Inhalt | |||
1 Einleitung 2 Änderungsmöglichkeiten eines Steuerbescheids 2.1 Vorbehalt der Nachprüfung 2.2 Änderung aufgrund neuer Tatsachen oder Beweismittel 2.3 Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeiten 2.4 Weitere Änderungsgrundlagen |
3 Was ist beim Einspruch zu beachten? 3.1 Einspruchsfrist 3.2 Aussetzung der Vollziehung 3.3 Sonstiges zum Einspruch 4 Was ist bei der Klage zu beachten? 4.1 Klagefrist 4.2 Klageform 4.3 Urteil |
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1 Einleitung
In der Praxis kommt es häufig vor, dass ein erlassener Steuerbescheid fehlerhaft ist.
Hier sieht die Abgabenordnung verschiedene Möglichkeiten vor, eine Änderung herbeizuführen. Diese sollen im Folgenden erläutert werden.
2 Änderungsmöglichkeiten eines Steuerbescheids
Ein Steuerbescheid wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekanntgegeben wird. Wenn Sie als Steuerpflichtiger eine Änderung des Steuerbescheides herbeiführen (z.B. weil Sie vergessen haben, Werbungskosten geltend zu machen), dann müssen Sie gegen den Steuerbescheid innerhalb eines Monats Einspruch einlegen. Ist jedoch die Frist dafür abgelaufen, dann ist ein Einspruch nicht mehr möglich (siehe Punkt 3.1).
Das Gesetz sieht aber noch verschiedene Möglichkeiten vor, den Steuerbescheid ohne Einspruchsverfahren zu ändern oder aufzuheben. Dies gilt sowohl für das Finanzamt als auch für den Steuerpflichtigen. Ob ein Steuerbescheid jedoch noch geändert werden kann, hängt aber von spezifischen Voraussetzungen ab.
Wichtig ist: für jede Änderung (sowohl zu Ihren Gunsten als auch zu Ihren Lasten) ist eine gesetzliche Anordnung erforderlich, eine sogenannte „Ermächtigungsgrundlage“. Nur das Gesetz kann die Finanzverwaltung zu einem Tun ermächtigen – auch dann, wenn es in Ihrem Sinne ist.
Hinweis
Sollten Sie einen Steuerbescheid erhalten, der möglicherweise geändert wurde, so kann die Änderung verfahrensrechtlich unzulässig sein, obwohl das Ergebnis inhaltlich (also materiell-rechtlich, z.B. nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes) eigentlich richtig ist. Sprechen Sie mit uns über Ihre Handlungsmöglichkeiten.
2.1 Vorbehalt der Nachprüfung
Haben Sie einen Steuerbescheid erhalten, der folgenden Zusatz enthält: „Der Bescheid ergeht nach § 164 Abs. 1 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.“, dann kann dieser Bescheid (innerhalb der Festsetzungsfrist) jederzeit und so oft wie nötig geändert werden. Dieses Änderungsrecht steht sowohl dem Finanzamt als auch Ihnen offen und die Änderungen können sowohl zu Ihren Gunsten als auch zu Ihren Lasten erfolgen.
Dies bedeutet, dass Sie die Änderung des Steuerbescheids selbst dann noch beantragen können, wenn die einmonatige Einspruchsfrist abgelaufen ist.
Die Steuerfestsetzung des Jahres, welches unter einem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt worden ist, ist daher so lange noch vollständig offen, solange der Vorbehalt der Nachprüfung wirksam ist und die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist.
Beispiel
Der Steuerpflichtige S hat 2023 seinen Einkommensteuerbescheid für 2022 erhalten. Dieser wurde vom Finanzamt unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erlassen. S hat die Einspruchsfrist verstreichen lassen. Er erkennt einige Zeit danach, dass er bei Erstellung der Einkommensteuererklärung vergessen hat, Werbungskosten geltend zu machen.
Lösung
S hat die Möglichkeit – trotz Ablauf der Einspruchsfrist – eine Änderung der Steuerfestsetzung zu beantragen, in der die Werbungskosten noch berücksichtigt werden.
Hierbei handelt es sich um einen Antrag auf Änderung und nicht – wie häufig angenommen – um einen Einspruch.
