In für UNTERNEHMER

Das Gemeinschaftsrecht verpflichtet die Verwaltung grundsätzlich nicht, bestandskräftige Bescheide zurückzunehmen, bei denen der Rechtsweg nicht ausgeschöpft wurde. Mit diesem Tenor stützt sich das FG Hamburg auf die Rechtsprechung von EuGH und BFH, wonach Betroffene ihre Bescheide bei anhängigen Verfahren selbst offenhalten müssen, um von günstigen Entscheidungen zu profitieren. Nach deutschem Recht darf eine Änderung bestandskräftiger Festsetzungen ausgeschlossen sein, auch soweit Einnahmen oder Umsätze EU-rechtswidrig der Steuer unterworfen wurden.
Quelle:
FG Hamburg 11.12.09, 3 K 82/09,
FG Münster 17.9.09, 5 K 327/09 U, Revision unter XI R 39/09; 13.8.09, 5 K 2784/07 U; 5 K 2659/07 U; 5 K 2174/07 U; 5 K 2447/07 U; 5 K 2022/07 U; Revisionen unter V R 48/09, 49/09, 51/09, 52/09, 57/09
EuGH 17.2.08, C-2/06, HFR 08, 521
BFH 15.7.09, I B 230/08, BFH/NV 09, 1779
BVerfG 14.9.09, 1 BvR 2601/08


Der Grundsatz der Rechtssicherheit ist auch im Zusammenhang mit der unrichtigen Anwendung von EU-Vorschriften zu respektieren. Nur bei Vorliegen besonderer Umstände können nationale Behörden verpflichtet sein, eine bestandskräftige Entscheidung zu überprüfen, sofern der Rechtsweg ausgeschöpft wurde und es anschließend zu einer abweichenden Auslegung durch den EuGH kommt. Grundsätzlich fordert das EU-Recht aber keine Rücknahme von Verwaltungsakten, die nach Ablauf angemessener Fristen bestandskräftig geworden sind. Es ist in erster Linie Sache des Einzelnen, seine Chance zur Herbeiführung einer Korrektur eines ihn belastenden Bescheides durch Einlegung von Rechtsbehelfen zu wahren. Eine Durchbrechung der Bestandskraft ist nicht gegeben, weil es an der entsprechenden AO-Änderungsnorm zur Korrektur bestandskräftig gewordener Steuerbescheide wegen späterer Änderungen der EuGH-Rechtsprechung fehlt.
Steuertipp:
Nach BFH-Ansicht kommt aber ein Erlass in Betracht, wenn der Bescheid offensichtlich und eindeutig unrichtig ist und es dem Betroffenen nicht zuzumuten war, sich hiergegen rechtzeitig zu wehren.
Zum Streitpunkt liegen dem BFH neue Revisionen vor. Hier geht es wiederum um die Frage, ob bestandskräftige Steuerfestsetzungen aufgrund der Gemeinschaftsrechtswidrigkeit gemäß § 125 Abs. 1 AO nichtig sind und daher bei gemeinschaftsrechtswidrigen Steuerbescheiden die nationalen Vorschriften über die Bestandskraft durchbrochen werden.
Das BVerfG hat im September 2009 eine Verfassungsbeschwerde zu der Frage, ob eine Durchbrechung der Bestandskraft wegen nachträglich ergangener EuGH-Rechtsprechung in Betracht kommt, nicht zur Entscheidung angenommen.