Wir möchten Sie auf verschiedene Aspekte durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes betreffend der dauerhaften Verlängerung der Grenze für die Istbesteuerung hinweisen. Durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes wurde die Umsatzgrenze von 500.000 Euro für die Istbesteuerung dauerhaft festgeschrieben.
Da dies für viele kleine und mittelständische Unternehmen, sowie für Existenzgründer eine außerordentliche erfreuliche Nachricht ist, möchten wir Sie im folgenden Artikel kurz und praxisbezogen auf diese Thematik des Umsatzsteuerrechts eingehen, da die Istbesteuerung echte Liquiditäts- und Zinsvorteile mit sich bringt.
DRITTES GESETZ ZUR ÄNDERUNG DES UMSATZSTEUERGESETZES, DRS. (B) 673/11 VOM 25.11.2011
In unseren langjährigen Beratungspraxis ist uns aufgefallen das es meist Existenzgründer schwer haben, die Auswirkungen der Istbesteuerung richtig zu verstehen. Dies liegt kurzum an der gesetzlichen bzw. an der juristischen Semantik der Gesetzgebung, die beim lesen oder besser gesagt bei der Textinterpretation einzelner Gesetzestexte Fragezeichen hinterlässt.
So ist es für viele Existenzgründer oft unklar welche Versteuerungsart beim ausfüllen des Fragebogen zur steuerlichen Erfassung gewählt werden soll.
Vorab möchten wir erwähnen das es generell angebracht ist, sich steuerlichen Rat einzuholen und somit steuerliche Pflichten und Gestaltungsmöglichkeiten zu dieser Thematik mit einem Steuerberater zu besprechen. Für einfache Auskünfte können Sie sich auch bei Ihrem zuständigen Finanzamt erkundigen.
Haben Sie Fragen zur dieser Thematik können Sie uns gerne kontaktieren.
Zunächst ist erst einmal festzuhalten, dass das Finanzamt bei den umsatzsteuerpflichtigen Unternehmen zwischen zwei Gruppen unterscheidet. Das sind die Ist-Versteuerer gem. § 20 UStG: Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten und das die Soll-Versteuerer gem. § 16 UStG: Versteuerung nach vereinbarten Entgelten.
Beachte
Die Umsatzsteuer entsteht grundsätzlich immer nach vereinbarten Entgelten, also der Soll-Besteuerung des § 16 UStG (auch Regelbesteuerung genannt). Das heißt, mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistung ausgeführt wird. Es sei denn es wird beim Finanzamt die Ist-Versteuerung beantragt. Die Voranmeldezeiträume bei der Umsatzsteuer müssen Sie als Unternehmer kennen.
Bei beiden Gruppen der Umsatzsteuerveranlagung handelt es sich um unterschiedliche Besteuerungsarten, aber die Höhe der abzuführenden Umsatzsteuer (abzgl. Vorsteuer) ist jedoch in beiden Fällen gleich hoch. Der Unterschied besteht im Zeitpunkt der Voranmeldung und der Abführung der Umsatzsteuer an den Fiskus.
Soll-Versteuerung
Bei der Soll-Versteuerung wird die Umsatzsteuer schon in dem Monat indem Sie eine Rechnung an Ihren Kunden schreiben fällig, unabhängig davon ob die Rechnung vom Kunden bezahlt wurde oder nicht.
Das heißt konkret
Sie müssen die Umsatzsteuer bereits an den Fiskus zahlen, egal ob Sie von Ihren Kunden Geld bekommen haben oder nicht. Hier besteht grundsätzlich die Gefahr dass Sie in Liquiditätsengpässe geraten, da hier bei hohen Umsätzen auch eine entsprechende hohe Umsatzsteuer (19 Prozent bzw. 7 Prozent von Ihren Umsatzerlösen) an das Finanzamt abzuführen ist. Wurden zudem hohe betriebliche Aufwendungen geleistet (Bestellung neuer Waren, Begleichung von Verbindlichkeiten, etc.), können diese Aufwendungen zuzüglich der abzuführenden Umsatzsteuer, die erwirtschafteten Umsätze wieder aufzehren.
Ist-Versteuerung
Anders sieht es bei der Berechnung und Abführung der Umsatzsteuer nach vereinnahmten Entgelten, also bei der so genannten Ist-Versteuerung aus.
Die Umsatzsteuer ist nicht sofort bei der Rechnungslegung, sondern erst wenn der Kunde Ihre Rechnung auch tatsächlich gezahlt hat, an das Finanzamt abzuführen. Hier herrscht das so genannte Zu- und Abflussprinzip gem. § 11 EStG.
Das heißt konkret
Erst wenn der in Rechnung gestellte Betrag auf Ihrem Konto (bzw. in Ihrer Kasse) gutgeschrieben wird, müssen Sie die die Umsatzsteuer an den Fiskus zahlen. Hier liegt der Vorteil klar auf der Hand, hierdurch werden Liquiditäts- und Zinsvorteile geschaffen und Sie müssen bei der Umsatzsteuer nicht in Vorkasse gehen.