Hinweis
Der Vorbehalt der Nachprüfung ist eine sogenannte „Nebenbestimmung“ zum Verwaltungsakt „Steuerfestsetzung“. Es steht im Ermessen des Finanzamts, ob es eine solche Nebenbestimmung aufnimmt oder nicht. Voraussetzung ist, dass der Steuerfall noch nicht abschließend geprüft ist. Dies ist sehr vage und eröffnet dem Finanzamt einen großen Ermessensspielraum.
Es gibt keinen Anspruch darauf, eine Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (oder eben gerade nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung) zu erhalten.
Wird vom Finanzamt der Vorbehalt nicht ausdrücklich aufgehoben, so entfällt der Vorbehalt der Nachprüfung mit dem Ablauf der allgemeinen Festsetzungsfrist. Das Finanzamt kann den Vorbehalt der Nachprüfung aber auch ausdrücklich aufheben. Dann entfällt dieser mit Ablauf der Einspruchsfrist gegen diesen Aufhebungsbescheid. Ein Einspruch innerhalb dieser Monatsfrist ist dann die letzte Möglichkeit für Änderungen im Steuerbescheid.
2.2 Änderung aufgrund neuer Tatsachen oder Beweismittel
Eine in der Praxis sehr bedeutsame Möglichkeit, Steuerbescheide zu ändern, ist aufgrund neuer Tatsachen oder Beweismittel. Anders als beim Vorbehalt der Nachprüfung ist hier der Steuerfall nicht vollständig offen, sondern kann nur „insoweit“ geändert werden, als neue Tatsachen oder Beweismittel zu Tage treten.
Hinweis
Diese Einschränkung dient auch dem Schutz des Steuerpflichtigen: Er muss nicht jederzeit eine Änderung des Steuerbescheids durch die Finanzverwaltung befürchten.
Bei einer Änderung aufgrund neuer Tatsachen oder Beweismittel ist jedoch zu unterscheiden, ob die Änderungen zugunsten oder zuungunsten des Steuerpflichtigen sind. Leider liegt hier die Messlatte sehr hoch, wenn Sie die Änderung eines Steuerbescheids zu Ihren Gunsten erreichen wollen.
2.2.1 Was sind „neue Tatsachen“, was „Beweismittel“?
Unter Tatsachen versteht man alles, was Merkmal oder Teilstück eines steuergesetzlichen Tatbestands sein kann. Hierzu zählen Zustände, Vorgänge, Beziehungen und Eigenschaften materieller oder immaterieller Art. ebenso wie innere Tatsachen (z.B. die Absicht, Einkünfte oder Gewinne zu erzielen), die nur anhand äußerer Merkmale („Hilfstatsachen“) festgestellt werden können.
Beispiel
Wollen Sie Verluste aus einer privaten Vermietung geltend machen, müssen Sie glaubhaft machen, dass Sie die Absicht haben, langfristig positive Einkünfte zu erzielen. Dies ist immer dann kritisch, wenn die zu vermietende Wohnung längere Zeit leer steht. Wenn Sie regelmäßig Anzeigen schalten und mit potenziellen Interessenten Besichtigungen vornehmen, zeigt dies Ihre Vermietungsabsicht. Daraus kann auf die Absicht, positive Einkünfte zu erzielen, geschlossen werden. Das Schalten von Anzeigen ist damit eine Hilfstatsache.
Keine Tatsachen sind hier dagegen Gesetze oder Schlussfolgerungen aller Art (Rechtsfolgen), zu denen auch steuerrechtliche Wertermittlungen zählen.
Ein Beweismittel ist jedes Erkenntnismittel, das zur Aufklärung eines steuerlich erheblichen Sachverhalts dient. Dies bedeutet, dass alles, was dazu geeignet ist, das Vorliegen oder Nichtvorliegen von Tatsachen zu beweisen, ein Beweismittel in diesem Sinne ist. Hierzu zählen insbesondere Urkunden (z.B. Verträge, Geschäftspapiere) und Auskünfte.
