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Ist ein Bauträger rechtsirrig davon ausgegangen, als Leistungsempfänger Steuerschuldner für von ihm bezogene Bauleistungen zu sein, kann er das Entfallen dieser rechtswidrigen Besteuerung ohne Einschränkung geltend machen. Mit seinem Urteil verwirft der BFH die entgegenstehende Verwaltungsanweisung des BMF.

Hintergrund

Die Entscheidung des BFH betrifft nahezu die gesamte Bauträgerbranche, die in der Vergangenheit Wohnungen ohne Vorsteuerabzug errichtet und umsatzsteuerfrei verkauft („geliefert“) hat. Die Finanzverwaltung ist hier über einen mehrjährigen Zeitraum bis zum Februar 2014 davon ausgegangen, dass diese Bauträger Steuerschuldner für die von ihnen bezogenen Bauleistungen seien.

Diese Verwaltungspraxis hatte der BFH mit einem im November 2013 veröffentlichten Urteil verworfen.

Vordergründig eröffnete sich dadurch die Möglichkeit eines Wohnungsbaus ohne Umsatzsteuerbelastung:

  • die (leistenden) Bauunternehmer konnten im Hinblick auf die ausdrückliche Weisungslage der Finanzverwaltung darauf vertrauen, die von ihnen erbrachten Bauleistungen nicht versteuern zu müssen und
  • die (die Leistungen empfangenden) Bauträger waren entgegen der Annahme der Finanzverwaltung nach der BFH-Rechtsprechung von vornherein keine Steuerschuldner.

Der Gesetzgeber hat hierauf im Jahr 2014 mit einer Neuregelung reagiert, die seitdem die Steuerschuldnerschaft im Baubereich eindeutig regelt. Zudem wurde der Vertrauensschutz beim Bauunternehmer für die Vergangenheit gesetzlich eingeschränkt. Letzteres hat der BFH bereits im Wesentlichen gebilligt (PM Nr. 20 des BFH vom 5.4.18).

Ungeklärt war bislang die Frage, ob die Finanzverwaltung zur Verhinderung von Steuerausfällen, die in einstelliger Milliardenhöhe befürchtet werden, berechtigt ist, Erstattungsverlangen der Bauträger für Leistungsbezüge bis zum Februar 2014 nur nachzukommen, wenn der Bauträger Umsatzsteuer an den leistenden Bauunternehmer nachzahlt oder für die Finanzverwaltung eine Aufrechnungsmöglichkeit gegen den Bauträger besteht (so das BMF-Schreiben vom 26.7.17).

Sachverhalt

Die Klägerin errichtete in den Streitjahren 2011 bis 2013 Gebäude. Ganz überwiegend veräußerte sie diese anschließend umsatzsteuerfrei an Dritte.

Für die Errichtung der Gebäude bezog sie Bauleistungen von im Inland ansässigen Dritten. Die Bauleister gingen mit der Klägerin übereinstimmend davon aus, dass die Klägerin als Leistungsempfängerin die Steuerschuldnerin sei, und stellten daher Nettorechnungen aus. In den Steuererklärungen erklärte sie dementsprechend Steuer nach § 13b UStG. Die Erklärungen führten zu Festsetzungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Mit Bescheiden aus Juni 2016 hob das FA den Vorbehalt der Nachprüfung auf.

Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein. Ihrer Auffassung nach sei sie nach der BFH-Rechtsprechung aus August 2013 nicht die Steuerschuldnerin. Das FA wies den Einspruch als unbegründet zurück.

Demgegenüber hatte die Klägerin vor dem FG Erfolg. Hiergegen wendet sich das FA mit seiner Revision. Nach Auffassung des FA habe das FG zwar zutreffend entschieden, dass die Klägerin nicht Steuerschuldnerin nach § 13b UStG sei. Der Durchsetzbarkeit des mit der Klage verfolgten Erstattungsanspruchs stünden aber § 17 UStG in entsprechender Anwendung, der Grundsatz von Treu und Glauben und das Unionsrecht entgegen.

Festzuhalten sei an einer vom BFH in einem summarischen Verfahren vertretenen Auffassung. Treu und Glauben komme eine rechtsbegrenzende Wirkung zu. Es sei rechtsmissbräuchlich und eine unzulässige Rechtsausübung, wenn ein Anspruchsinhaber an einer formalen Rechtsposition festhalte, ohne ein schutzwürdiges Eigeninteresse zu haben.

Das Erstattungsverlangen begründe die Verpflichtung, an den Leistenden zu zahlen. Ein steuerrechtlicher Zufallsgewinn führe nicht zu einem berechtigten Eigeninteresse. Gleiches gelte im Hinblick auf die Verzinsung.

Die Klägerin verhalte sich zudem treuwidrig, wenn sie Erstattung begehre, ohne an den Leistenden zu zahlen. Dies ergebe sich auch aus dem Schreiben des BMF vom 26.7.2017. Nach dem Neutralitätsprinzip sei eine ungerechtfertigte Bereicherung zu vermeiden.

Zu beachten sei auch die BFH-Rechtsprechung, nach der es bei § 14c Abs. 1 Satz 2 UStG für das Entfallen der Steuerschuld zur Vermeidung einer ungerechtfertigten Bereicherung auf eine Rückzahlung überhöht ausgewiesener Steuerbeträge ankomme.

Entscheidung

Die Einschränkungen des BMF-Schreibens vom 26.7.2017 sind nach Auffassung des BFH rechtswidrig. Die zentrale Streitfrage des Besprechungsurteils ist, ob der Bauträger treuwidrig handelt, wenn er

  • von seinem FA die Rückgängigmachung der bei ihm rechtswidrig vorgenommenen Besteuerung verlangt,
  • ohne Umsatzsteuer an die Bauunternehmer zu zahlen, von denen er Bauleistungen bezogen hat.

Dies verneint der BFH. Die Annahme eines treuwidrigen Verhaltens kommt danach immer dann nicht in Betracht, wenn die Finanzverwaltung aufgrund einer rechtlichen Fehlbeurteilung die entscheidende Ursache für eine unzutreffende Besteuerung selbst gesetzt hat.

Praxistipp | Aus dem Urteil ergibt sich – über die entschiedenen Bauträgerfälle hinaus – eine Argumentationsschiene zur Entkräftung des Vorwurfs treuwidrigen Verhaltens.

Beachten Sie | Aufgrund des neuen Urteils werden Steuerausfälle in einstelliger Milliardenhöhe befürchtet.

Fundstelle
BFH 27.9.18, V R 49/17