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Coronabedingte behördliche Schließungsmaßnahmen führen gerade auch in Mietverhältnissen immer wieder zu Streitigkeiten über die Frage, wie die Pandemierisiken im Vertragsverhältnis „gerecht“ zu verteilen sind. Nach der richtungsweisenden Entscheidung des BGH vom 12.1.2022 (XII ZR 8/21) hat der BGH jetzt eine weitere wichtige Grundsatzentscheidung für das private, „coronagestörte“ Mietverhältnis getroffen.

Sachverhalt

Ein Ehepaar, das bereits im Oktober 2018 geheiratet hatte, mietete bei der Beklagten Räume für eine am 1.5.2020 geplante Hochzeitsfeier mit ca. 70 Personen. Die nach mündlichen Vertragsverhandlungen übersandte Rechnung über die vereinbarte Miete von 2.600 EUR wurde von den Eheleuten vorab beglichen. Die geplante Hochzeitsfeier konnte aber nicht durchgeführt werden, weil aufgrund der nordrhein-westfälischen Coronaschutzverordnung in der ab dem 27.4.2020 gültigen Fassung Veranstaltungen sowie Zusammenkünfte und Ansammlungen im öffentlichen Raum von mehr als zwei Personen untersagt worden waren. Am 23.3.2020 bot die Beklagte dem Ehepaar unter Angabe von Alternativterminen an, die Hochzeitsfeier zu verschieben. Mit Schreiben vom 24.4.2020 baten die Eheleute um Rückzahlung der geleisteten Miete und erklärten gleichzeitig den Rücktritt vom Vertrag.

Wie haben die Gerichte entschieden?

Das Amtsgericht hat die auf Rückzahlung der vollen Miete gerichtete Klage abgewiesen.

Auf die Berufung der Eheleute hat das Landgericht das Urteil abgeändert und die Beklagte verurteilt, an die Eheleute 1.300 EUR, also die Hälfte der vorab gezahlten Raummiete nebst Zinsen zu zahlen.

Der BGH (2.3.22, XII ZR 36/21) hat jetzt das Berufungsurteil aufgehoben und die erstinstanzliche Entscheidung wiederhergestellt: Die Klage auf Rückzahlung der vorab überwiesenen Miete war vollständig erfolglos.

Wie hat der BGH seine Entscheidung begründet?

Der BGH hat entschieden, dass ein Mieter für eine Feier gemieteter Räume zur vollständigen Zahlung der Miete verpflichtet ist, wenn die Feier aufgrund der COVID-19-Pandemie nicht stattfinden konnte.

Hierzu stellt der BGH fest:

Behördliche Nutzungseinschränkungen aufgrund der COVID-19-Pandemie führen nicht zu einer Unmöglichkeit im Sinne der §§ 326 Abs. 1, 275 Abs. 1 BGB, weil auch behördliche Beschränkungen die Nutzung der Mietsache zum vereinbarten Zweck nicht schlechthin unmöglich machen.

Eine Geschäftsschließung, die auf einer hoheitlichen Maßnahme zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie beruht, stellt auch keinen Mangel der Mietsache i. S. v. § 536 Abs. 1 BGB dar.

Ein Anspruch aus § 313 Abs. 1 BGB (Störung der Geschäftsgrundlage) kommt zwar auch für Räume in Betracht, die zur Durchführung einer Veranstaltung gemietet wurden, wenn die Feier aufgrund von hoheitlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie nicht stattfinden konnte. Im Streitfall beschränkt sich aber der Anpassungsanspruch nach § 313 Abs. 1 BGB auf die von der Beklagten angebotene Verlegung der Hochzeitsfeier, weil dies einer interessengerechten Verteilung des Pandemierisikos entspricht und keine Gründe dafür vorgetragen wurden, dass die Feier nicht auch an einem anderen Termin hätte stattfinden können.

Praxistipp

In der Begründung weist der BGH auf sein richtungsweisendes Urteil vom 12.1.2022 (XII ZR 8/21) hin. Dort hatte er festgestellt, dass bei einer coronabedingten behördlichen Schließung eines Geschäftslokals ein Anspruch des Gewerbemieters auf Vertragsanpassung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage zwar nach § 313 Abs. 1 BGB in Betracht kommt, eine pauschale hälftige Teilung der geschuldeten Miete aber zu kurz greift, weil sämtliche Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden müssen. Dies hatten zuvor etliche andere Zivilgerichte noch anders gesehen. Es wäre also Sache der klagenden Eheleute gewesen darzulegen, warum die geplante Feier ausschließlich am vereinbarten Termin hätte stattfinden können und nicht zu verlegen war.

Auswirkungen auf die Praxis

Mit der neuen Entscheidung bekräftigt der BGH für das Mietrecht seine Entscheidungsgrundsätze in der Entscheidung vom 12.1.2022 (XII ZR 8/21). Eine behördliche, coronabedingte Entscheidung mit Auswirkung auf ein gewerbliches oder privates Mietverhältnis führt weder zur Unmöglichkeit der mietvertraglich geschuldeten Leistung (§ 326 Abs. 1, § 275 Abs. 1 BGB) noch zu einem Mietmangel, der zur Minderung der Miete berechtigt (§ 536 BGB).

Auch in privaten Mietverhältnissen kommt zwar eine Vertragsanpassung nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage in Betracht (§ 313 S. 1 BGB). Eine pauschale (hälftige) Teilung des Schadens mag zwar einfach klingen, wird aber einer gerechten Risikoverteilung nicht immer gerecht. Deshalb sind sämtliche Einzelfallumstände zu berücksichtigen, um die Pandemierisiken zwischen den Vertragsparteien angemessen zu verteilen.

Praxistipp

Im Rechtsstreit ist hierbei diejenige Vertragspartei darlegungs- und beweispflichtig, die sich auf für sie günstige Umstände beruft, die zu einer Vertragsanpassung führen sollen.

Im Streitfall hätten sich die Mieter mit einer Verlegung der Feier begnügen müssen, die der Vermieter mit mehreren Alternativterminen auch angeboten hatte. Dass dies einer angemessenen Risikoverteilung entspricht, begründet der BGH insbesondere damit, dass die eigentliche Eheschließung bereits 2018 stattfand, das geplante Hochzeitsfest im Mai 2020 also eine „Nachfeier“ war, die nun auch an einem anderen Tag hätte stattfinden können. Anders wäre es unter Umständen gewesen, wenn der für die Feier geplante Termin ein „Fixgeschäft“ gewesen wäre, also mit der Einhaltung eines bestimmten Termins der Vertrag hätte „stehen oder fallen“ sollen (etwa wenn eine Hochzeitsfeier exakt am Tag der Hochzeit oder einem besonderen Tag wie dem 22.2.2022 hätte stattfinden sollen). Solche besonderen Umstände hatten die klagenden Eheleute aber nicht vorgetragen, sodass sie nicht vom Vertrag zurücktreten und die gezahlte Raummiete zurückfordern konnten.

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* BGH 2.3.22, XII ZR 36/21