Neue Tatsachen oder Beweismittel führen nur dann zu einer Änderung des Steuerbescheids, wenn sie erst nachträglich bekannt werden, also erst nach abgeschlossener Willensbildung über die Steuerfestsetzung den zuständigen Personen im Finanzamt bekannt geworden sind. Erfolgt z.B. eine Steuerfestsetzung aus dem „Innendienst“ der Finanzverwaltung und stellt eine Betriebsprüfung bei Ihnen neue Tatsachen fest, so kann die Steuerfestsetzung zu Ihren Lasten aufgrund dieser Ermächtigungsgrundlage geändert werden.
2.2.2 Neue Tatsachen oder Beweismittel, die zu einer höheren Steuer führen
Wenn dem Finanzamt neue Tatsachen oder Beweismittel bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen, muss es den entsprechenden Steuerbescheid ändern bzw. sogar ganz aufheben.
Beispiel
Die Steuerpflichtige Eva hat in ihrer Einkommensteuererklärung 2022 irrtümlicherweise vergessen, einen Teil ihrer Mieteinnahmen anzugeben. Im Mai 2023 erhält Eva den Einkommensteuerbescheid, der am 15.06.2023 bestandskräftig wird. Im August erfährt der zuständige Finanzbeamte von Evas nicht aufgeführten Mieteinnahmen.
Lösung
Auch wenn der Einkommensteuerbescheid bereits bestandskräftig ist, muss das Finanzamt diesen noch ändern. In diesem Fall geht dies zu Evas Lasten, da die höheren Mieteinnahmen auch zu einer höheren Steuer führen. Sollten Eva jedoch auch noch Werbungskosten – im Zusammenhang mit den nicht erklärten Mieteinnahmen – angefallen sein, die sie in der Einkommensteuererklärung nicht angegeben hat, kann sie diese nun gegenrechnen.
2.2.3 Neue Tatsachen, die zu einer niedrigeren Steuer führen
Werden dem Finanzamt neue Tatsachen oder Beweismittel bekannt, die zu einer niedrigeren Steuer führen, so ist der entsprechende Steuerbescheid ebenfalls zu ändern bzw. aufzuheben. Den Steuerpflichtigen darf aber laut Gesetz kein grobes Verschulden für das nachträgliche Bekanntwerden der Tatsachen oder Beweismittel treffen – in diesem Fall bliebe der Steuerbescheid zu seinen Ungunsten gültig.
Grobes Verschulden bedeutet, dass ein Steuerpflichtiger die Tatsachen entweder mit Vorsatz oder durch grobe Fahrlässigkeit in seiner Erklärung nicht angegeben hatte. Das Finanzamt nimmt häufig schnell ein grobes Verschulden an. Daher existiert hierzu eine umfassende Rechtsprechung, bei der z.B. folgende Punkte als grob schuldhaft hervorgehoben wurden:
- Fehlende Abgabe einer Steuererklärung trotz Aufforderung durch das Finanzamt
- Nichtbeantworten einer im Steuererklärungsformular ausdrücklich gestellten, auf einen bestimmten Vorgang bezogenen Frage
2.2.4 Änderungssperre nach Außenprüfung
Wenn ein Steuerbescheid aufgrund einer Außenprüfung entstanden ist, darf das Finanzamt diesen nicht mehr durch neue Tatsachen bzw. Beweismittel ändern (weder zugunsten noch zuungunsten des Steuerpflichtigen). Hierbei wird davon ausgegangen, dass die mit der Außenprüfung betrauten Beamten alle relevanten Tatsachen vollständig ermittelt haben.
Hinweis
Wenn ein Steuerpflichtiger jedoch eine leichtfertige Steuerverkürzung oder sogar eine Steuerhinterziehung begangen hat, gilt diese Änderungssperre nicht.
2.3 Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeiten
Sind dem Finanzamt beim Erlass des Steuerbescheids Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten unterlaufen, dann kann das Finanzamt diese berichtigen. Dies ist ein Grundsatz, der sich durch das gesamte Verwaltungsrecht zieht. Offenbare Unrichtigkeiten in Steuerbescheiden können innerhalb der Festsetzungsfrist grundsätzlich berichtigt werden, sowohl zugunsten als auch zu Lasten des Steuerpflichtigen.
Dies klingt zunächst einfacher, als es in der Praxis tatsächlich ist. Fehler passieren ständig, aber es handelt sich nicht immer um offenbare Unrichtigkeiten. Solche liegen nur dann vor, wenn eine rechtliche Würdigung ausgeschlossen ist. Geändert werden können also nur „mechanische“ Versehen, ein falscher Denkansatz bei der Steuerfestlegung wird durch die „offenbare Unrichtigkeit“ nicht abgedeckt.
