Ein Startup bietet Krankschreibungen per WhatsApp an. Muss ein Arbeitgeber so einen Krankenschein akzeptieren.
Schilderung der Symptome und schon erfolgt die Krankschreibung
In die Schlagzeilen geraten ist ein Hamburger Unternehmen, da es einen umstrittenen Service für erkältete Arbeitnehmer anbietet: Diese können online eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU-Bescheinigung) beantragen. Dafür müssen sie lediglich ihre Symptome angeben und ihre persönlichen Daten per WhatsApp übermitteln. Die AU-Bescheinigung wird also ohne persönliche Untersuchung oder sonstige direkte Kommunikation mit einem Arzt ausgestellt. Der Arbeitnehmer erhält die Bescheinigung zunächst digital, anschließend wird ihm das Original per Post zugestellt.
Arbeitgeber können die Bescheinigung im Original verlangen
In der rechtswissenschaftlichen Literatur wird überwiegend davon ausgegangen, dass die nach § 5 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) vorzulegende Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit schriftlich und somit im Original vorgelegt werden muss. Dies ist mit dem neuen Service möglich, da der Arbeitnehmer das Original per Post erhält und der Nachweis grundsätzlich erst ab dem dritten Tag der Arbeitsunfähigkeit erbracht werden muss.
Dem Arbeitgeber steht aber auch die Möglichkeit offen, diesen Nachweis bereits ab dem ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit zu verlangen (§ 5 Abs. 1 S. 3 EFZG). In diesem Fall ist es dem Arbeitnehmer kaum möglich, die Bescheinigung rechtzeitig vorzulegen. Aus diesem Grund ist es zulässig, wenn die Bescheinigung dem Arbeitgeber zunächst eingescannt oder abfotografiert übermittelt wird. Der Arbeitgeber sollte aber eine Übermittlung per E-Mail verlangen, da für ihn die Nutzung von WhatsApp datenschutzrechtliche Probleme mit sich bringt. Zudem sollte er stets darauf bestehen, dass anschließend das Dokument im Original vorgelegt wird, um die Echtheit prüfen zu können.
Hoher Beweiswert der Bescheinigung nur bei persönlicher Untersuchung
Die arbeitsrechtliche Rechtsprechung geht davon aus, dass eine AU-Bescheinigung einen hohen Beweiswert für das Vorliegen der Arbeitsunfähigkeit hat. Arbeitgeber werden aber sicherlich Zweifel hegen, ob dies auch dann gilt, wenn der Arbeitnehmer gar nicht persönlich untersucht wurde. Tatsächlich hat sich das Bundesarbeitsgericht bereits mit einem ähnlichen Fall befasst und geurteilt, dass der Beweiswert beeinträchtigt wird, wenn keine persönliche Untersuchung vorgenommen wurde. Der Arbeitnehmer müsse die Arbeitsunfähigkeit dann auf anderen Wegen nachweisen. Voraussetzung ist, dass der Arbeitgeber darlegt und beweist, dass eine persönliche Untersuchung nicht stattgefunden hat.
Dem Arbeitgeber steht bei Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit auch die Möglichkeit offen, den Arbeitnehmer durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen untersuchen zu lassen. Eine solche Begutachtung kann der Arbeitgeber von der Krankenkasse verlangen (§ 275 Abs. 1a S. 3 SGB V). Der Arbeitnehmer muss an dieser mitwirken und den behandelnden Arzt von seiner Schweigepflicht befreien. Kommt der Arbeitnehmer dem nicht nach, spricht die Verweigerung ebenfalls dafür, dass tatsächlich keine Arbeitsunfähigkeit bestand.
Zum Autor | Jan Schiller ist Fachanwalt für Arbeitsrecht bei der Wirtschaftskanzlei CMS in Deutschland. Er berät nationale und internationale Unternehmen neben klassischen individual- und kollektivarbeitsrechtlichen Themen in den Bereichen Datenschutz und Compliance.