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Dass es durchaus Fälle geben kann, bei denen es aufgrund des seit 2005 geltenden Alterseinkünftegesetzes zu einer Doppelbesteuerung von Renten kommen kann, hat der BFH bereits in einem Urteil aus dem Jahr 2016 festgestellt. Aktuell sind einige Verfahren zu dieser Thematik beim BFH und beim FG Saarland anhängig.

Doch viele Finanzämter stufen Einsprüche von Rentnern gegen ihre Einkommensteuerbescheide als unbegründet und damit als unzulässig ein. Begründung: Sie können die Doppelbesteuerung nicht glaubhaft nachweisen. Hier die wichtigsten Infos zum Stand der Verfahren und ein Verhaltensknigge, wie Sie das Finanzamt dazu bringen können, die Einsprüche auch ohne Nachweise als begründet einzustufen. |

Abgeschlossene und anhängige Verfahren zur Doppelbesteuerung von Renten im Überblick

Bereits im Jahr 2016 urteilte der BFH, dass die Besteuerung von Renten nach dem 2005 in Kraft getretenen Alterseinkünftegesetz (§ 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a Doppelbuch. aa EStG) grundsätzlich verfassungsgemäß ist (BFH 21.6.16, X R 44/14).

Die Richter des BFH führten in ihrer Urteilsbegründung jedoch vielsagend aus, dass es in keinem Fall zu einer verfassungswidrigen doppelten Besteuerung der Altersvorsorgeaufwendungen und der Altersbezüge kommen darf. Hat ein Rentner die Vermutung, dass er doppelt besteuert wird, hat er zu den Besonderheiten seines Einzelfalls grundsätzlich einen konkreten und einen substanziierten Sachvortrag zu leisten. Kann er die Nachweise für die Doppelbesteuerung nicht erbringen, muss er die damit verbundenen möglichen Rechtsnachteile – eben die Doppelbesteuerung von Renten – hinnehmen.

Praxistipp | Diese Aussagen in der Urteilsbegründung im Urteil des BFH vom 21.6.2016 zitieren viele Sachbearbeiter in den Finanzämtern und weisen die Einsprüche von Rentnern zurück, wenn diese keine Berechnungen und nicht die Steuerbescheide für die letzten Jahrzehnte vorlegen können.

Dabei ignorieren sie jedoch, dass die eigentliche Streitfrage mit dem BFH-Urteil vom 21.6.2016 längst nicht geklärt war. Denn im weiteren Verfahrensverlauf muss nun geklärt werden, welche Einzelheiten zur Ermittlung einer verfassungswidrigen Doppelbesteuerung vorgelegt werden müssen. Das ist bis heute höchstrichterlich noch nicht geklärt.

Das passierte nach dem Urteil des BFH vom 21.6.2016

Der BFH hat den im Urteil vom 21.6.2016 entschiedenen Einzelfall zur Nachholung notwendiger Feststellungen ans FG zurückgewiesen. Zwar verneinte auch das FG Baden-Württemberg die Doppelbesteuerung der Renten (1.10.19, 8 K 3195/16). Da die Einzelheiten zur Ermittlung der verfassungswidrigen Doppelbesteuerung noch nicht höchstrichterlich geklärt sind, wurde die Revision vom BFH zugelassen (BFH X R 33/19). Das Verfahren ist derzeit noch anhängig.

Mit anderen Worten: Legen Sie gegen den Einkommensteuerbescheid eines Mandanten Einspruch ein und der Sachbearbeiter im Finanzamt erkennt den Einspruch nur dann als begründet an, wenn Nachweise in Form der Steuerbescheide der letzten Jahrzehnte vorgelegt werden können – was in der Regel nicht möglich sein dürfte – verkennt er, dass diese Vorlagepflicht höchstrichterlich noch gar nicht entschieden ist.

