In Leih- und Zeitarbeit Beschäftigte haben in vielen Fällen keine erste Tätigkeitsstätte. Sie können dann ihre Fahrtkosten von der Wohnung zum Arbeitsplatz nach Dienstreisegrundsätzen abrechnen und nicht nur mit der Entfernungspauschale. Auch wenn sie wiederholt beim Entleiher befristet arbeiten, sind sie lohnsteuerrechtlich nicht ihm, sondern dem Verleiher zugeordnet. Nach einem aktuellen BFH-Urteil kommt es bei der Frage, ob ein Arbeitnehmer einem Betrieb dauerhaft zugeordnet ist, allein auf das Arbeitsverhältnis zwischen Verleiher und Arbeitnehmer an.
Sachverhalt
Im Streitfall war ein Leiharbeitnehmer dauerhaft bei einem Zeitunternehmen beschäftigt. Bei einem Entleiher hingegen war er von Beginn seiner Tätigkeit an mehrfach hintereinander befristet im Einsatz und erhielt von diesem einen steuerfreien Fahrtkostenersatz von 462 EUR für 239 Arbeitstage im Streitjahr. Daneben machte der Arbeitnehmer in seiner Steuererklärung Fahrtkosten nach Reisekostengrundsätzen in Höhe von 5.162 EUR geltend (nach Anrechnung der Fahrtkostenerstattung). Das Finanzamt akzeptierte jedoch nur die Hälfte, weil es lediglich die Entfernungspauschale ansetzte. Das Finanzgericht Niedersachsen sah dies genauso und begründete dies damit, dass der Leiharbeiter dem Entleiher-Betrieb dauerhaft zugeordnet sei.
Entscheidung
Dem widersprach jedoch der BFH und gestattete den vollen Abzug der Fahrtkosten als Werbungskosten, weil der Leiharbeitnehmer keine erste Tätigkeitsstätte habe. Der BFH entschied:
1. Im Fall einer Arbeitnehmerüberlassung nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz ist lohnsteuerrechtlicher Arbeitgeber der Verleiher.
2. Maßgebliches Arbeitsverhältnis für die Frage, ob der Arbeitnehmer einer betrieblichen Einrichtung i. S. d. § 9 Abs. 4 Sätze 1 bis 3 EStG dauerhaft zugeordnet ist, ist das zwischen dem Arbeitgeber und dem Leiharbeitnehmer bestehende Arbeitsverhältnis.
3. Besteht der Einsatz des Arbeitnehmers bei dem Entleiher in wiederholten, aber befristeten Einsätzen, fehlt es an einer dauerhaften Zuordnung i. S. d. § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG.
Von einer dauerhaften Zuordnung ist ausweislich der in § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG aufgeführten Regelbeispiele insbesondere auszugehen, wenn der Arbeitnehmer
* unbefristet,
* für die gesamte Dauer des Dienstverhältnisses oder
* über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus an einer solchen Tätigkeitsstätte tätig werden soll.
Das Zeitarbeitsunternehmen hatte im Streitfall bescheinigt, dass es den Leiharbeitnehmer dem Entleiher zunächst für den Zeitraum Januar bis September 2014 und anschließend für das letzte Quartal 2014 erneut befristet zur Verfügung gestellt hat. Das Finanzgericht nahm an, der Einsatz des Leiharbeitnehmers sei im Vorhinein so gestaltet gewesen, dass er „bis auf Weiteres“ und eben nicht befristet eingesetzt werden sollte.
Dem widersprach jedoch der BFH. Die Arbeitnehmerüberlassung sei immer befristet ausgesprochen worden. Beim Verleiher als seinem Arbeitgeber war er hingegen unbefristet beschäftigt. Tatsächlich sei dieses Arbeitsverhältnis entscheidend, ob der Arbeitnehmer einer betrieblichen Einrichtung zugeordnet ist. Er war der betrieblichen Einrichtung seines Entleihers durch seinen Arbeitgeber damit weder unbefristet noch für die Dauer seines Beschäftigungsverhältnisses i. S. d. § 9 Abs. 4 Satz 3, 1. und 2. Alternative EStG zugeordnet.
In einem 2019 vom BFH entschiedenen Fall gab es eine andere Ausgangslage: Der Leiharbeitnehmer war bei seinem Verleiher nur befristet beschäftigt und wurde dann „bis auf Weiteres“ einem Entleiher zugeordnet, dann jedoch innerhalb der Befristung an eine andere Firma verliehen.
Hier entschied der BFH, dass für die Tätigkeit beim ersten Entleiher eine erste Tätigkeitsstätte vorliegt, für den Einsatz beim zweiten Entleiher hingegen nicht mehr und nur hierfür die Fahrtkosten nach Dienstreisegrundsätzen abgerechnet werden dürfen (BFH 10.4.19, VI R 6/17). Begründet hat das der BFH damit, dass zunächst davon auszugehen war, dass der Arbeitnehmer für das gesamte Dienstverhältnis dem ersten Entleiher zugeordnet wäre. Dadurch hätte er dort seine erste Tätigkeitsstätte gehabt und konnte nur die Entfernungspauschale von 30 Cent pro Entfernungskilometer als Fahrtkosten absetzen (Hinweis: ab 2022 sind es ab dem 21. Entfernungskilometer 38 Cent).
Beim zweiten Entleiher konnte er hingegen nicht mehr für das gesamte Dienstverhältnis zugeordnet werden, weshalb dort keine erste Tätigkeitsstätte vorliegen konnte. Folge: Er durfte jeden gefahrenen Kilometer mit 30 Cent als Werbungskosten absetzen.
Praxistipp
Im häufigen Fall, dass der Leiharbeitnehmer unbefristet beim Zeitunternehmen, aber befristet beim Entleiher beschäftigt ist, können im Regelfall höhere Fahrtkosten geltend gemacht werden. Vorbehaltlich einer abweichenden tarifvertraglichen Regelung darf ein Verleiher denselben Leiharbeitnehmer höchstens 18 Monate demselben Entleiher überlassen.
fundstelle
BFH 12.5.22, VI R 32/20