Der EuGH hatte bereits Anfang 2007 entschieden, dass es einen Verstoß gegen die Kapitalverkehrs- und die Dienstleistungsfreiheit darstellt, dass vor der Einführung des Halbeinkünfteverfahrens bei Auslandsdividenden die Anrechnung der darauf entfallenden Körperschaftsteuer versagt wurde. Die zeitliche Wirkung des Urteils wurde zwar nicht beschränkt, aber die weitere Vorgehensweise nicht hinreichend vorgegeben. In der Praxis kann die Entscheidung kaum genutzt werden. Dieser Umstand hat nun das FG Köln veranlasst, den Fall erneut dem EuGH vorzulegen.
Anrechnung: FG Köln 14.5.09, 2 K 2241/02
EuGH 6.3.07, C-292/04, DStR 07, 485
BFH 29.5.08, V R 45/06, BFH/NV 08, 1889, beim BVerfG unter 1 BvR 2601/08
FG Rheinland-Pfalz 24.9.07, 5 K 1487/07, Revision unter VIII R 35/08
Verjährung: BFH 12.2.08, VII R 33/06, BStBl II 08, 504
Entschieden werden soll vor allem, welche formellen Anforderungen an den Nachweis der ausländischen Körperschaftsteuer zu stellen sind. Diese Vorbelastung ist nämlich regelmäßig nicht feststellbar, weil es an einer ordnungsgemäßen Steuerbescheinigung wie bei inländischen Dividenden fehlt. Es wird angezweifelt, ob die Vorlage einer Körperschaftsteuerbescheinigung überhaupt mit der Kapitalverkehrsfreiheit vereinbar ist, weil der Nachweis bei ausländischen Dividenden nahezu unmöglich ist. Daher könnte es ausreichend sein, die Körperschaftsteuerbelastung zu schätzen, um damit die Kapitalverkehrsfreiheit zu gewährleisten.
Sofern eine Steuerbescheinigung nicht notwendig sein sollte, gibt es nach Ansicht des FG jedoch keine weitere Berichtigungsnorm. Es ist daher fraglich, ob das Europarecht § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO entgegensteht, wonach dann eine Änderung bestandskräftiger Einkommensteuerbescheide – und folglich auch der Körperschaftsteueranrechnung – nur bei inländischen Dividenden möglich wäre.
Hinzu kommt die Frage, ob § 175 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 2 S. 2 AO im Hinblick auf das EuGH-Urteil einschränkend geändert werden durfte, sodass die Vorlage einer Steuerbescheinigung jetzt nicht mehr als rückwirkendes Ereignis gilt. Die Anrechnung der ausländischen Körperschaftsteuer wird dadurch bei bestandskräftigen Einkommensteuer¬festsetzungen verfahrensrechtlich unmöglich gemacht.
Steuertipp:
Der Ausgang des Verfahrens hat praktische Bedeutung für viele Aktionäre, die in den Jahren bis 2000 Auslandsdividenden bezogen haben. Viele Fälle sind derzeit bei den Finanzämtern anhängig und werden nicht im Sinne des EuGH-Urteils zugunsten der Anleger entschieden. Hierbei werden vor allem drei Punkte angeführt:
Es fehlt an der ordnungsgemäßen Steuerbescheinigung.
Der Einkommen- oder Körperschaftsteuerbescheid ist bereits bestandskräftig und es gibt keine Änderungsnorm.
Es handelt sich um Dividenden aus Drittländern wie den USA, für die das Urteil nicht gelten soll.
Es wird empfohlen, die anhängigen Fälle bis zur erneuten Entscheidung ruhen zu lassen. Nach einer Schätzung des BMF geht es immerhin um ein Erstattungsvolumen von 5 Mrd. EUR. Umstritten ist etwa, ob die Korrekturvorschriften der §§ 172 ff. AO überhaupt Anwendung finden, da die Körperschaftsteuer über den Abrechnungsbescheid nach § 218 Abs. 2 AO berücksichtigt wird. Hier gelten die §§ 130 ff. AO, sodass eine Änderung eines bestandskräftigen Verwaltungsakts noch möglich wäre. Dann ist eine fünfjährige Zahlungsverjährungsfrist zu beachten.
Relevant ist in diesem Zusammenhang noch ein anhängiges Verfahren beim BFH zu der Frage, ob und wie eine Anrechnung der ausländischen Körperschaftsteuer auf die Dividendenerträge zu erfolgen hat. Beim BVerfG ist zudem die Frage anhängig, ob eine Durchbrechung der Bestandskraft wegen nachträglich ergangener EuGH-Rechtsprechung in Betracht kommt, sofern ein Verstoß gegen EU-Recht vorliegt.