Weitere anhängige Verfahren zur möglichen Doppelbesteuerung von Renten

Es sind noch weitere Verfahren anhängig, auf die sich Rentner bei einem Einspruch gegen ihren Einkommensteuerbescheid und bei einem Antrag auf Ruhen des Verfahrens nach § 363 Abs. 2 Satz 1 AO berufen können. Dabei handelt es sich um folgende Verfahren:

  • Anhängiges Verfahren beim BFH (X R 20/19): Hier geht es um einen Selbstständigen, der verpflichtend Beitragszahlungen in ein berufsständisches Versorgungswerk und daneben freiwillige Beiträge in eine gesetzliche Rentenversicherung geleistet hat.
  • Anhängiges Verfahren beim FG Saarland (3 K 1072/20): In diesem Verfahren geht es um einen Angestellten, der stets steuerfreie Zuschüsse zur Rentenversicherung erhalten hat. Dieser Fall dürfte die Masse der Rentner mit einer gesetzlichen Altersrente repräsentieren. Verschiedenen Erlassen der Finanzverwaltung ist zu entnehmen, dass für dieses Verfahren vor dem FG die Verfahrensruhe gewährt werden soll.
  • Anhängiges Verfahren beim FG Saarland (3 V 1023/20): Dieses Verfahren zur Aussetzung der Vollziehung betrifft eine Arbeitnehmerin, die 49 Jahre lang in die Rentenversicherung eingezahlt hat, die nach einer finanzmathematischen Formel ihre Doppelbesteuerung berechnet und deshalb eine höhere Freistellung ihrer Rente beantragt hat.

Praxistipp | Es sind einige Fälle bekannt geworden, in denen die Finanzämter den Anträgen auf Verfahrensruhe nicht stattgegeben haben, weil sich die Antragsteller auf Verfahren berufen haben, die auf ihren Einzelfall nicht übertragbar sind. Achten Sie also bei der Antragstellung darauf, dass das genannte Verfahren auf Ihren Mandanten zutrifft.

Anforderungen von Berechnungen und Nachweisen durch Finanzämter

In vielen Fällen erkennen die Sachbearbeiter in den Finanzämtern die Einsprüche nur dann als begründet und zulässig an, wenn Nachweise und Belege für die behauptete Doppelbesteuerung von Renten vorgelegt werden. Als Nachweise und Belege werden unter anderem gefordert:

  • Berechnungen, die die vermeintliche Doppelbesteuerung belegen
  • Belege, mit denen die vermeintliche Doppelbesteuerung nachgewiesen werden kann (z. B. Steuerbescheide und Steuererklärungen der letzten Jahrzehnte, Nachweise zum Versicherungsverlauf)

Praxistipp | Der Verfügung einer Finanzverwaltung kann jedoch entnommen werden, dass konkrete Berechnungen und Vorlage von Belegen für die Begründung eines Einspruchs und für die Gewährung der Verfahrensruhe anlässlich anhängiger Verfahren nicht zwingend notwendig sind. Das kann folgender Aussage einer Verfügung entnommen werden: „Aus Gründen der Zweckmäßigkeit ist eine substanziierte Berechnung des Steuerpflichtigen über das Vorliegen einer Doppelbesteuerung derzeit nicht zwingend erforderlich.“

Verhaltensknigge, wenn das Finanzamt ausführliche Berechnungen und Belege anfordert

Lehnt ein Sachbearbeiter des Finanzamts die Zulässigkeit eines Einspruchs gegen die vermeintliche Doppelbesteuerung von Renten ab, weil keine Berechnungen und keine Belege vorgelegt werden (können), empfehlen sich folgende Vorgehensweisen:

  • Weisen Sie darauf hin, dass Einzelheiten zur Ermittlung der verfassungswidrigen Doppelbesteuerung noch nicht höchstrichterlich geklärt sind.
  • Sollte der Sachbearbeiter im Finanzamt dennoch auf die Nachweise zur Doppelbesteuerung bestehen, sollten Sie nicht lange zögern und sich mit der Bitte um eine Stellungnahme an die übergeordnete Finanzbehörde (z. B. OFD, Landesamt für Steuern) wenden.
  • Weisen Sie darauf hin, dass einer Verfügung einer Landesfinanzbehörde bereits zu entnehmen ist, dass Berechnungen zum Nachweis der Doppelbesteuerung der Renten entbehrlich sind. Bitten Sie um eine Stellungnahme, ob dazu eine bundeseinheitlich abgestimmte Regelung vorliegt und wenn ja, wie diese lautet.