Haben gleichgeschlechtliche Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft ihre Partnerschaft nicht rechtzeitig in eine „Ehe für alle“ umgewandelt, verweigern die Finanzämter bei bisheriger Einzelveranlagung und bestandskräftigen Einzel-Steuerbescheiden die rückwirkende Zusammenveranlagung. Ein Urteil des FG Sachsen macht Hoffnung, dass diese strenge Auffassung der Verwaltung kippt.
Grundsätze zur Zusammenveranlagung gleichgeschlechtlicher Paare
Seit 1.8.2001 hatten gleichgeschlechtliche Partner die Möglichkeit, eine eingetragene Partnerschaft einzugehen. Im Jahr 2013 hat das BVerfG den Gesetzgeber dazu aufgefordert, die gleichgeschlechtliche Partnerschaft mit der Ehe gleichzustellen. Das wurde in § 2 Abs. 8 EStG umgesetzt. Die rückwirkende Zusammenveranlagung ab dem 1.8.2001 wurde aber nur für diejenigen zugelassen, die Einspruch gegen ihre Steuerbescheide eingelegt oder bisher noch keine Steuererklärungen beim Finanzamt eingereicht hatten. Seit 1.10.2017 wurde für gleichgeschlechtliche Paare dann die „Ehe für alle“ eingeführt.
Mit einer Regelung im „Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“ wurde im Jahr 2019 Folgendes zur Zusammenveranlagung festgelegt (Art. 97 § 9 Abs. 5 AO-Einführungsgesetz 2019):
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Wurde die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft bis zum 31.12.2019 in eine „Ehe für alle“ umgewandelt und
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haben die gleichgeschlechtlichen Eheleute bis zum 31.12.2020 auf gemeinsamen Antrag die Änderung ihrer Einzelveranlagungs-Steuerbescheide im Rahmen der Zusammenveranlagung beantragt,
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soll die Zusammenveranlagung rückwirkend bis zum Beginn der eingetragenen Lebenspartnerschaft gewährt werden.
Splittingtarif auch bei Umwandlung nach dem 31.12.2019?
Zwei Frauen, die seit 2006 in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft lebten, wandelten diese erst im Mai 2020 in eine „Ehe für alle“ um und beantragten beim Finanzamt für die Jahre 2006 bis 2009 (bisher Einzelveranlagungen) die Zusammenveranlagung. Das Finanzamt lehnte ab, weil die Frist zur Umwandlung (hier der 31.12.19) nicht eingehalten worden sei.
Dagegen klagten die Ehefrauen und bekamen vom Finanzgericht Sachsen recht (FG Sachsen 13.6.23, 2 K 209/23; Rev. BFH III R 18/23). Die Richter gewährten trotz der nach Ansicht des Finanzamts „verspäteten“ Umwandlung der eingetragenen Lebenspartnerschaft in eine „Ehe für alle“ die Zusammenveranlagung für die Jahre 2006 bis 2009.
Die Begründung der Richter: Das Eheöffnungsgesetz bestimmt in Art. 3 Abs. 2, dass nach der Umwandlung der Lebenspartnerschaft in eine Ehe für die Rechte und Pflichten der Lebenspartner der Tag der Begründung der Lebenspartnerschaft maßgebend ist. Nach der Umwandlung sind die Lebenspartner so zu stellen, als ob sie am Tag der Begründung der Lebenspartnerschaft geheiratet hätten. Das Eheöffnungsgesetz ist ein außersteuerliches Gesetz und damit grundsätzlich geeignet, ein rückwirkendes Ereignis nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO darzustellen, das eine Änderung der bestandskräftigen Einkommensteuerbescheide ab 2001(!) rechtfertigt.
Praxistipp
Betroffene gleichgeschlechtliche Partnerinnen und Partner, die ihre eingetragene Lebenspartnerschaft erst nach dem 31.12.2019 in eine Ehe umgewandelt haben, sollten beim FA mit Hinweis auf das Urteil des FG Sachsen die rückwirkende Zusammenveranlagung beantragen. Lehnt das FA ab, empfehlen sich ein Einspruch und mit Hinweis auf das Revisionsverfahren beim BFH (III R 18/23) ein Antrag auf Ruhen des Einspruchsverfahrens nach § 363 Abs. 2 Satz 2 EStG.