Zum Thema „erweiterte Grundstückskürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG sollte eigentlich bereits alles gesagt sein. Denn es gibt zu dieser gewerbesteuerlichen Vorschrift bereits zahlreiche Verwaltungsanweisungen und Urteile. Und dennoch tauchen in der Praxis immer wieder Konstellationen auf, die für Streitigkeiten mit dem Finanzamt sorgen. Hier drei neuere Entscheidungen, die Steuerberater in der Beratungspraxis zur erweiterten Grundstückskürzung beachten sollten.
Grundsätze der erweiterten Grundstückskürzung
Ein Unternehmen darf bei Ermittlung des Gewerbeertrags die erweiterte Grundstückskürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG beantragen, wenn es ausschließlich eigenen Grundbesitz verwaltet und nutzt. Trotz Gewerblichkeit kraft Rechtsform bleiben Gewinne aus der Immobiliennutzung und Immobilienverwaltung sowie aus der Veräußerung im Endeffekt gewerbesteuerfrei. Es gibt jedoch einige Ausnahmen, bei denen die erweiterte Grundstückskürzung nicht greift. Zwei solcher Ausnahmen wurden nun in zwei Gerichtsverfahren thematisiert. Gemeint sind folgende Ausnahmen:
* Die erweiterte Grundstückskürzung greift nicht, wenn der Grundbesitz ganz oder teilweise dem Gewerbebetrieb eines Gesellschafters oder Genossen dient (§ 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1 GewStG).
* Eine Betriebsaufspaltung zwischen der Objektgesellschaft (Besitzgesellschaft) und einer Betriebsgesellschaft schließt die erweiterte Kürzung nach ständiger Rechtsprechung aus, da in beiden Fällen der Zweck der Besitzgesellschaft von vornherein nicht auf eine Vermögensverwaltung, sondern auf die einheitliche gewerbliche Teilnahme am allgemeinen Wirtschaftsverkehr gerichtet ist.
Urteilsfall 1: Nein zur erweiterten Grundstückskürzung, wenn der Grundbesitz dem Gewerbebetrieb einer Mitunternehmerschaft des Gesellschafters dient
Darum ging es in dem Streitfall: Eine GmbH vermietete Wohnungen an Senioren. Das Grundstück, auf das die Wohnungen gebaut wurden, gehörte den beiden GmbH-Gesellschaftern. Die Gesellschafter-Geschäftsführer dieser GmbH waren zudem Kommanditisten einer KG. Diese KG erbrachte für die Senioren verschiedene Dienstleistungen. Die KG schloss die Verträge direkt mit den Senioren ab, wobei diese eine Klausel enthielten, dass der Dienstleistungsvertrag nur gekündigt werden kann, wenn gleichzeitig der Mietvertrag über die Wohnung gekündigt wird.
Die GmbH beantragte in ihrer Gewerbesteuererklärung die Anwendung der erweiterten Grundstückskürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG. Das Finanzamt lehnte die erweitere Grundstückskürzung jedoch mit Verweis auf § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1 GewStG ab. Der Grundbesitz dient nämlich ganz oder zum Teil dem Gewerbebetrieb eines Gesellschafters. Das gilt auch, wenn der Gesellschafter lediglich als Mitunternehmer an dem Gewerbebetrieb beteiligt ist. Die Vermietung der Wohnungen an die Senioren ist zudem untrennbar an die Dienstleistungsverträge der KG gebunden und daher Bestandteil eines einheitlichen wirtschaftlichen Konzepts.
So urteilten die Richter: Das FG Münster schloss sich der Auffassung des Finanzamts an und versagte die erweiterte Grundstückskürzung vor allem aus den folgenden beiden Gründen (FG Münster 11.5.21, 9 K 2274/19 G):
Versagensgrund 1: Grundstück ist Gesellschaftern von Nutzen
Die erweiterte Grundstückskürzung ist zu verneinen, wenn der Grundbesitz dem Gewerbebetrieb eines Gesellschafters allgemein „von Nutzen“ ist. Der Gewerbebetrieb der KG ist den Gesellschaftern der GmbH zuzurechnen. Die Zurechnung erfolgt analog zu den Grundsätzen der mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung.