Hinweis
Eine offenbare Unrichtigkeit kann aber auch dann vorliegen, wenn das Finanzamt eine in der Steuererklärung (oder in der beigefügten Anlage) enthaltene offenbare, das heißt für das Finanzamt erkennbare, Unrichtigkeit als eigene übernimmt.
2.4 Weitere Änderungsgrundlagen
Neben den bereits genannten häufig anzutreffenden Gründen einer Festsetzungsänderung gibt es noch seltener auftretende legitime Gründe, die zu einer Änderung der Steuerfestlegung führen können. Zu diesen zählen unter anderem:
- Steuerlich rückwirkende Ereignisse: Wenn sich die Bedingungen, die zur festgesetzten Steuer geführt haben, rückwirkend ändern, kann in der Folge auch die Steuerfestsetzung geändert werden.
Beispiel
Ein Ehegatte widerruft im Zuge der Veranlagung seinen Antrag auf Einzelveranlagung.
Lösung
Die bestandskräftige Veranlagung des anderen Ehegatten ist aufzuheben. Es liegt beim Widerruf ein steuerlich rückwirkendes Ereignis vor.
- Änderung eines Grundlagenbescheids: Wurde ein Grundlagenbescheid, auf dem die Steuerfestsetzung basierte, im Nachhinein geändert (z.B. der Grad einer Behinderung), kann auch die Steuerfestsetzung entsprechend verändert werden.
- Weitere Grundlagenbescheide sind Feststellungsbescheide, z.B.:
- für die Bewertung eines Grundstücks (bei der Erbschaftsteuer- oder Schenkungsteuer) oder
- die Bescheide für den Grundsteuerwert- bzw. den Grundsteuermessbetrag bei der Grundsteuer.
- Ein Steuerbescheid ist auch aufzuheben oder zu ändern, soweit von der mitteilungspflichtigen Stelle an die Finanzbehörden übermittelte Daten bei der Steuerfestsetzung nicht oder nicht zutreffend berücksichtigt wurden.
- Hinzuweisen ist hier darauf, dass bei einer Korrektur auch andere materielle Fehler – zugunsten und zuungunsten des Steuerpflichtigen – zu berichtigen sind, die nicht Anlass der Aufhebung oder Änderung sind.
3 Was ist beim Einspruch zu beachten?
Wenn Sie mit dem Ergebnis des Veranlagungsverfahrens nicht einverstanden sind, können Sie gegen den Steuerbescheid Einspruch einlegen. Das Einspruchsverfahren ermöglicht es Steuerpflichtigen, noch Änderungen des Steuerbescheids herbeizuführen.
Ein Einspruch ist hingegen nicht mehr möglich, wenn die einmonatige Einspruchsfrist abgelaufen ist oder das Finanzamt bereits auf Ihren Einspruch hin eine sogenannte „Einspruchsentscheidung“ erlassen hat. In diesem Fall bleibt Ihnen nur die Möglichkeit zu klagen (siehe Punkt 8).
Das Einspruchsverfahren an sich ist nicht kostenpflichtig, es fallen also keine Verwaltungsgebühren an. Jedoch müssen sowohl Sie als auch das Finanzamt die eigenen Aufwendungen, die durch den Einspruch entstehen, tragen.
Hinweis
Sollten Sie im Einspruchsverfahren obsiegen, erhalten Sie keine Rechtsanwalts- oder Steuerberatergebühren vom Staat erstattet.
3.1 Einspruchsfrist
Da nur innerhalb der Einspruchsfrist ein Einspruch eingelegt werden kann, ist deren Bestimmung wichtig. Haben Sie diese verstreichen lassen, ist ein Einspruch nicht mehr möglich, und damit erlangt der Steuerbescheid Gültigkeit, d.h., er wird „bestandskräftig“. Die Einspruchsfrist beträgt einen Monat und beginnt mit Bekanntgabe des Steuerbescheids.