Hinweis
Bei Anzahlungen, also Zahlungen, die geleistet werden, bevor die Leistung vollständig erbracht ist, unterliegen immer der Ist-Versteuerung. Die Voraussetzung für die Ist-Versteuerung ist vom Finanzamt laut § 20 Abs. 1 UStG zu genehmigen wenn,
ein Antrag gestellt wird,
- der Gesamtumsatz nicht mehr als 500.000 Euro beträgt, oder
- das keine Verpflichtung besteht Bücher zu führen und auf Grund jährlicher Bestandsaufnahmen regelmäßig Abschlüsse zu machen, nach § 148 AO befreit ist, oder
- soweit der Unternehmer Umsätze aus einer Tätigkeit als Angehöriger eines freien Berufs im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ausführt.
Für die Ist-Versteuerung und für die Buchführungspflicht gilt eine einheitliche Umsatzgrenze von 500.000 €. Die Umsatzgrenze für die Ist-Versteuerung von 500.000 Euro pro Kalenderjahr errechnet sich aus den jährlichen Netto-Umsätzen, also ohne die Mehrwertsteuer.
Ein weiterer Vorteil der Ist-Besteuerung ist der Vorsteuerabzug bei Eingangsrechnungen. Dieser ist vor allem daher interessant, da im Bezug auf den Abzug der Vorsteuer dieselben gesetzlichen Vorschriften gelten wie bei der Soll-Versteuerung.
Das heißt konkret
Sie können die Ihnen in Rechnung gestellte Vorsteuer sofort von Ihrer Umsatzsteuerzahllast abziehen, egal ob Sie die Ihnen vorliegende Rechnung bezahlt haben oder nicht. Daher empfiehlt sich ein Wechsel zur Ist-Besteuerung, wenn Sie Soll-Versteuerer sind und die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen. Trotzdem möchten wir Sie hier noch einmal darauf hinweisen, dass ein Gespräch mit einem Vertreter der steuerberatenden Berufe angebracht ist, damit Sie die Voraussetzungen und die Vorgehensweise hier erörtern und besprechen können.
Vorgehensweise
Der Wechsel von der Soll-Versteuerung zur Ist-Versteuerung kann formlos beim Finanzamt beantragt werden. Der Antrag ist an keine Frist gebunden. Die Ist-Versteuerung ist unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 UStG möglich (Gesamtumsatz vorrangegangenes Kalenderjahr nicht mehr als 500.000 Euro) und der Antrag muss vom Finanzamt genehmigt werden.
Im Hinblick auf die oben erörterte Umsatzgrenze ist es wichtig zu wissen, dass im Jahr des Beginns einer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit (Unternehmensgründung) eine Hochrechnung auf den voraussichtlichen Gesamtumsatz vorzunehmen ist.
Beispiel:
Sie gründeten so z.B. Ihr Unternehmen im April 2011 und haben bis Dezember 2011 360.000 Euro Umsatz, so müssen sie diesen Umsatz auf volle zwölf Monate hochrechnen.
Gerechnet wird:
1. 360.000 Euro : 8 Monate = 45.000 Euro
2. 45.000 Euro x 12 Monate = 540.000 Euro
Somit liegen Sie über den 500.000 Euro Umsatzgrenze, was zur Folge hat das keine Ist-Versteuerung möglich ist.
Hinweis
Gemäß § 19 Abs. 3 UStG sind von den steuerbaren Umsätzen für die Ermittlung des Gesamtumsatzes bestimmte steuerfreie Umsätze abzuziehen.
Zusammenfassung
- Der Unternehmer muss die Ist-Versteuerung beim Finanzamt beantragen, weil sie eine Ausnahme zur Regelbesteuerung Soll-Versteuerung darstellt.
- Istbesteuerung ist unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 UStG möglich (Gesamtumsatz vorrangegangenes Kalenderjahr nicht mehr als 500.000 Euro).
- Die Genehmigung kann formlos erfolgen, muss jedoch dem Finanzamt bekannt gegeben werden.
- Istbesteuerung muss vom Finanzamt genehmigt werden.
- Zur Vermeidung von Rückfragen von Seiten ihres zuständigen Finanzamts empfehlen wir Ihnen, dem Antrag auf Ist-Versteuerung eine Kopie der Umsatzsteuererklärung oder der Gewinn- und Verlustrechnung des Vorjahres beizufügen.
- Existenzgründer sollten beim ausfüllen des „steuerlichen Erfassungsbogen“ ein Kreuz bei der Ist-Versteuerung oder bei der Kleinunternehmerregelung setzen, da Liquiditätsengpässe gerade in der Gründungsphase bedrohliche Auswirkung haben können.