Eine innergemeinschaftliche Lieferung ist nur dann von der Umsatzsteuer befreit, wenn die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen vom liefernden Unternehmer nachgewiesen werden.
Daher hat der Unternehmer sowohl „Buch- als auch Belegnachweise“: zu führen.
Diese sind materiell rechtliche Voraussetzung für die Umsatzsteuerbefreiung. Dieser dem Unternehmer obliegende sichere Nachweis darf nicht in anderer Weise als durch Belege und Aufzeichnungen geführt werden, so der BHF in einem aktuellen Urteil.
BFH 19.3.15, V R 14/14, EuG, Urteil 27.9.07, Rs. C-146/05, Collée, EuGH 27.9.07, Rs. C-409/04, Teleos
Sachverhalt
Ein deutscher Unternehmer fakturierte innergemeinschaftliche Lieferungen nach Italien an die dortige Kundin, eine juristische Person italienischen Rechts. Das Finanzamt versagte den Lieferungen die Steuerbefreiung, da der Belegnachweis nicht erbracht werden konnte. Das FG teilte diese Rechtsauffassung. Hiergegen wandte sich der Unternehmer. Die Lieferungen seien steuerfrei.
Die Unternehmereigenschaft der Abnehmerin sei unstreitig. Streitig sei lediglich der physische Transport der Ware von Deutschland nach Italien. Dieser könne zwar nicht belegt werden, allerdings habe der Geschäftsführer der Abnehmerin hierzu seine Zeugenaussage angeboten.
Das FG habe zu Unrecht den hierfür anberaumten finanzbehördlichen Erörterungstermin ignoriert. Die objektive Beweislage könne nicht nur durch Belege nachgewiesen werden. Es bestehe aber ein Gleichrang aller Beweismittel. Das FG hätte den in der Verhandlung präsenten Zeugen vernehmen müssen.
Entscheidung
Die Revision hatte keinen Erfolg. Die Mitgliedstaaten dürfen formelle Voraussetzungen für die Steuerbefreiung aufstellen. Die MwStSystRL enthält hierzu – wie schon ihre Vorgängerin, die 6. EG-RL – keine Vorschrift. Da § 17a ff. UStDV aber Belege und Aufzeichnungen – also „Papier“ oder entsprechende Dateien – fordern, ist dies zulässig.
Weder der Neutralitätsgrundsatz noch das Verhältnismäßigkeitsprinzip fordern die Steuerbefreiung der streitigen Umsätze:
Der Neutralitätsgrundsatz gebietet nach der Collée-Entscheidung die Steuerbefreiung auch dann, wenn der Steuerpflichtige zwar die formellen Anforderungen an den Nachweis der innergemeinschaftlichen Lieferung nicht oder nicht vollständig erfüllt, die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung indes unbestreitbar feststehen. Genau das ist vorliegend aber gerade nicht der Fall.
Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn der Unternehmer ist grundsätzlich nicht berechtigt, den ihm obliegenden sicheren Nachweis der materiellen Anforderungen in anderer Weise als durch Belege und Aufzeichnungen zu führen. Ein Beweis durch Zeugen kommt als Ersatz für den gesetzlich vorgesehenen Buch- und Belegnachweis grundsätzlich nicht in Betracht, und zwar weder von Amts wegen (§ 76 Abs. 1 FGO) noch auf Antrag. Nur wenn der Formalbeweis ausnahmsweise nicht oder nicht zumutbar geführt werden kann, gebietet es nach der Teleos-Entscheidung der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, den Nachweis auch in anderer Form zuzulassen. Im Streitfall sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Kläger an der Führung des Buch- und Belegnachweises gehindert gewesen oder dieser für ihn unzumutbar gewesen sein könnte.
Praxishinweis
Wenn der Nachweis einer innergemeinschaftlichen Lieferung durch Belege und Aufzeichnungen zu erfolgen hat, hätte der deutsche Unternehmer im Urteilsfall den Zeugen dazu veranlassen müssen, seine Aussage im Vorfeld schriftlich zu machen, und den entsprechenden Schriftsatz dann in die Belegbuchhaltung übernehmen können. Die formale „Klippe“ wäre dann genommen; auf eine Zeugenanhörung hätte verzichtet werden können. Selbstverständlich stünde dann immer noch die Frage der Beweiswürdigung an.
Anmerkung
Das Urteil ist primär nur zur innergemeinschaftlichen Lieferung ergangen. Die Entscheidung dürfte auf Ausfuhrlieferungen entsprechend anwendbar sein; auch hier fordern §§ 8 ff. den Ausfuhrnachweis durch Belege.