Beispiel
Sie haben Ihre Einkommensteuererklärung für das Jahr 2022 im März 2023 eingereicht. Am 01.06.2023 erhalten Sie den Einkommensteuerbescheid. Bei der Durchsicht des Bescheids Anfang Juli stellen Sie fest, dass Sie Werbungskosten bei Ihren Vermietungseinkünften nicht geltend gemacht haben. Daher legen Sie am 10.07.2023 Einspruch beim Finanzamt ein.
Lösung
Ihr Einspruch wird vom Finanzamt nicht mehr berücksichtigt, da er nach Ablauf der Einspruchsfrist beim Finanzamt eingeht. Das Finanzamt muss daher zwingend (es hat kein Wahlrecht) den Einspruch als unzulässig verwerfen, selbst wenn Sie in der Sache Recht haben.
Hinweis
Haben Sie mit uns vereinbart, dass nicht wir die Empfangsbevollmächtigten für den Steuerbescheid sind, sondern Sie persönlich, dann sollten Sie uns den Steuerbescheid kurz nach Erhalt zur Verfügung stellen. Nur so ist gewährleistet, dass wir genügend Zeit haben, den Steuerbescheid zu prüfen, und gegebenenfalls rechtzeitig Einspruch einlegen können.
Im Steuerbescheid muss eine Rechtsbehelfsbelehrung enthalten sein. Nur dann beginnt die einmonatige Einspruchsfrist auch zu laufen.
Fehlt diese Belehrung jedoch oder ist unrichtig erteilt worden, dann kann ein Einspruch noch innerhalb eines ganzen Jahres nach Bekanntgabe des Steuerbescheids erfolgen. Dies ist aber sehr selten der Fall.
3.2 Aussetzung der Vollziehung
Haben Sie Einspruch eingelegt, dann bedeutet das nicht automatisch, dass Sie die Steuer, um die es geht, nicht zahlen müssen. Denn Sie streiten mit dem Finanzamt über die Festsetzung der Steuer, und die Festsetzung hat grundsätzlich nichts mit der Erhebung der Steuer zu tun. Daher müssen Sie trotz Einspruch die fällige Steuer innerhalb der gesetzten Zahlungsfrist an das Finanzamt entrichten. Andernfalls entstehen Säumniszuschläge.
Im Rahmen eines Einspruchsverfahrens haben Sie die Möglichkeit, eine sogenannte „Aussetzung der Vollziehung“ zu beantragen (siehe Punkt 3.2). Gibt das Finanzamt Ihrem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung statt, müssen Sie die Steuer vorerst nicht bezahlen.
Die Aussetzung der Vollziehung wird jedoch nur gewährt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Steuerbescheids bestehen. Das Finanzamt wird daher den Steuerbescheid noch einmal prüfen und in diesem Zusammenhang auch Ihre Eingabe berücksichtigen.
Ernstliche Zweifel können z.B. vorliegen, wenn:
- das Finanzamt bewusst oder unbewusst von einer für den Antragsteller günstigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) abgewichen ist oder
- eine Rechtsfrage von zwei obersten Bundesgerichten oder zwei Senaten des BFH unterschiedlich entschieden worden ist.
Ernstliche Zweifel liegen immer dann vor, wenn das Finanzamt sich Ihrer Rechtsauffassung anschließt. Wenn Sie also im Rahmen eines Einspruchsverfahrens Belege nachreichen, so wird das Finanzamt diese berücksichtigen und die Steuerfestsetzung entsprechend ändern.
Hinweis
Wenn Ihnen die Aussetzung der Vollziehung auf Antrag gewährt worden ist, der Einspruch in der Sache aber erfolglos bleibt, werden Aussetzungszinsen erhoben. Sie mussten den fälligen Betrag während der Einspruchsphase nicht bezahlen, also entstehen auch keine Säumniszuschläge. Aber das Finanzamt hat Ihnen wirtschaftlich betrachtet einen „Kredit“ für den Zeitraum bis zur Entscheidung über den Einspruch gewährt. Dessen Zinsen belaufen sich auf 0,5 % des ausgesetzten Betrags für jeden vollen Monat.
