Wenn berufstätige Ehegatten/Lebenspartner/Lebensgefährten während der Woche – und damit den weitaus überwiegenden Teil des Jahres – am „Beschäftigungsort“: zusammenleben, kommt es bei der Beurteilung, ob eine doppelte Haushaltsführung vorliegt, auf die Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls an.
In der Regel verlagert sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen eines Arbeitnehmers an den Beschäftigungsort, wenn er dort mit seinem Partner in eine familiengerechte Wohnung einzieht, auch wenn die frühere Wohnung beibehalten und zeitweise noch genutzt wird, so das aktuelle Urteil des BFH.
BFH 8.10.14, VI R 16/14
Grundsatz
Notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen sind gemäß § 9 EStG Werbungskosten. Eine doppelte Haushaltsführung liegt dann vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt.
Sachverhalt
Der Steuerpflichtigen stand am Wohnort ihrer Eltern eine Wohnung zur Verfügung, die sie mit ihrem Lebensgefährten auch nutzte, sie sich aber in der Woche und damit weitaus überwiegend ebenfalls mit ihrem Lebensgefährten am Ort ihrer Berufstätigkeit in einer dort angemieteten größeren Wohnung aufhielt.
FA und FG lehnten den geltend gemachten Werbungskostenabzug mit der Begründung ab, der Umstand, dass sich die Steuerpflichtige im Streitjahr den weitaus überwiegenden Teil des Jahres nicht allein, sondern zusammen mit ihrem Lebensgefährten und damit ihrer Hauptbezugsperson am Beschäftigungsort aufgehalten habe, führe zwangsläufig dazu, dass dort und nicht am Heimatort auch der Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen zu verorten sei.
Denn eine doppelte Haushaltsführung ist nicht gegeben, wenn der Beschäftigungsort der Lebensmittelpunkt ist.
Entscheidung
Der BFH hob im Revisionsverfahren die Entscheidung der Vorinstanz auf und verwies den Streitfall zur weiteren Sachaufklärung an die Vorinstanz zurück. Ob die außerhalb des Beschäftigungsortes belegene Wohnung des Arbeitnehmers als Mittelpunkt seiner Lebensinteressen anzusehen ist und deshalb seinen Hausstand darstellt, muss anhand einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls festgestellt werden.
Das FG muss nun alle Umstände des Einzelfalls, die sich aus einer Zusammenschau mehrerer Einzeltatsachen ergeben (u.a. persönliche Verhältnisse des Steuerpflichtigen, Ausstattung und Größe der Wohnungen, Art und Intensität der sozialen Kontakte, Vereinszugehörigkeiten und andere private Aktivitäten und Unternehmungen) würdigen.
Entscheidend ist auch, wie oft und wie lange sich der Arbeitnehmer in der einen und der anderen Wohnung aufhält, sofern der Aufenthalt dem Unterhalten des Ersthaushalts und dem dort geführten Privatleben dient und sich nicht lediglich in Familienbesuchen erschöpft. Denn auch eine Vielzahl von Besuchsfahrten, selbst wenn sie der Fürsorge gegenüber einem kranken Familienmitglied wegen unternommen werden, rechtfertigt es nicht, den Besuchsort als Lebensmittelpunkt des Besuchers anzusehen.
Praxishinweis
Bei einem verheirateten Arbeitnehmer liegt der Mittelpunkt der Lebensinteressen grundsätzlich an dem Ort, an dem sein Ehepartner und – wenn auch nicht notwendigerweise – seine minderjährigen Kinder wohnen. Gelegentliche Besuche des Ehepartners am Beschäftigungsort des Arbeitnehmers sowie das Zusammenleben berufstätiger Ehegatten an dem Beschäftigungsort während der Woche führen für sich genommen noch nicht zu einer Verlagerung des Lebensmittelpunktes.
Dagegen verlagert sich in der Regel der Mittelpunkt der Lebensinteressen an den Beschäftigungsort, wenn der Arbeitnehmer dort mit seinem Ehepartner in eine familiengerechte Wohnung einzieht, auch wenn die frühere Familienwohnung beibehalten und zeitweise noch genutzt wird.
Diese Regelvermutung ist der Lebenswirklichkeit geschuldet und gilt deshalb nicht nur bei Eheleuten, sondern gleichermaßen bei verpartnerten wie nichtverpartnerten und unverheirateten Lebensgefährten. Sie kann allerdings durch den Steuerpflichtigen widerlegt werden.