Nach dem Einkommensteuerrecht besteht für ein volljähriges Kind ein Anspruch auf Kindergeld, wenn dieses wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten.
Voraussetzung ist nach derzeitiger Rechtslage, dass die Behinderung des Kindes vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist.
BFH 9.6.11, III R 61/08
BFH 19.11.08, III R 105/07; 22.10.09, III R 50/07, BStBl II 11, 38
Nach einem aktuellen Urteil des BFH setzt der Kindergeldanspruch für ein über 27 (bei Behinderungseintritt nach dem 31.12.2006: über 25) Jahre altes Kind nicht voraus, dass neben der Behinderung auch die hierdurch bedingte Unfähigkeit zum Selbstunterhalt vor Vollendung des 27. (bzw. 25.) Lebensjahres vorgelegen hat.
Nach Auffassung des Gerichts muss nur die Behinderung und nicht auch die dadurch bedingte Unfähigkeit zum Selbstunterhalt vor Erreichen der maßgeblichen Altersgrenze vorgelegen haben. Anhaltspunkte für diese Voraussetzungen sind in § 32 Abs. 4 Nr. 3 EStG nicht gegeben und eine weite Auslegung würde der Entstehungsgeschichte und dem Zweck der Vorschrift entgegenstehen. Diese soll der verminderten Leistungsfähigkeit der Eltern Rechnung tragen.
Ein Kind ist außerstande, sich selbst zu unterhalten, wenn es über keine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit verfügt, die zur Bestreitung seines gesamten notwendigen allgemeinen Grundbedarfs und des individuellen behinderungsbedingten Mehrbedarfs ausreicht. So liegt eine behinderungsbedingte Unfähigkeit zum Selbstunterhalt vor, wenn die Behinderung in erheblichem Umfang die Ursache für Arbeitslosigkeit ist. Darüber hinaus kommt diese Voraussetzung auch ohne Arbeitslosigkeit in Betracht, wenn die vom behinderten Kind erzielbaren Einkünfte nicht dessen gesamten Lebensbedarf decken können oder der Nachwuchs behinderungsbedingt nur eine nicht ausreichende Teilzeittätigkeit ausüben kann.
Steuer-Tipp:
Der BFH betont, dass der fehlende Nachweis der behinderungsbedingten Unfähigkeit zum Selbstunterhalt nach den Regeln der objektiven Beweislast zulasten der Eltern geht. Die Regeln zur Berücksichtigung volljähriger Kinder wegen Behinderung wurden durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 nicht geändert.