3.3 Sonstiges zum Einspruch
Einspruchseinlegung
Der Einspruch muss schriftlich bei dem Finanzamt, dessen Steuerbescheid angefochten wird, eingereicht werden. Auch die Einlegung durch Telefax ist möglich, wobei Sie den Sendebericht aufbewahren sollten. Auch ein Einreichen per E-Mail ist möglich. Die E-Mail muss zwar keine elektronische Signatur enthalten, aus Nachweisgründen ist dies aber zu empfehlen. Im Zweifelsfall müssen Sie beweisen, dass der Einspruch form- und fristgerecht beim Finanzamt zugegangen ist.
Sie müssen den Steuerbescheid, gegen den Sie Einspruch einlegen, genau bezeichnen. Sie sollten zudem angeben, inwieweit der Steuerbescheid angefochten und seine Aufhebung beantragt wird. Die Tatsachen, die zur Begründung dienen, und die hierfür erforderlichen Beweismittel sollten Sie anführen. Andernfalls kann das Finanzamt unter Umständen nicht erkennen, warum der Bescheid fehlerhaft sein soll, und Ihren Einspruch sofort als unbegründet zurückweisen.
Beschwer
Sie können einen Einspruch auch nur dann einlegen, wenn Sie beschwert sind. Bei einer Nullfestsetzung besteht aber grundsätzlich keine Beschwer.
Etwas anderes gilt nur dann, wenn die der Steuerfestsetzung zugrunde liegenden Besteuerungsgrundlagen für ein anderes steuerliches oder außersteuerliches Verfahren bindend sind.
Beispiel
Es ergeht ein Einkommensteuerbescheid mit der festgesetzten Steuer von 0 €.
Lösung
Ein Einspruch ist unzulässig.
Einspruchsrücknahme
Sie haben auch die Möglichkeit, den Einspruch bis zur Bekanntgabe der Entscheidung über den Einspruch zurückzunehmen. Dadurch werden Sie im Ergebnis so gestellt, als hätten Sie keinen Einspruch eingelegt. Damit wird der zunächst angefochtene Steuerbescheid bestandskräftig.
Entscheidung über den Einspruch
Nach Einspruchseinlegung wird der gesamte Steuerfall nochmals aufgerollt, und das Finanzamt prüft den gesamten Steuerbescheid erneut. Dabei kann der Steuerbescheid auch zu Ihrem Nachteil geändert werden, wenn das Finanzamt beim Erlass des Erstbescheids etwas übersehen haben sollte. In einem solchen Fall spricht man von „verbösern“. Bevor das Finanzamt einen verböserten Bescheid erlässt, wird es Ihnen dies ankündigen. Damit haben Sie die Möglichkeit, durch Rücknahme des Einspruchs diese Verböserung zu verhindern.
Vorsicht
Das Finanzamt hat außerhalb des Einspruchsverfahrens noch diverse andere Möglichkeiten, einen bestandskräftigen Steuerbescheid zu ändern (siehe Punkt 2).
Normalerweise ergeht ein Abhilfebescheid. Dies ist immer dann der Fall, wenn das Finanzamt dem eingelegten Einspruch des Steuerpflichtigen nachkommt. Sie erhalten einen neuen Steuerbescheid, in dem vermerkt ist, dass dieser neue Bescheid den alten Bescheid ändert, um Ihrem Einspruch zu entsprechen.
Ist das Finanzamt dagegen anderer Auffassung, dann erlässt es eine förmliche Einspruchsentscheidung. Hiergegen besteht nur noch die Möglichkeit der Klage vor den Finanzgerichten, um einen Steuerbescheid noch zu ändern.
Das Finanzamt kann aber auch einen Abhilfbescheid und eine Einspruchsentscheidung erlassen. Das wird immer dann der Fall sein, wenn das Finanzamt dem Einspruch nicht in allen Punkten nachkommt.
4 Was ist bei der Klage zu beachten?
Es ist häufig der Fall, dass als Antwort auf einen vom Steuerpflichtigen eingelegten Einspruch vom Finanzamt eine Einspruchsentscheidung ergeht. Der Grund hierfür liegt in der anderen Auffassung des Finanzamts. Da bei einer Einspruchsentscheidung ein nochmaliger Einspruch nicht mehr möglich ist, bleibt nur noch der Weg einer Klage.