Versagensgrund 2: Einheitliche gewerbliche Tätigkeit
Das FG Münster bestätigte die Auffassung des Finanzamts, wonach der Grundbesitz dem Gewerbebetrieb der Gesellschafter diente, weil die Vermietung der Wohnungen durch die GmbH und die Serviceleistungen der KG an die Mieter untrennbar miteinander verbunden sind. Im Endeffekt ist hier von einer einheitlichen gewerblichen Tätigkeit auszugehen.
Praxistipp
Das Argument, dass es bei der GmbH für die Frage der Gewerblichkeit ausschließlich auf die von ihr geschuldete und ausgeübte Tätigkeit ankommt (hier Vermietung an Senioren), überzeugte die Richter des FG Münster nicht.
Urteilsfall 2: Problemfall mitunternehmerische Betriebsaufspaltung I
Darum ging es in dem Streitfall: Klägerin war eine GmbH & Co. KG, deren Kommanditanteile sämtlich von der A-Holding gehalten wurden. 38,81 % bzw. 48,43 % der Kommanditanteile wurden auf eigene Rechnung gehalten, die restlichen Kommanditanteile wurden treuhänderisch für andere gehalten. Im Gesellschaftsvertrag war geregelt, dass Treuhänder berechtigt waren, unmittelbar an der Gesellschafterversammlung teilzunehmen und ihre mitgliedschaftlichen Rechte dort auszuüben. Gleichermaßen war es den Treuhändern möglich, sich durch die A-Holding vertreten zu lassen und dieser Weisungen und Stimmrechtsausübungen zu erteilen. Persönlich haftende Gesellschafterin der GmbH & Co. KG war die B-GmbH, die am Kapital der KG nicht beteiligt war. Die B-GmbH war zur Geschäftsführung in der KG berechtigt. Zwischen der Geschäftsführung der A-Holding und der B-GmbH bestand weitgehend Personalidentität.
Die A-Holding war über verschiedene Gesellschaften zudem mittelbar an einer M-KG beteiligt. Die Klägerin vermietete dieser M-KG ein Grundstück und beantragte dafür in ihrer Gewerbesteuererklärung die erweiterte Grundstückskürzung. Das Finanzamt lehnte die erweitere Grundstückskürzung mit der Begründung ab, dass die A-Holding über ihre Beteiligungsstrukturen in der Lage war, beherrschenden Einfluss auf die Geschäfte der Klägerin als auch auf die M-KG zu nehmen.
Es geht hier um die Frage, ob eine schädliche Betriebsaufspaltung vorliegt, wenn die hinter der Betriebsgesellschaft stehende Alleingesellschafterin von deren allein geschäftsführungsbefugter Komplementärin beherrschenden Einfluss auf die Geschicke des täglichen Lebens hat.
Exkurs: Wann liegt eine Betriebsaufspaltung vor?
Eine Betriebsaufspaltung liegt vor, wenn einem Betriebsunternehmen wesentliche Grundlagen für seinen Betrieb von einem Besitzunternehmen überlassen werden und die hinter dem Betriebs- und Besitzunternehmen stehenden Personen einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen haben. Dieser ist anzunehmen, wenn eine Person oder Personengruppe, die das Besitzunternehmen beherrscht, auch in dem Betriebsunternehmen ihren Willen durchsetzen kann.
Es muss also eine sachliche und eine personelle Verflechtung vorliegen, um von einer Betriebsaufspaltung ausgehen zu können, die die erweiterte Grundstückskürzung zu Fall bringen würde.
So urteilten die Richter: Die Richter des BFH gaben grünes Licht für die erweiterte Grundstückskürzung. Dazu führten sie Folgendes aus (BFH 20.5.21, IV R 31/19):
* Sachliche Verflechtung: Die sachliche Verflechtung ist zu bejahen, weil es sich bei dem vermieteten Grundstück um eine wesentliche Betriebsgrundlage handelt.
* Personelle Verflechtung: Eine personelle Verpflichtung ist nicht gegeben.
