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Eine Übertragung der auf den anderen Elternteil entfallenden Kinderfreibeträge kommt nicht in Betracht, wenn beide Elternteile unter der selben Adresse gemeldet sind. In diesem Fall kann davon ausgegangen werden, dass beide Elternteile ihrer auch in Pflege und Erziehung des Kindes bestehenden Unterhaltspflicht nachkommen. |

Grundsatz

Abweichend von § 32 Abs. 6 Satz 1 EStG wird bei einem unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Elternpaar, bei dem die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG nicht vorliegen (d. h., dauernd getrenntlebende oder geschiedene Eltern oder wie hier Eltern eines nichtehelich geborenen Kindes), auf Antrag eines Elternteils der dem anderen Elternteil zustehende Kinderfreibetrag auf ihn übertragen, wenn er, nicht jedoch der andere Elternteil, seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind für das Kalenderjahr im Wesentlichen nachkommt oder der andere Elternteil mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist, § 32 Abs. 6 Satz 6 EStG.

Die Übertragung knüpft an die zivilrechtliche Unterhaltssituation an und setzt voraus, dass der Antragsteller seiner Unterhaltspflicht im Wesentlichen nachkommt, der andere Elternteil jedoch tatsächlich keinen Unterhalt leistet. Sei es, dass er seine Verpflichtung nicht erfüllt, sei es, dass er hierzu mangels Leistungsfähigkeit schon nicht verpflichtet ist. Eine Übertragung ist hingegen ausgeschlossen, wenn der andere Elternteil seiner Unterhaltspflicht nach Maßgabe seiner Leistungsfähigkeit nachkommt, selbst wenn sein Beitrag zum Unterhaltsbedarf verhältnismäßig geringfügig ist. Leistet ein Elternteil Naturalunterhalt durch Übernahme der Pflege und Erziehung des Kindes („Betreuungsunterhalt“), so kommt er seiner Unterhaltsverpflichtung in vollem Umfang nach (vgl. § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB).

Bei minderjährigen Kindern wird der dem Elternteil, in dessen Wohnung das Kind nicht gemeldet ist, zustehende Freibetrag für den Betreuungs-, Erziehungs- und Ausbildungsbedarf auf Antrag des anderen Elternteils auf diesen übertragen, wenn bei dem Elternpaar die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG nicht vorliegen, § 32 Abs. 6 Satz 8 EStG. Eine Übertragung nach Satz 8 scheidet aus, wenn der Übertragung widersprochen wird, weil der Elternteil, bei dem das Kind nicht gemeldet ist, Kinderbetreuungs­kosten trägt oder das Kind regelmäßig in einem nicht unwesentlichen Umfang betreut, § 32 Abs. 6 Satz 9 EStG. Die Übertragung ist ausgeschlossen, wenn das Kind bei beiden Elternteilen oder keinem von ihnen gemeldet ist.

Sachverhalt

Im Streitfall waren beide Kinder im gesamten Veranlagungszeitraum 2015 minderjährig und daher gemäß § 32 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. Abs. 3 EStG zu berücksichtigen. Gemäß § 32 Abs. 6 Satz 1 stand grundsätzlich jedem der beiden Elternteile für jedes der Kinder ein Kinderfreibetrag und ein Freibetrag für den Betreuungs-, Erziehungs- und Ausbildungsbedarf (im Folgenden „Betreuungsfreibetrag“) zu.

Die Voraussetzungen für die Übertragung der Kinderfreibeträge des Vaters auf die Mutter nach § 32 Abs. 6 Satz 6 und 7 EStG lagen jedoch nicht vor. Zwar hatte die Mutter die Übertragung der Freibeträge des Kindsvaters auf sich beantragt, auch unterliegen sie als unverheiratetes Paar nicht der Ehegattenveranlagung. Die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen lagen aber nicht vor, weil der Kindsvater seiner Unterhaltsverpflichtung durch Übernahme der Pflege und Erziehung der Kinder („Betreuungsunterhalt“) in vollem Umfang nachgekommen war. Die Vorschrift unterscheidet nicht danach, ob die beiden Elternteile miteinander verheiratet sind oder nicht. Entscheidend für den zivilrechtlichen Verwandtenunterhalt ist die Verwandtschaft in gerader Linie, § 1601 BGB.

Entscheidung

Eine Übertragung des Betreuungsfreibetrags des Kindsvaters auf die Mutter nach § 32 Abs. 6 Satz 8 und 9 EStG kam schon deshalb nicht in Betracht, weil alle Familienmitglieder unter derselben Adresse gemeldet waren.

Fundstelle
FG Nürnberg 8.8.19, 3 K 504/19, Rev. BFH III R 24/20