Grundsätzlich können Sie als Steuerbürger ein Klageverfahren vor dem Finanzgericht selbst führen, es besteht kein Anwaltszwang. Natürlich können Sie sich von einem Rechtsanwalt vertreten lassen, aber auch Steuerberater sind berechtigt, vor den Finanzgerichten aufzutreten. Steuerberater sind zwar keine „Volljuristen“; sie haben aber im Steuerrecht eine umfassende Ausbildung erhalten und sind staatlich geprüft.
Hinweis
Lassen Sie sich im Vorfeld beraten, ob eine Klage für Sie sinnvoll erscheint. Denn im Gegensatz zum Einspruch führt eine Klage zu Gerichtskosten (Kostenvorschuss). Diese richten sich nach dem Gegenstandswert, betragen aber mindestens 312 €. Daher hat es manchmal allein aus wirtschaftlichen Gründen keinen Sinn, ein Gerichtsverfahren zu betreiben.
4.1 Klagefrist
Die Klagefrist beträgt einen Monat und beginnt mit der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung des Finanzamts. Die Frist berechnet sich wie die Einspruchsfrist, siehe Punkt 3.1.
Versäumen Sie die Klagefrist, wird Ihre Klage kostenpflichtig als unzulässig verworfen.
4.2 Klageform
Die Klage muss beim zuständigen Finanzgericht oder bei der Behörde, die den Steuerbescheid erlassen hat, schriftlich eingereicht werden. Sie können die Klage auch beim zuständigen Finanzgericht zur Niederschrift beim Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erheben.
Welches Gericht für Sie zuständig ist, erfahren Sie im Regelfall aus der Rechtsbehelfsbelehrung, die auf Ihrem Steuerbescheid abgedruckt ist. Schriftform bedeutet im Original und eigenhändig unterschrieben. Eine Klageerhebung per E-Mail ist nur dann zulässig, wenn die E-Mail mit einer qualifizierten Signatur versehen ist.
Hinweis
Wir raten Ihnen dazu, sich spätestens im Vorfeld einer Klageerhebung mit uns in Verbindung zu setzen.
4.3 Urteil
Die Entscheidung über die Klage erfolgt grundsätzlich durch Urteil. Damit ist das Festsetzungsverfahren grundsätzlich beendet und der angefochtene Bescheid wird bestandskräftig.
Es kann auch sein, dass das Finanzamt auf Hinweis des Gerichts den Bescheid zu Ihren Gunsten und wie von Ihnen gewünscht ändert. In diesem Fall erledigt sich Ihre Klage und es muss kein Urteil mehr ergehen. Inhaltlich wird dann nur noch über die Kosten des Rechtsstreits entschieden.
Hinweis
Vor Gericht gilt der Grundsatz: „Der Verlierer zahlt.“ Wenn Sie im gerichtlichen Verfahren gewinnen, trägt das Finanzamt als Beklagter die Kosten des Rechtstreits, also die Gerichtskosten sowie die gesetzlichen Gebühren, die Ihr Steuerberater/Anwalt verlangt.
Mit dem Urteil des Finanzgerichts enden 99 % aller Streitigkeiten mit dem Finanzamt. In begründeten Ausnahmefällen kann gegen Urteile des Finanzgerichts noch der BFH angerufen werden. Der BFH führt aber – anders als zum Beispiel ein Landgericht in Zivilsachen – keine Berufung (d.h. ein komplettes Wiederaufrollen des Verfahrens), sondern lediglich eine Revision der Entscheidung des Finanzgerichts durch.
Sollten Sie mit dem Gedanken spielen, gegen das Urteil eines Finanzgerichts den BFH anrufen zu wollen, sollten Sie sich unbedingt im Vorfeld beraten lassen. Denn eine Revision oder eine Nichtzulassungsbeschwerde (wenn das Finanzgericht eine Revision vor dem BFH nicht zulässt) sind höchst komplizierte Verfahren.
Vor dem BFH müssen Sie sich in jedem Fall von einem Rechtsanwalt oder einem Steuerberater vertreten lassen – hier besteht Vertretungszwang.
Wir stehen Ihnen gerne für weitere Fragen zur Verfügung.
Rechtsstand: Mai 2024
Alle Informationen und Angaben in diesem Mandanten-Merkblatt haben wir nach bestem Wissen zusammengestellt. Sie erfolgen jedoch ohne Gewähr. Diese Information kann eine individuelle Beratung im Einzelfall nicht ersetzen.