Betreuen Sie Mandanten mit Ansässigkeit in einem EU-Mitgliedstaat, die ihren in Deutschland wohnhaften Mitarbeitern einen Dienstwagen überlassen? Wenn ja, sollten Sie diese Mandanten auf ein aktuelles Urteil des Europäischen Gerichtshofs hinweisen, nachdem die Dienstwagenüberlassung in Deutschland keine Umsatzsteuer mehr auslöst. Auswirkungen kann dieses Urteil auch für in Deutschland ansässige Arbeitgeber haben, die in einem EU-Mitgliedstaat wohnhaften Mitarbeitern einen Dienstwagen überlassen und für in Deutschland ansässige Unternehmen, die umsatzsteuerfreie Ausgangsumsätze erbringen. |
Ausgangssituation: Vorabentscheidungsersuchen des FG Saarland
Ausgangspunkt für die neue EuGH-Rechtsprechung zur umsatzsteuerlichen Behandlung der Dienstwagenüberlassung eines im EU-Ausland ansässigen Arbeitgebers an seine in Deutschland eingesetzten Mitarbeiter war ein Vorabentscheidungsersuchen des FG Saarland (FG Saarland 18.3.19, 1 K 1208/16) an den Europäischen Gerichtshof.
In dem beim FG Saarland zu verhandelnden Fall ging es um eine in Luxemburg ansässige Gesellschaft, die ihren beiden in Deutschland wohnhaften und in Luxemburg tätigen Mitarbeitern jeweils einen Dienstwagen zur beruflichen und privaten Nutzung überlassen hat. Ein Mitarbeiter musste sich an den Kosten für die Dienstwagennutzung beteiligen. Diese Kostenbeteiligung wurde vom Gehalt abgezogen. In Luxemburg ist der Arbeitgeber im „vereinfachten Besteuerungsverfahren“ registriert. In diesem Verfahren kann keine Vorsteuer geltend gemacht werden.
Aufgrund der Dienstwagenüberlassung wurde die Gesellschaft aus Luxemburg in Deutschland umsatzsteuerlich erfasst und musste Umsatzsteuer an das Finanzamt abführen. Eine Zusatzvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zur Dienstwagenüberlassung existierte nicht.
Die Gesellschaft aus Luxemburg stellte die Umsatzbesteuerung jedoch infrage, weil die Dienstwagenüberlassung anders als von der deutschen Finanzverwaltung beurteilt, keine Vermietung darstellt. Folge: Der Ort der sonstigen Leistung befindet sich nicht am Wohnort des Arbeitnehmers, sondern am Sitz des Arbeitgebers. Der Ort der sonstigen Leistung aus der Fahrzeugüberlassung befindet sich daher in Luxemburg und die Umsatzbesteuerung in Deutschland ist unzulässig. Auch eine unentgeltliche Wertabgabe nach Art. 26 MwSt-SystRL ist zu verneinen, weil der Arbeitgeber für den Kauf des Pkw nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt war.
Das FG Saarland wandte sich in seinem Beschluss mit der Frage an den EuGH, ob bzw. unter welchen Umständen die Fahrzeugüberlassung umsatzsteuerlich als steuerbare und steuerpflichtige langfristige Vermietung von Beförderungsmitteln bzw. als unentgeltliche Wertabgabe zu behandeln ist oder nicht.
Dienstwagenüberlassung aus Sicht der deutschen Finanzverwaltung
Die deutsche Finanzverwaltung geht bei einer Fahrzeugüberlassung des Arbeitgebers an einen Mitarbeiter umsatzsteuerlich stets von einer langfristigen Vermietung eines Beförderungsmittels aus. In der anteiligen Arbeitsleistung, die der Mitarbeiter für die Privatnutzung des Dienstwagens erbringt, wird ein Entgelt (= Gegenleistung) gesehen (Abschn. 15.23 Abs. 8 und 9 UStAE; BMF 5.6.14, V D 2 – S 7300/07/10002 :001).
EuGH: Keine generelle Vermietung von Beförderungsmitteln
Der EuGH stellte jetzt klar, dass bei einer Fahrzeugüberlassung eines Arbeitgebers an seine Mitarbeiter umsatzsteuerlich nicht generell von einer langfristigen Vermietung von Beförderungsmitteln ausgegangen werden kann (EuGH 20.1.21, RC-288/19 „QM“).
Bezogen auf den Streitfall beim FG Saarland urteilte der EuGH, dass die Fahrzeugüberlassung tatsächlich keine Vermietung darstellt. Folge: Die Umsatzbesteuerung in Deutschland erfolgte zu Unrecht. Denn sofern keine Zusatzvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zur Pkw-Gestellung vorhanden ist, gilt der Dienstwagen grundsätzlich als unentgeltlich überlassen. Allein aus dem Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses darf nicht geschlossen werden, dass der Arbeitgeber aufgrund der Dienstwagenüberlassung eine Gegenleistung erbringt oder auf einen Teil seines Gehalts verzichtet.
