Das FG Münster hat entschieden, dass die Höhe der Nachzahlungszinsen von 6 % in den Jahren 2012 bis 2015 noch verfassungsgemäß ist. Die Regelungen verstoßen weder gegen Art. 3 Abs. 1 GG noch gegen Art. 20 Abs. 3 GG sowie das dort jeweils geltende Übermaßverbot.
Verwandte Themen:
Gesetzesregelung zu Nachzahlungszinsen verfassungsgemäß
Steuerzinssatz (noch) verfassungsgemäß
Sachverhalt
Die Kläger sind Eheleute. Für die Bearbeitung der Einkommensteuererklärung 2011 benötigte das FA über zehn Monate und setzte dann neben der Steuernachzahlung auch Zinsen in Höhe von 6 % pro Jahr fest. Noch schlimmer traf es die Eheleute für das Jahr 2010. Hier setzte das FA die Steuer erst im Januar 2016 fest – ebenfalls mit den entsprechenden Zinsfolgen. Die Steuerpflichtigen legten gegen die Zinsfestsetzungen Einspruch ein und machten u. a. geltend, die Höhe der Verzinsung sei angesichts der andauernden Niedrigzinsphase fernab der Realität und damit verfassungswidrig. Das Finanzamt wies die Einsprüche zurück.
Entscheidung
Das FG wies die Klage gegen die Zinsfestsetzungen ab. Es hält die einschlägige Rechtsprechung des BVerfG und des BFH zu der Problematik für zutreffend, verweist auf diese und folgt ihr vollinhaltlich.
Insbesondere haben sich nach Auffassung des Gerichts die Marktzinsen im Klagezeitraum nicht in einer Weise weiterentwickelt, die dazu führen würde, dass der Zinssatz des § 238 AO nicht mehr als hinreichend realitätsgerecht anzusehen ist.
Bezieht man sowohl die Zinssätze für Darlehen als auch diejenigen für Anlagen ein, hätten die Marktzinsen im Klagezeitraum zwar ein niedrigeres Niveau erreicht, als es in den vom BFH bisher beurteilten Zeiträumen der Fall war. Jedoch hätten sich die Zinsen nicht so weit von dem in § 238 AO festgelegten Zinssatz von 6 % entfernt, dass dieser nicht mehr im Rahmen einer zulässigen Typisierung läge.
Entsprechend dem Vorbringen der Steuerpflichtigen erscheint es auch dem Gericht durchaus naheliegend, neben den
- Zinssätzen für Privathaushalte auch
- Zinssätze für unternehmerische Darlehensnehmer und Anleger
heranzuziehen. Entgegen dem Klagebegehren sei allerdings nicht ausschließlich auf diese abzustellen. Die entsprechenden Zinssätze dürften hierbei niedriger sein als die o. g. Zinssätze. Auf der anderen Seite geht das Gericht aber davon aus, dass nicht lediglich die Zinssätze für risikolose Geldanlagen einzubeziehen sind. Vielmehr seien auch die Renditemöglichkeiten von risikobehafteten Anlageformen zu berücksichtigen (etwa für eine Anlage in Aktien, für eine unternehmerische Beteiligung etc.). Hier dürfte auch im Klagezeitraum noch eine höhere Rendite zu erzielen gewesen sein.
Nach Auffassung des Gerichts gleichen sich die beiden vorgenannten Korrekturen ungefähr gegenseitig aus, sodass auch diese im Ergebnis und bei überschlägiger Betrachtung zu Werten führen würden, welche im Bereich der o. g. Mittelwerte lägen.
Praxishinweis
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung hat das FG die Revision zum BFH zugelassen.
Auch wenn in der Vergangenheit bereits mehrere Musterverfahren zu dieser Frage aus Sicht der Steuerpflichtigen erfolglos waren, sollte man sich nicht scheuen, auch auf das neuerliche Verfahren „aufzuspringen“. Dazu genügt ein einfacher Einspruch unter Hinweis auf das Musterverfahren beim BFH (§ 363 Abs. 2 AO).
Anmerkung
Mit Pressemitteilung vom 17.10.2017 hat der Bund der Steuerzahler (BdSt) bekanntgegeben, dass er das Verfahren vor dem BFH unterstützt.
Fundstelle
FG Münster 17.8.17, 10 K 2472/16, Revision beim BFH unter III R 25/17