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Beziehen Mandanten Elterngeld, ist dieses zwar steuerfrei, unterliegt jedoch dem Progressionsvorbehalt. Bei Ermittlung des Betrags, der dem Progressionsvorbehalt entspricht, stellt sich die Frage, ob der Arbeitnehmer-Pauschbetrag zum Abzug kommt, obwohl höhere Werbungskosten aus nichtselbstständiger Arbeit zum Abzug ­zugelassen werden. Die Antwort auf diese Frage ist nun ­möglich.

Grundsätze zum Elterngeld

Bezieht ein Steuerzahler nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz Elterngeld, sind die Zahlungen nach § 3 Nr. 67 EStG einkommen­steuerfrei. Sie unterliegen jedoch dem Progressionsvorbehalt (§ 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe j EStG).

Von dem unter Progressionsvorbehalt liegenden Elterngeld darf der Arbeitnehmer-Pauschbetrag i. S. v. § 9a Satz 1 Nr. 1 EStG in Höhe von 1.000 EUR (1.200 EUR nach dem Steuerentlastungsgesetz 2022) abgezogen werden, soweit er nicht bei der Ermittlung der Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit abziehbar ist (§ 32b Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG). Diese Vorgehensweise entspricht der Verwaltungsauffassung.

Praxistipp

Um Arbeitnehmer zu unterstützen, wird der Arbeitnehmerpauschbetrag bei der Einkommensteuer um 200 Euro auf 1.200 Euro erhöht und zwar rückwirkend ab dem 1.1.22. So hat es der Bundestag als Teil des Steuerentlastungsgesetzes am 12.5.22 beschlossen. Der Bundestag hat am 20.5.22 dem Gesetz zugestimmt.

Finanzgericht Niedersachsen widersprach der Verwaltungsauffassung

Überraschend urteilte das FG Niedersachsen, dass im Rahmen des Progressionsvorbehalts das Elterngeld selbst dann um den Arbeitnehmer-Pauschbetrag gekürzt werden darf, wenn bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit höhere Werbungskosten abgezogen werden. Begründung der Finanzrichter: Es wurden bei Ermittlung der Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit nur die tatsächlichen Werbungskosten abgezogen und eben nicht der Arbeitnehmer-Pauschbetrag (FG Niedersachsen 14.2.2012, 12 K 6/11).

Revision beim Bundesfinanzhof: Bestätigung der Verwaltungsauffassung

In dem zugelassenen Revisionsverfahren hob der BFH die Entscheidung des FG Niedersachsen auf und urteilte im Sinne der Verwaltungsauffassung. Bei der Ermittlung des dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Elterngelds unterbleibt der Abzug des Arbeitnehmer-Pauschbetrags, wenn bei der Ermittlung der Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit über dem Arbeitnehmer-Pauschbetrag liegende Werbungskosten abgezogen wurden (BFH 25.9.2014, III R 61/12).

Verfassungsbeschwerde gegen Urteil des Bundesfinanzhofs

Doch damit wollte sich der beim BFH unterlegene Bezieher von Elterngeld nicht zufriedengeben und erhob Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht. Doch das Bundesverfassungsgericht hat diese Verfassungsbeschwerde mit Beschluss vom 18.2.2022 – nach acht Jahren – nicht angenommen (2 BvR 3057/14). Folge: Nun sind das BFH-Urteil und damit die geltende Verwaltungsauffassung anzuwenden.

Beispiel

Eine Mutter bezieht Elterngeld in Höhe von 12.000 EUR und Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit in Höhe von 9.000 EUR. Werbungskosten kann sie in Höhe von 3.200 EUR nachweisen.

Folge: Die Mutter muss 5.800 EUR bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit versteuern. Bei der Ermittlung des Elterngelds für den Progressionsvorbehalt bleibt es bei den 12.000 EUR. Der Arbeitnehmer-Pauschbetrag darf nicht mehr abgezogen werden.

Beachten Sie | Sollten offene Einsprüche wegen der Verfassungsbeschwerde bestehen, ist damit zu rechnen, dass das Finanzamt dieses Einspruchsverfahren aufgrund des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 18.2.2022 beendet.

fundstellen
* FG Niedersachsen 14.2.12, 12 K 6/11, BFH 25.9.14, III R 61/12