Nur in den Fällen, in denen eine Zusatzvereinbarung zwischen dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber vorliegt, könnte die Dienstwagenüberlassung als Vermietung (entgeltlicher Tausch) angesehen werden. Eine solche Zusatzvereinbarung müsste einen Gehaltsverzicht oder die Berechnung einer Nutzungsgebühr enthalten.
Beachten Sie | Auch die Besteuerung einer unentgeltlichen Wertabgabe nach Art. 26 MwSt-SystRL verneinte der EuGH, weil der Arbeitgeber für den Kauf keinen Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen konnte.
Beispiel
Ein in Österreich ansässiges Unternehmen überlässt in Deutschland wohnhaften und in Österreich tätigen Mitarbeitern jeweils einen Dienstwagen. Es besteht keine Zusatzvereinbarung zur Fahrzeugüberlassung.
Überlegungen in der Praxis zum EuGH-Urteil vom 20.1.2021
Je nachdem, ob Ihr Mandant in Deutschland oder im EU-Ausland ansässig ist, ergeben sich aufgrund des EuGH-Urteils und aufgrund der individuellen Zielsetzungen verschiedene Überlegungen.
* Überlegung 1: Umsatzsteuerliche Registrierung in Deutschland sinnvoll
In der Praxis kann es für im EU-Ausland ansässige Unternehmer natürlich zweckmäßig sein, dass sie in Deutschland umsatzsteuerlich registriert sind. Denn fällt die umsatzsteuerliche Registrierung weg, müsste die Erstattung von Vorsteuer in Deutschland über das Vorsteuervergütungsverfahren erfolgen.
In diesem Fall sollte der Arbeitgeber eine Zusatzvereinbarung für die Dienstwagenüberlassung mit dem Arbeitnehmer treffen, die einer Vermietung des Dienstwagens entspricht (z. B. Gehaltsverzicht). Durch die Umsatzsteuer auf die Dienstwagennutzung bleibt die umsatzsteuerliche Erfassung in Deutschland bestehen.
* Überlegung 2: Keine Umsatzbesteuerung mehr in Deutschland
Hat ein im EU-Ausland ansässiger Mandant kein Interesse an einer umsatzsteuerlichen Registrierung in Deutschland, sollte er mit Hinweis auf das aktuelle EuGH-Urteil vom 20.1.2021 die Erstattung der Umsatzsteuer für die Dienstwagenüberlassung für alle noch offenen Fälle und die Löschung der umsatzsteuerlichen Registrierung beim Finanzamt beantragen.
Wie sich die Finanzverwaltung zu dem Urteil des EuGH letztlich positioniert, ist bislang noch nicht absehbar. Denkbar sind ein anweisendes BMF-Schreiben zur Umsetzung des EuGH-Urteils oder ein Nichtanwendungserlass. Lehnt das Finanzamt die Anwendung ab, sollte dagegen Einspruch eingelegt und die übergeordnete Behörde mit der Bitte um Stellungnahme kontaktiert werden.
* Überlegung 3: Inländischer Arbeitgeber mit Fahrzeugüberlassung im EU-Ausland
Ein Vorteil könnte die neue EuGH-Rechtsprechung auch für in Deutschland ansässige Arbeitgeber darstellen, die im EU-Ausland wohnhaften Mitarbeitern einen Dienstwagen ohne Zusatzvereinbarung überlassen. Denn müssen sie bisher im Ausland Umsatzsteuer für die Dienstwagenüberlassung bezahlen und der Umsatzsteuersatz ist dort höher als in Deutschland, könnte er mit einem Antrag auf Anwendung des EuGH-Urteils mit einer geringeren Umsatzsteuerbelastung rechnen.
* Überlegung 4: Anwendung der Grundsätze des EuGH-Urteils bei umsatzsteuerfreien Umsätzen
Auch für in Deutschland ansässige Arbeitgeber, die ausschließlich umsatzsteuerfreie Ausgangsumsätze erbringen, dürfte das EuGH-Urteil vom 20.1.2021 sehr interessant sein. Denn obwohl nur umsatzsteuerfreie Ausgangsleistungen erbracht werden, muss für die Fahrzeugüberlassung an Arbeitnehmer bislang Umsatzsteuer ans Finanzamt abgeführt werden. Im Gegenzug darf aus dem Kauf des Pkw jedoch ein Vorsteuerabzug geltend gemacht werden, wenn die Nutzung durch den Arbeitnehmer stattfindet.
Nach den Grundsätzen des EuGH-Urteils v. 20.1.2021 dürfte die Pkw-Überlassung bei Arbeitgebern mit umsatzsteuerfreien Ausgangsumsätzen nun keine Umsatzsteuerpflicht mehr auslösen, wenn die Fahrzeugüberlassung unentgeltlich stattfindet. Für die Besteuerung einer unentgeltlichen Wertabgabe nach § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG fehlt es dann an der Vorsteuerabzugsberechtigung.
Fundstellen
* FG Saarland 18.3.19, 1 K 1208/16, EuGH 20.1.21, C-288/19