antragsteller nicht möglich, Reparaturaufträge zu erhalten.
Der Unternehmer stellte deshalb am 27.3.2020 zur Aufrechterhaltung seines Gewerbebetriebs beim Land Nordrhein-Westfalen einen Antrag auf Corona-Soforthilfe i. H. v. 9.000 EUR für Kleinstunternehmer und Soloselbstständige. Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom selben Tag von der Bezirksregierung bewilligt. Die 9.000 EUR wurden auf das Girokonto überwiesen.
Da dieses Konto mit einer im November 2019 vom Finanzamt ausgebrachten Pfändungs- und Einziehungsverfügung wegen Umsatzsteuerschulden aus den Jahren 2017 bis 2019 belastet war, verweigerte die Bank die Auszahlung der Corona-Soforthilfe.
Der Antragsteller begehrte deshalb im Rahmen einer einstweiligen Anordnung die einstweilige Einstellung der Pfändung des Girokontos.
Entscheidung
Das FG hat dem Antrag stattgegeben und das Finanzamt verpflichtet, die Kontenpfändung bis zum 27.6.2020 einstweilen einzustellen und die Pfändungs- und Einziehungsverfügung aufzuheben. Für den gerichtlichen Antrag bestehe ein Rechtsschutzbedürfnis, weil die Corona-Soforthilfe nicht von den zivilrechtlichen Pfändungsschutzregelungen erfasst werde.
Die Vollstreckung und die Aufrechterhaltung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung führten ferner für den Antragsteller zu einem unangemessenen Nachteil.
Durch eine Pfändung des Girokonto-Guthabens, das durch den Billigkeitszuschuss in Form der Corona-Soforthilfe erhöht worden sei, werde die Zweckbindung dieses Billigkeitszuschusses beeinträchtigt.
Die Corona-Soforthilfe
* erfolge ausschließlich zur Milderung der finanziellen Notlagen des betroffenen Unternehmens im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie und
* diene nicht der Befriedigung von Gläubigeransprüchen, die vor dem 1.3.2020 entstanden seien und somit nicht dem Zweck, die vor dem 1.3.2020 entstandenen Ansprüche des Finanzamts zu befriedigen.
Da die Corona-Soforthilfe mit Bescheid vom 27.3.2020 für einen Zeitraum von drei Monaten bewilligt worden sei, sei die Vollstreckung bis zum 27.6.2020 einstweilen einzustellen.
Praxistipps
1. Der Beschluss des FG Münster betrifft sicherlich keinen Einzelfall. Es verwundert schon sehr, dass die Vollstreckungsbehörden die Vollstreckung nicht von Amts wegen eingestellt haben. Da dem aber offensichtlich so ist, müssen Berater und Mandant ggf. selbst auf eine Einstellung hinwirken.
2. Wichtig ist auch die zeitliche Begrenzung der Einstellung auf drei Monate – also auf den Förderzeitraum.
Fundstelle
FG Münster 13.5.20, 1 V 1286/20 AO