Zwar darf bei der Beurteilung der personellen Verflechtung auch eine mittelbare Beteiligung der A-Holding über eine Kapitalgesellschaft (B-GmbH) an der Klägerin als Besitzgesellschaft berücksichtigt werden. Die Annahme der personellen Verflechtung scheitert allerdings daran, dass die A-Holding in den Streitjahren nicht in der Lage war, ihren Willen in der Klägerin durchzusetzen. Dieser Umstand kann den Regelungen im Emissionsprospekt, in Treuhandverträgen und im Gesellschaftervertrag entnommen werde. Denn insbesondere die Kündigung von Gebäude- und Grundstücksmietverträgen war nach dem Gesellschaftsvertrag nur mit einfacher Mehrheit der in der Gesellschafterversammlung anwesenden und/oder vertretenen Stimmen zustimmungspflichtig. Die A-Holding konnte jedoch nach dem Gesellschaftsvertrag über keine eigene Stimmenmehrheit verfügen, sondern allenfalls gemeinsam mit den Stimmen des Treugebers.
Urteilsfall 3: Problemfall mitunternehmerische Betriebsaufspaltung II – Änderung der BFH-Rechtsprechung
Auch im dritten Urteilsfall geht es um die Frage, ob eine für die erweiterte Grundstückskürzung schädliche Betriebsaufspaltung zu bejahen ist oder nicht.
Darum ging es in dem Streitfall: Klägerin war eine GmbH & Co. KG, deren Kommanditanteile von fünf natürlichen Personen gehalten wurden (A, B, C, D, E). Die Klägerin vermietete an die M-GmbH & Co. KG eine Produktionshalle. Die M-GmbH nutzte die Halle eigenbetrieblich. An der M-GmbH war als einziger Kommanditist die H-GmbH beteiligt, an der auch die Kommanditisten A und B der Klägerin beteiligt waren. Die Klägerin beantragte in der Gewerbesteuererklärung die erweiterte Grundstückskürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG.
Das Finanzamt lehnte die erweiterte Grundstückskürzung mit der Begründung ab, es liege eine für die erweiterte Grundstückskürzung schädliche Betriebsaufspaltung vor.
Die Klägerin argumentierte jedoch, dass keine Betriebsaufspaltung vorliege, weil es an der personellen Verflechtung fehle. Zwar sei infolge der Überlassung eines von der M-KG zu betrieblichen Zwecken genutzten Grundstücks von einer sachlichen Verflechtung auszugehen. Es fehle jedoch an der erforderlichen personellen Verflechtung. Denn die Kommanditisten A und B der Klägerin seien zwar mit entsprechenden Mehrheitsverhältnissen an der H-GmbH ausgestattet gewesen, diese wiederum sei jedoch lediglich als Kommanditistin an der M-KG beteiligt und damit nach § 164 HGB von der Geschäftsführung ausgeschlossen.
So urteilten die Richter: Die Richter des BFH versagten die erweiterte Grundstückskürzung. Dazu führten sie Folgendes aus (BFH 16.9.21, IV R 7/18; veröffentlicht am 3.2.22):
* Sachliche Verflechtung: Die sachliche Verflechtung ist zu bejahen, weil es sich bei dem vermieteten Grundstück um eine wesentliche Betriebsgrundlage handelt.
* Personelle Verflechtung: Eine personelle Verflechtung ist zu bejahen.
In der Vorinstanz (Hessisches FG 24.1.18, 8 K 2233/15) sind die Finanzrichter nach der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung davon ausgegangen, dass – im Gegensatz zu einer mittelbaren Beteiligung über eine Kapitalgesellschaft an der Betriebsgesellschaft – durch eine mittelbare Beteiligung über eine Kapitalgesellschaft an der Klägerin als Besitz-Personengesellschaft keine personelle Verflechtung begründet werden kann. Wichtig: An dieser Rechtsprechung hält der BFH unter Berücksichtigung der von ihm eingeholten Stellungnahme des I. und des III. Senats des BFH nicht mehr fest.
fundstellen
* FG Münster 11.5.21, 9 K 2274/19 G, Rev. BFH III R 26/21, BFH 20.5.21, IV R 31/19, BFH 16.9.21, IV R 7/18